Dr. Lipp, Sachsen:
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem sehr angenehm
emotionalen Vortrag von Herrn Brunngraber ist es natürlich schwierig, nun eine
differenziert andere Position einzunehmen. Ich möchte trotzdem sagen: In vielen
der Dinge, was Herr Brunngraber vorhin gesagt hat, irrt er, hat er nicht ganz
recht. Ich versuche einmal, die Emotionen beiseite zu lassen und Fakten zu
nennen.
Erstens. Die Karte ist anders, als es gemeinhin kolportiert
wird. Sie ist nicht veraltet, sie ist nicht überholt. Prinzipiell funktioniert
sie auch. Das Fraunhofer Institut - dieser Institution kann man keine
Parteilichkeit vorwerfen - bestätigt dies.
Zweitens. Die Karte wird kommen, sie ist Gesetz. Was wir gar
nicht richtig wahrnehmen wollen: Diese Karte ist ein sich in vielen, vielen
Jahren entwickelndes System. Bis zur Realisierung dessen, was hier diskutiert
wird, vergehen nach Meinung derer, die sich damit befassen, die das einführen
wollen, auch im Ministerium, zehn, 15, 20 Jahre.
Es ist eben nicht, wie hier immer wieder gesagt wird, ein
Kartenprojekt, bei dem man sagen könnte: Was soll der überholte Unsinn, diese
mit Milliardenaufwand zu schaffende Karte ist das Gleiche wie das, was wir
jetzt mit dem Foto haben. Diese Karte ist der Schlüssel zu einem völlig neuen
System, zu einem IT-System, bei dem wir Ärzte, die Patienten und die
Krankenhäuser nur der Appendix eines Gesamtsystems sind. Wir können und werden
uns hier nicht ausklammern. Hier verhalten wir uns ein bisschen wie die
Bilderstürmer.
Als die Chipkarten damals eingeführt wurden, zeigte sich
dasselbe Stimmungsbild: Man war massiv dagegen. Heute hat sie quasi jeder.
Bei der Vertragsvielfalt werden wir um eine solche Karte gar
nicht herumkommen. Wir werden sie benötigen.
Ich persönlich bin sogar für die große Lösung. Ich möchte auf
dieser Karte gespeichert haben: die Patientenquittung, die Pflegestufe, die
Rabatte, die DMPs. Nur mit dieser Karte werden wir zukünftig dieses System der
überbordenden Bürokratie, das wir gar nicht wollen, noch steuern können. Es
bietet die Möglichkeit, die Bürokratie zu vermindern.
Es geht nicht um die Karte, sondern das Potenzial macht die Sache
interessant. Viele Bedenken, die wir haben, sind überholt, sind veraltet. Ich
habe gehört - Herr Bartmann, bitte korrigieren Sie mich gegebenenfalls -, dass
das Bundesministerium bei dieser Karte auf fast alle Belange der Ärzte ganz
intensiv eingeht und sich immer auf die Seite der Ärzte und nicht auf die
Krankenkassenseite geschlagen hat. Hier haben wir also einen deutlichen
Rückhalt.
Der Chaos Computer Club hat den Auftrag, diese Karte zu
knacken. Von der gematik ist dafür sogar ein Preis ausgelobt worden.
Vizepräsident Dr. Montgomery: Herr Lipp, die
Zeit!
Dr. Lipp, Sachsen: Es sei mir ein letzter Satz
gestattet. Wenn wir diese Karte und dieses System ablehnen, verhalten wir uns
wie die Amish People. Dann werden wir mit elektronischen Wollsocken durch die
Gegend laufen, wir werden Esel vor uns hertreiben und auf die Räder verzichten.
Oder wir lassen uns auf das Bartmann-Papier ein und werden mitgestalten können.
Sonst wird es uns oktroyiert. Wir kommen um die Karte nicht herum.
(Beifall)
Vizepräsident Dr. Montgomery: Das waren viele
Semikola. Trotzdem herzlichen Dank. - Der nächste Redner auf der Rednerliste
ist der Kollege Julian Veelken aus Berlin. |