Veelken, Berlin:
Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein kleines Gedankenspiel
machen und annehmen: Die Daten sind sicher. Ich glaube das zwar nicht, aber wir
können ja einmal so tun, als sei es so und alles verliefe so gut, wie wir es
uns heute überlegen. Ich möchte einen anderen Aspekt in die Diskussion
einführen, der mir bisher zu kurz gekommen ist. An den beiden vorhergehenden
Tagen wurde hier sehr viel über das Arzt-Patienten-Verhältnis bzw.
Patienten-Arzt-Verhältnis gesprochen, über die Intimität, über die Freundschaft
zwischen Arzt und Patient. Der eine ist beschwert, der andere hilft ihm.
Das sind Sachen, in denen ich mich durchaus wiederfinde. Ich
denke, auch das ist ein Grund, warum man als Krankenhausarzt Medizin studiert
hat und was man unbedingt hochhalten möchte. Wenn ich als Patient mit einem
kaputten Knie zum Orthopäden gehe, der Arzt meine Karte einliest - nicht auf
der jetzigen Stufe, aber später - und auf eine elektronische Patientenakte
stößt und sieht, dass ich vor vier Wochen wegen meiner Erektionsstörungen beim
Urologen war, dann ist der Orthopäde im Verhältnis zum Urologen ein Dritter,
der sich die Informationen aus meiner Akte rausholt. Mit anderen Worten: Das
Arzt-Patienten-Verhältnis, von dem wir hier so oft gehört haben, dass es ein
Verhältnis zwischen zwei Personen ist, wird kollektiviert.
(Beifall)
Man könnte sagen: Endlich kann der Patient nicht von dem einen
Arzt zum anderen gehen und jedem etwas anderes erzählen. Darüber ärgern wir uns
alle, ich auch. Ich glaube allerdings, entsprechend seinem Recht auf
informationelle Selbstbestimmung darf er das. Ich bin gespannt, was das
Bundesverfassungsgericht sagt, wenn man dem Patienten sagt: Du darfst nicht zu
jedem Arzt gehen und etwas anderes erzählen. Der Patient ist Herr seiner
Informationen, und er darf jedem von uns, ob es uns passt oder nicht, erzählen,
was er möchte. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass das irgendwo
gesammelt wird. Nur weil ich einen Heilberufsausweis habe, soll ich als
"Kollektivfreund" dieses Patienten berechtigt sein, diese Information, die er
irgendeinem anderen Kollegen gegeben hat, einzusehen und zu bündeln? Ich denke,
das Arzt-Patienten-Verhältnis besteht individuell zwischen zwei Teilnehmern und
ist kein Kollektivvertrag, wie es die Telematikplattform in ihrer vollen
Ausbaustufe sein wird.
(Beifall)
Ich kann es nicht vollständig nachprüfen, aber für mich ist
die Information aus persönlichen Gründen relativ sicher: In Berlin gibt es eine
große private Krankenhauskette, die zu den Niedergelassenen geht und ihnen
einen Dongle gibt, mit dem sie von ihrem Praxiscomputer aus auf die
Krankenhauscomputer zugreifen und sich dort die Daten herausholen können. Ich
halte das für einen Skandal,
(Beifall)
weil ich sicher bin, dass die Patienten weder im Krankenhaus
noch bei dem Kollegen, der den Dongle bekommt, irgendetwas in dieser Hinsicht
unterschrieben haben.
Das ist erst der Beginn der Auswüchse, die wir zu erwarten
haben, wenn wir dieses Projekt durchführen. Deshalb plädiere ich dafür, im
Sinne des Antrags
IV-12 die elektronische Karte abzulehnen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall)
Vizepräsident Dr. Montgomery: Vielen herzlichen
Dank, Herr Kollege Veelken. - Die nächste Rednerin ist Dr. Heidrun Gitter,
Vizepräsidentin der Ärztekammer Bremen. |