Eröffnungsveranstaltung

Dienstag, 19. Mai 2009, Vormittagssitzung

Congress Centrum Mainz, Gutenbergsaal in der Rheingoldhalle

(Musikalische Einleitung: Blechbläserensemble des Luftwaffenmusikkorps 2 Karlsruhe
unter der Leitung von Oberfeldwebel Kästner – Roland Kreid: Phönix-Fanfare)

Prof. Dr. Frieder Hessenauer, Präsident der Landesärztekammer Rheinland-PfalzProf. Dr. Frieder Hessenauer, Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz: Herzlich willkommen in der Stadt der Lebensfreude und der Gastfreundschaft, herzlich willkommen in Mainz! Der Mainzer Charme wird auch Sie in den nächsten Tagen ganz sicherlich berühren. Denn Mainz war schon immer begehrenswert und hat immer wieder die Mächtigen dieser Welt in seinen Bann gezogen. Und von Mainz gehen noch immer gute Impulse aus. Also sehr gute Voraussetzungen für einen gelungenen Deutschen Ärztetag.

Bereits zum vierten Mal findet in Rheinland-Pfalz ein Deutscher Ärztetag statt und schon zum zweiten Mal hier in Mainz. Ich begrüße daher ganz herzlich den Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz, Herrn Kurt Beck.

(Beifall)

Wir freuen uns auf Ihr Grußwort. Wir wissen, dass Ihr Terminkalender heute wieder sehr eng ist, denn gleich im Anschluss werden Sie zurück zur Kabinettssitzung gehen, die Sie leiten. Schön, dass Sie sich trotzdem die Zeit für uns genommen haben.

Herzlich willkommen heiße ich auch den Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, Herrn Klaus Theo Schröder. Danke, dass Sie heute die Bundesministerin für Gesundheit, Frau Ulla Schmidt, vertreten.

(Beifall)

Frau Schmidt kann heute das erste Mal in ihrer Amtszeit nicht persönlich am Deutschen Ärztetag teilnehmen. Sie ist in Sachen eines internationalen Termins bei einem Gesundheitsministertreffen der G-7-Staaten in Genf. Sie kümmert sich da um die Themen, die heute auf der Welt aktuell sind.

(Unruhe)

Ich freue mich, dass unsere Landesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen heute bei uns ist, Frau Malu Dreyer.

(Beifall)

Für Sie ist dies ja heute fast ein Heimspiel. Die Wege zwischen Landesärztekammer und Ministerium sind in Mainz kurz. Und wir schätzen die Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihrem Haus. Für die Anliegen der Ärztinnen und Ärzte haben Sie immer ein offenes Ohr. Danke dafür!

(Beifall)

Ich begrüße auch die Mitglieder des Bundestags, die heute hier sind. Herzlich willkommen in Mainz, Frau Annette Widmann-Mauz, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,

(Beifall)

Herr Dr. Hans Georg Faust, stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags.

(Beifall)

Auch aus der Europapolitik dürfen wir Gäste begrüßen. Ich begrüße Herrn Kurt Lechner, Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei und europäischer Demokraten.

(Beifall)

Ein Willkommensgruß geht natürlich auch an unsere Landespolitiker aus dem rheinland-pfälzischen Landtag und den anderen Landtagen der Bundesrepublik.

(Beifall)

Ich begrüße ganz besonders herzlich den Ehrenpräsidenten des 112. Deutschen Ärztetages sowie Ehrenpräsidenten der Ärztekammer Rheinland-Pfalz, Herrn Sanitätsrat Dr. Hans Engelhard, mit seiner Gattin.

(Beifall)

Verehrter Herr Engelhard, bereits zum zweiten Mal stehen Sie als Ehrenpräsident einem Deutschen Ärztetag vor. Das freut mich sehr, denn ich kann mir kaum einen Geeigneteren für dieses Amt vorstellen als Sie. Schön, dass Sie da sind.

(Beifall)

Sehr herzlich willkommen heiße ich auch den Präsidenten des Deutschen Ärztetages, Präsident der Bundesärztekammer und Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Herrn Professor Jörg-Dietrich Hoppe.

(Beifall)

Wie all die Jahre zuvor werden Sie sicher auch hier in Mainz in Ihrer gewohnt konzentriert-souveränen Art durch die kommenden Plenumssitzungen leiten.

Ich begrüße auch den Ehrenpräsidenten der Bundesärztekammer, Herrn Professor Dr. Karsten Vilmar. Ich freue mich, dass Sie da sind.

(Beifall)

Neben vielen Kolleginnen und Kollegen aus dem europäischen Ausland – in diesem Jahr eine Delegation von über 40 Personen – begrüßen wir sehr herzlich den Präsidenten der brasilianischen Ärzteorganisation. Bem vindos, Dr. José Luiz Gomes do Amaral!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, die höchste Auszeichnung der deutschen Ärzteschaft ist die Paracelsus-Medaille. Sie wird einmal im Jahr für besondere Verdienste an nur wenige Ärztinnen und Ärzte verliehen. Ich begrüße die diesjährigen Träger der Paracelsus-Medaille und die der vergangenen Jahre, die heute zum Teil unsere Gäste sind. Es ist für mich eine Ehre, stellvertretend für alle Herrn Professor Dr. Fritz Kümmerle willkommen zu heißen. Herr Professor Kümmerle, Sie gelten als Begründer der modernen Herzchirurgie in Mainz und haben hier schon sehr früh die Technik der Herz-Lungen-Maschine eingeführt. Sehr vielen ehemaligen Mainzer Medizinstudierenden sind Sie noch immer in lebendiger Erinnerung. Wir alle freuen uns, dass Sie heute bei uns sind.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich begrüße auch sehr gerne die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit ihrer Führungsspitze Herrn Dr. Andreas Köhler und Herrn Dr. Carl-Heinz Müller. Ein lieber Gruß geht natürlich auch an unsere Schwesterkörperschaft, die KV Rheinland-Pfalz hier in Mainz. Herzlich willkommen, Herr Sanitätsrat Dr. Günter Gerhardt.

(Beifall)

Ein zuverlässiger Verbündeter im Kampf um den Erhalt unserer Freiberuflichkeit ist der Präsident des Bundesverbands der Freien Berufe. Herzlich willkommen, Herr Kollege Ulrich Oesingmann.

(Beifall)

Ich begrüße auch die Präsidenten der befreundeten Kammern und die Vertreter der Verbände. Besonders freue ich mich, dass heute so viele Vorsitzende von den Landesverbänden hier im Saal sind, zeigt es doch, dass wir hier in Rheinland-Pfalz einen guten Dialog miteinander pflegen.

(Beifall)

Und natürlich begrüße ich besonders herzlich meine Kolleginnen und Kollegen im Vorstand der Bundesärztekammer.

(Beifall)

Vorstellen möchte ich Ihnen nun auch das Blechbläserensemble des Luftwaffenmusikkorps 2 Karlsruhe, das uns heute unter der Leitung von Herrn Oberfeldwebel Kästner musikalisch begleiten wird.

(Beifall)

Sie begrüße ich herzlich und danke Ihnen und damit stellvertretend allen Kolleginnen und Kollegen im Sanitätsdienst der Bundeswehr hier in unserer Heimat sowie allen Soldatinnen und Soldaten unterwegs bei diversen Auslandseinsätzen.

(Beifall)

Unsere Gästeliste heute, meine Damen und Herren, ist wieder lang und prominent. Sie alle sind uns herzlich willkommen. Wir freuen uns, dass Sie heute hier in Mainz sind.

Meine Damen und Herren, die Mainzer Geschichte ist sehr bewegt, sehr vielfältig und hat uns hier geprägt. Vermutlich liegt es an den vielen Facetten der Mainzer Vergangenheit, dass sich über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg die vielgepriesene rheinland-pfälzische Gesprächs- und Streitkultur entwickelt hat, um die uns viele andere Länder beneiden.

Wir gehen offen miteinander um. Wir sind dabei natürlich auch nicht immer einer Meinung. Wir sind hart in der Sache und lassen nicht locker. Aber wir pflegen dabei einen fairen Austauschstil.

Ganz sicher hat uns hier in Rheinland-Pfalz auch der Rhein geprägt. Der Rhein als Lebensader hat Mainz immer begehrenswert gemacht. Mainz war stets ein wichtiger strategischer Ort, heiß begehrt und viel umkämpft. Die Mächtigen dieser Welt hat es immer wieder nach Mainz gezogen, um von hier aus die Fäden in der Hand zu halten.

Der Schriftsteller Carl Zuckmayer, der nur rund zehn Kilometer Luftlinie von hier in Nackenheim geboren wurde und in Mainz aufwuchs, bezeichnete unsere Gegend hier immer gerne als Kelter Europas, als die große Völkermühle, die er in „Des Teufels General“ durch General Harras wie folgt beschreibt:

Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant – das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt – und der der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald und – ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein – das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel.

Und damit Sie diese Völkermühle besser verstehen können, nehme ich Sie nun mit auf eine kleine Reise.

Der Rhein war von Anfang an die Lebensader der Stadt. Ein reiches Kultur- und Völkerleben gab es hier in Mainz schon nach Ende der Steinzeit.

Mainz gehörte fast 500 Jahre zum Römischen Reich. Als strategisch wichtiger Militärstützpunkt zog Mainz natürlich Händler, Handwerker und Wirtsleute an. Mainz blühte auf und wurde wohlhabend.

Die vielen Überreste der Römer bestimmen noch immer das Mainzer Stadtbild. Wenn Sie heute in Mainz Baugruben ausheben, werden Sie noch immer fündig. Das freut die Historiker und ärgert manchmal die Bauherren. Und wo auf der Welt kann es Ihnen passieren, dass Sie, vom Flughafen kommend, aus der S-Bahn aussteigen und sofort in einem römischen Amphitheater sind?

Im sechsten Jahrhundert blühte das Christentum in der Stadt auf. Unter Bischof Lullus wurde das Bistum um 780 zum Erzbistum erhoben. Als Suffragane erhielt er mindestens die Bistümer Worms, Speyer, Würzburg und Eichstätt. Hinzukamen Konstanz, Straßburg, Paderborn, Halberstadt, Verden, Hildesheim, Chur, Augsburg, Havelberg, Brandenburg sowie Prag und Olmütz.

Kurzum: Die Kirche von Mainz entwickelte sich zur größten Kirchenprovinz nördlich der Alpen.

Und noch eine absolute Besonderheit und hohe Ehre: 955 nannte sich der Mainzer Erzbischof Wilhelm zum ersten Mal Diener des „Heiligen Stuhls von Mainz“ – ein Titel, den die Diözese bis heute führt. Mainz ist neben Rom die einzige Diözese der Welt, die den Titel eines Heiligen Stuhls führt.

Doch nun wieder zurück in die Vergangenheit. Mainz entwickelte sich weiter zu einem wichtigen Knotenpunkt des Reichs. Das galt nicht nur für politische und religiöse, sondern auch für wirtschaftliche Belange. Vor allem Kaufleute machten Mainz wohlhabend. Im zehnten Jahrhundert erwarb sich Mainz seinen Ehrennamen „Goldenes Mainz“.

Mit Willigis wurde der bedeutendste Kirchenmann dieser Zeit Erzbischof. Er galt als der zweite Mann nach dem Papst. Willigis ließ auch den Dom errichten. Bis heute prägt der Dom St. Martin das Mainzer Stadtbild. In diesem Jahr feiert Mainz 1000 Jahre Mainzer Dom.

In Mainz wusste man schon immer zu regieren und zu feiern. Zu den großartigsten Hoftagen des ganzen Mittelalters gehörte das von Barbarossa 1184 abgehaltene Pfingstfest. Weit über 40 000 Ritter zogen nach Mainz, eine Menschenmenge, die Mainz damals gar nicht fassen konnte. Deshalb lagerten die Ritter auch auf den Rheinauen. Da haben Sie es heute besser: Inzwischen gibt es in Mainz genügend Hotelbetten für Sie alle.

Seine Blüte erlebte Mainz in der Zeit von 1244 bis 1462, als es Freie Stadt war. Mit der Stadtfreiheit brach die Glanzzeit der Stadt im Hochmittelalter an. Mainz wurde zu einem Brennpunkt des politischen und des kirchlichen Geschehens.

Mit dem Ende des Hochmittelalters brachen jedoch auch wieder schlechtere Zeiten an.

Dazu kam noch die beginnende Reformation mit ihrer Kritik am Ablasshandel der Kirche. Solche Ablässe wurden im Erzbistum Mainz besonders intensiv verkauft. Erzbischof Albrecht von Brandenburg sorgte sehr eifrig dafür, dass die gläubigen Mainzer viel beteten und viel spendeten. Denn wegen Ämterhäufung musste er riesige Geldsummen nach Rom zahlen. Allein im Bezirk des Erzbischofs von Mainz kamen innerhalb von drei Jahren 42.043 Gulden zusammen. Eingetrieben wurden sie vor allem durch den Ablassprediger Johann Tetzel.

Dagegen erhob Martin Luther seine Stimme. Seine Thesen fanden in Mainz schnell Gehör und der dort gerade erfundene Buchdruck sorgte für eine rasche Verbreitung. Der Mainzer Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, gilt als Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern. Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern löste somit die erste Medienrevolution aus. 1999 kürte das amerikanische A&E-Network den Mainzer zum „Mann des Jahrtausends“.

Doch noch einmal zurück in die Vergangenheit.

Der seit 1618 tobende Dreißigjährige Krieg verschonte Mainz zunächst, doch 1631 marschierten die Schweden unter König Gustav Adolf in Mainz ein. Sie konnten sich aber nicht lange halten. 1636 verließ der letzte schwedische Soldat Mainz.

Noch während des Dreißigjährigen Kriegs wurde der Fürstbischof von Würzburg, der später als „deutscher Salomo“ gepriesene Johann Philipp von Schönborn, neuer Erzbischof. Sein Clou für die Entwicklung der Stadt war das Stapelrecht. Das Stapelrecht forderte Abgaben von Händlern, die ihre Waren auf dem Weg in die Messestadt Frankfurt zwischenlagerten. Mainz gelang so wieder der wirtschaftliche Aufschwung.

Doch der pfälzische Erbfolgekrieg von 1689 verschonte auch Mainz nicht. Der französische König Ludwig XIV. erhob Anspruch auf Teile der Pfalz, weil sein Bruder mit einer Schwester des kinderlosen Kurfürsten verheiratet war. Sie alle kennen sie als die Liselotte von der Pfalz.

Um seine Interessen durchzusetzen, erteilte Ludwig seinem General Mélac den berühmt-berüchtigten Befehl „Brûlez le Palatinat!“ – „Brennen Sie die Pfalz nieder!“ Diesen Befehl führte der General fast wortwörtlich aus, sodass Städte wie Heidelberg, Worms und Speyer in Trümmer fielen. Auch vor Mainz tauchten die Truppen auf. 1689 wurde die Stadt zum ersten Mal französisch besetzt.

Die Zeit des Barocks ließ auch Mainz wieder erblühen: Kultur und Lebensstil hielten Einzug. Barocke Prachtbauten entstanden. Auch die Musik und das Theater spielten im barocken Mainz eine große Rolle. Wolfgang Amadeus Mozart besuchte die Stadt bis 1790 dreimal.

Wir kommen in unserer Zeitreise jetzt in der Aufklärung an.

Für Mainz war Kurfürst Erzbischof Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim prägend. Er wollte aufgeklärte Bürger, um mit der modernen Zeit mithalten zu können. Er sorgte für die Öffnung des Schulwesens. Um die Arbeitsproduktivität zu erhöhen, schaffte er kurzerhand 18 Festtage ab bzw. verlegte sie auf Sonntage.

Schließlich war Friedrich Karl Joseph Reichsfreiherr von Erthal der letzte Kurfürst und Erzbischof des alten Mainz. Er wollte seine Residenz zu einem „Athen am Rhein“ machen.

Mainz erlebte im 18. Jahrhundert eine zuvor nie gekannte kulturelle Blüte. Doch die Auswirkungen der Französischen Revolution erreichten in den Folgejahren auch die Stadt Mainz. Am 21. Oktober 1792 rückten die Franzosen ohne jede Kampfhandlung ein. 20 000 Soldaten besetzten die Stadt. Das waren mehr Soldaten als Einwohner.

Der Gedanke der Demokratie reifte in Mainz sehr früh. 1792 gründete sich die „Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit“ – der erste Jakobinerklub in Deutschland. Dieser Klub war die erste demokratische Bewegung in Deutschland.

Das französische Besatzungsregiment sah sogar Wahlen vor. Es entstand die Mainzer Republik. Die Mainzer Republik ist die erste Demokratie auf deutschem Boden und trat 1793 im Mainzer Deutschhaus zusammen. Das Deutschhaus ist der heutige Sitz des Landtags von Rheinland-Pfalz. Und so nebenbei bemerkt: Am Deutschhaus hat auch die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz ihren Sitz.

Doch wieder zurück ins Jahr 1793. Mainz wurde erneut eingeschlossen. Der Kampf um Mainz hielt an. Aber die deutschen Truppen konnten den Franzosen nicht mehr viel entgegensetzen. Zu sehr hatten ihnen die Revolutionstruppen unter General Napoleon Bonaparte zugesetzt. Am 30. Dezember 1797 wurde „Mayence“ zum vierten Mal französisch. Das war das endgültige Ende des alten Mainzer Kurfürstentums nach über 1000 Jahren.

Die Franzosen wollten „Mayence“ nun für immer an sich binden und führten in der Stadt daher ihre Kultur und Sprache ein. Deren Reste finden sich bis heute im Mainzer Dialekt. Außerdem führten sie ihre Justiz und Verwaltung wieder ein. Eines der neugeschaffenen Gerichte verurteilte 1803 den Räuber Johann Bückler, genannt „Schinderhannes“; in Mainz wurde er hingerichtet.

Napoleon wurde zum bestimmenden Mann in der jungen Republik, zu der auch Mainz gehörte. Mehrmals inspizierte er die Stadt und veränderte das Stadtbild gewaltig. Straßen ließ er zu Prunkboulevards umbauen mit Durchbruch bis zum Rhein.

Erst die sogenannte Völkerschlacht im Oktober 1813 bei Leipzig leitete den Anfang vom Ende der napoleonischen Herrschaft in Deutschland ein. Mainz wurde wiederum von deutschen Truppen eingeschlossen und belagert. Obwohl die Nahrung knapp wurde, hielten sich die Franzosen fast noch ein halbes Jahr in der Stadt. Am 4. Mai 1814 zogen sie aufgrund des Ersten Pariser Friedens ab. Damit waren 16 Jahre französischer Herrschaft hier in Mainz zu Ende.

Die Revolution von 1848 betraf auch die Stadt Mainz. Doch wie immer waren die Mainzer und die Rheinland-Pfälzer dem allgemeinen Demokratiegedanken voraus. Schon 16 Jahre vor der deutschen Revolution von 1848 entwickelten sich hier Burschenschaften und nahmen an politischen Volksfesten teil, insbesondere am Hambacher Fest im Mai 1832. Hambach liegt rund 100 Kilometer südlich von Mainz zwischen Neustadt und Landau. Beim Hambacher Fest wurden die burschenschaftlichen Farben Schwarz-Rot-Gold endgültig zu den deutschen Farben. Die original Hambacher Fahne, die als Symbol für Freiheit, Einheit und Demokratie gilt, hängt noch heute im Plenarsaal des rheinland-pfälzischen Landtags.

Nach dem Ende der Revolution folgten eine „politische Windstille“ und eine wirtschaftliche Depression.

Das 20. Jahrhundert brachte neben dem Status einer Großstadt weiteren Aufschwung in die Stadt. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs beendete auch in Mainz die seit 1871 anhaltende Blütezeit. Am 9. Mai 1918 fielen zum ersten Mal Bomben auf Mainz. Unter den Opfern des Angriffs war auch die junge Meta Cahn, welcher von Anna Seghers später ein schriftstellerisches Denkmal gesetzt wurde.

Nachdem im November 1918 der Waffenstillstand bekannt gegeben wurde, rückten bereits im Dezember zum fünften Mal die Franzosen in Mainz ein. Wie schon bei der Besatzung von 1799 führten die Franzosen auch diesmal ihre Kultur in Mainz ein. Außerdem wurde an den Schulen der Französischunterricht wieder eingeführt.

Die aufkommende Weltwirtschaftskrise beendete rasch die bestehende kurze Phase der wirtschaftlichen Erholung. Nach der Reichstagswahl 1933 begann die Phase der Gleichschaltung, die auch in Mainz voll durchgriff. Die Vereinnahmung der beiden großen Kirchen jedoch gelang den Nationalsozialisten in Mainz nicht.

Der Zweite Weltkrieg veränderte das Leben in der Stadt zunächst nur marginal. 1940 fielen zum ersten Mal im Zweiten Weltkrieg Bomben auf Mainz. Der schwerste Bombenangriff erfolgte am 27. Februar 1945, als die britische Luftwaffe in drei Wellen Bomben über der Stadt abwarf. Der gesamte Angriff dauerte eine Viertelstunde und verwandelte die ganze Stadt in ein Flammenmeer. 80 Prozent der Mainzer Innenstadt waren zerstört. Das „Goldene Mainz“ war endgültig untergegangen.

Doch wie Sie sich sicherlich denken können, sind die Mainzer nicht unterzukriegen. Mit ihrem unerschütterlichen Optimismus stehen sie immer wieder auf – egal wie tief sie gerade gefallen sind.

Die Zukunft des Nachkriegs-Mainz wurde unter anderem in Jalta beschlossen. Die französische Besatzungsmacht zog zum sechsten Mal in die Stadt ein. Sie erklärte die Stadt am 30. August 1946 zur Hauptstadt des neuen „rhein-pfälzischen Landes“. Sie ordnete per Dekret auch an, dass 1946 wieder Fassenacht zu feiern sei.

Die „Meenzer Fassenacht“ hat eine lange Tradition. Im 16. Jahrhundert haben bereits die ersten närrischen Umtriebe stattgefunden. Sehr kreativ setzten die Mainzer ihre Erfahrungen insbesondere mit den französischen Besatzungszeiten in der Fassenacht um. Die farbenfrohen Uniformen der Fastnachtsgarden bezeugen dies noch heute. Auch die in der Fassenacht so wichtige Zahl 11 ist eine „hommage“ an Frankreich: E steht für Egalité, L für Liberté und F steht für Fraternité. Auch die Insignien der Mainzer Fassenacht kennt inzwischen jeder, nämlich Weck, Worscht und Woi. Diese drei Ws sind des Mainzers Lebenselixier.

Mainz und Rheinland-Pfalz sind auch weltweit vertreten. Ob Sie in Berlin unterwegs sind oder in New York über die 5th Avenue schlendern – die Namen unserer Landsleute sind allgegenwärtig: Raiffeisen, Bosch, Chrysler, Rockefeller, Trump, Heinz, Hoover, Presley, Hilton und Adlon.

Und wussten Sie, dass ein Pfälzer der Vater des Weihnachtsmanns ist? Der Zeichner Thomas Nast hat das Bild des pfälzischen „Belzenickel“ aus seiner alten Heimat mit in die Neue Welt nach Amerika genommen. 1889 kam eine Sammlung seiner Werke heraus, in der diese Zeichnung veröffentlicht war. Ein amerikanischer Limonadenhersteller fand Gefallen an diesem Weihnachtsmann und machte ihn mit seinen Kampagnen weltweit bekannt.

Mit unserer Zeitreise sind wir nun schon fast in der Gegenwart angelangt.

Die Zeit des Wirtschaftswunders erreichte Mainz nur langsam. 1962 schließlich feierten die Mainzer ihr 2000-jähriges Jubiläum mit großen Festen und erneuerter Stadtkulisse. Die Jubiläumsfeier hatte noch einen weiteren bemerkenswerten Nebenaspekt: Das Land schenkte der Stadt am Rande des Ober-Olmer Waldes ein Gelände. Daraus entstand der Stadtteil Lerchenberg, wohin bald das Zweite Deutsche Fernsehen zog. Die Fernsehstadt fing an zu wachsen.

Wie Sie alle selbst feststellen können: Im Fernsehen sind Kochshows ja seit einiger Zeit die reinsten Quotenlieblinge. Aber wussten Sie, dass mit Clemens Wilmenrod der allererste Fernsehkoch ein Rheinland-Pfälzer war? Clemens Wilmenrod gilt als Erfinder des Toasts Hawaii und zauberte bereits 1953 zur besten Sendezeit einfache Gerichte auf den Tisch und erfreute damit ganz Nachkriegsdeutschland.

Mainz wurde ab dem Ende der 70er-Jahre auch häufiger von Staatsoberhäuptern aus aller Welt besucht. Den Mainzern ist der Besuch des US-Präsidenten George W. Bush im Februar 2005 noch in guter Erinnerung.

Rheinland-Pfälzer denken auch in die Zukunft. So hat unser Bundesland auch viele prominente Politiker hervorgebracht wie beispielsweise Helmut Kohl, der inzwischen als Kanzler der deutschen Einheit gilt. Unsere Politiker – auch wenn sie aus der Provinz kommen – haben immer die Gesamtheit im Auge und sie haben Visionen und sind damit ihrer Zeit oft voraus.

Die Zukunft gestalten ist für Rheinland-Pfälzer in Fleisch und Blut übergegangen. Unsere Geschichte und unsere eingangs erwähnte Völkermühle haben uns so sozialisiert.

Mainzer lassen sich nicht unterkriegen. Mainzer stehen immer wieder auf, auch im Fußball.

Mainz verbindet, denn durch Mainz läuft nicht nur der 50. Breitengrad, sondern auch die Straße der Demokratie.

Mainz ist die Stadt der Lebensfreude, der Gastfreundschaft und der fünften Jahreszeit.

Dafür sind wir hier in Mainz besonders bekannt, aber wie Sie soeben auf unserer Zeitreise bemerkt haben, auch für bewegte Geschichte und für revolutionäre Ideen.

Lassen Sie sich also von der Mainzer Lebensfreude, dem Genuss, dem Mainzer Optimismus, der Mainzer Kreativität und der Mainzer Diskussionskultur anstecken.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Deutschen Ärztetag und auch ein bisschen Zeit, unsere schöne und facettenreiche Landeshauptstadt etwas näher kennenzulernen.

(Beifall)

(Chris Hazell: Kraken)

© Bundesärztekammer 2009