Eröffnungsveranstaltung

Dienstag, 19. Mai 2009, Vormittagssitzung

Paracelsus-Medaille der deutschen ÄrzteschaftProf. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages und Präsident der Ärztekammer Nordrhein: Wir kommen zur Verleihung der Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft. Auf Beschluss des Vorstands der Bundesärztekammer, der auf dem Deutschen Ärztetag zu verkünden ist, werden jährlich mit der Paracelsus-Medaille Ärztinnen und Ärzte ausgezeichnet, die sich durch erfolgreiche berufsständische Arbeit, vorbildliche ärztliche Haltung oder hervorragende wissenschaftliche Leistungen besondere Verdienste um das Ansehen der Ärzteschaft erworben haben.

Der Vorstand der Bundesärztekammer beschloss im Dezember 2008, auf dem 112. Deutschen Ärztetag mit der Paracelsus-Medaille auszuzeichnen: Herrn Professor Dr. med. Rolf Bialas, Herrn Professor Dr. med. Dr. h. c. Theodor Hellbrügge, Herrn Professor Dr. med. Fritz Kümmerle und Herrn Professor Dr. med. Ernst Rebentisch. Ich bitte die Herren auf die Bühne.

(Beifall)

Die Verleihungsurkunden haben folgenden Wortlaut:

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Rolf Bialas in Hamburg, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Rolf Bialas einen Arzt, der sich in einer Vielzahl von haupt- und ehrenamtlichen Tätigkeiten herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. Als langjähriger Präsident der Ärztekammer Hamburg hat er sich vorbildlich für die ärztlichen Belange engagiert. Ein besonderes Anliegen war ihm die Alterssicherung der Ärzte. Am Aufbau des Versorgungswerkes der Ärztekammer Hamburg war er maßgeblich beteiligt und fungierte außerdem als Vorsitzender des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen. Auch auf der politischen Bühne in seiner Heimatstadt war er aktiv – als Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und Bausenator. Bialas hat sich um die medizinische Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Bialas wurde am 2. Februar 1929 in Hamburg als einziger Sohn des Milchhändlers Ernst Bialas und seiner Ehefrau Katharina geboren. Anfang 1945 wurde er zum Wehrdienst eingezogen und geriet in Dänemark in Gefangenschaft. Nach dem Krieg kehrte er nach Hamburg zurück und legte an der Oberschule für Jungen in Eimsbüttel seine Abiturprüfung ab. 1948 begann der sportbegeisterte junge Mann – Bialas war damals Handballspieler und -trainer beim Hamburger Sportverein – das Studium der Humanmedizin in seiner Heimatstadt. 1954 absolvierte er das Staatsexamen und wurde zum Dr. med. promoviert. Seine Dissertationsarbeit mit dem Thema „Soziale Lage, Gesundheitszustand und Konstitutionstyp der Studierenden“ entstand am Hygienischen Institut der Hansestadt Hamburg unter Leitung von Professor Harmsen. Es folgte der Berufseinstieg als Assistenzarzt im Allgemeinen Krankenhaus Barmbek. Dort arbeitete er in der Inneren Abteilung sowie in der Chirurgie. Der ambitionierte Arzt strebte aber keine Klinikkarriere an, sondern die Niederlassung. Nachdem er 1960 die Prüfung zum Facharzt für Innere Medizin abgelegt hatte, führte er ab 1962 eine Privatpraxis und war als Vertrauensarzt für die Landesversicherungsanstalt Hamburg tätig. 1978 erhielt er eine Kassenzulassung und war bis 1993 als Vertragsarzt für seine Patienten da.

Schon früh setzte sich Bialas auch für die Belange seiner Kolleginnen und Kollegen ein und engagierte sich in der ärztlichen Selbstverwaltung. Seine berufspolitische Heimat ist der Marburger Bund. Von 1962 bis 1974 war er Mitglied im Hamburger Landesvorstand. Im Jahr 1966 wurde er Beisitzer im Vorstand der Ärztekammer Hamburg. Sein besonderes Interesse galt der Alterssicherung der Ärzte durch berufsständische Versorgungseinrichtungen. Am Aufbau des Hamburger Versorgungswerkes war er maßgeblich beteiligt. Auch langwierige Auseinandersetzungen um die Sinnhaftigkeit schreckten ihn nicht. Seine Eloquenz sei ebenso geschätzt wie gefürchtet, schrieb das Hamburger Abendblatt einmal über ihn. Und so setzte er in Hamburg schließlich die Gründung des Versorgungswerkes durch. 1971 wurde er zum Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses des Versorgungswerkes der Ärztekammer Hamburg gewählt. Diese Tätigkeit unterbrach er, als er 1974 Hamburger Bausenator wurde. Bialas – seit 1965 FDP-Mitglied – engagierte sich nämlich nicht nur in der ärztlichen Selbstverwaltung, sondern war auch auf der politischen Bühne in seiner Heimatstadt aktiv. Seit 1970 saß er als Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft.

Nachdem die FDP 1978 bei den Wahlen an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, kehrte er in seinen Beruf als Arzt zurück. Ein Jahr bildete er sich zunächst im Allgemeinen Krankenhaus Barmbek fort, um auf neuestem Wissensstand seine Praxis weiterzuführen. Auch in die Gremienarbeit in der ärztlichen Selbstverwaltung stieg er wieder ein. Aufgrund seiner umfassenden Sachkompetenz wurde er 1982 erneut zum Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses des Hamburger Versorgungswerkes gewählt. In dieser Funktion war er bis 2000 tätig.

Von 1986 bis 1994 war er Präsident der Ärztekammer Hamburg. Ein wichtiges Anliegen war ihm die ärztliche Fortbildung. In seiner Amtszeit wurde die Fortbildungsakademie der Ärztekammer Hamburg gegründet. Als Kammerpräsident setzte er sich außerdem für eine Stärkung der Geriatrie ein, deren Bedeutung er schon früh erkannt hatte. Er scheute sich nie, auch Tabuthemen anzugehen und sich für Menschen am Rande der Gesellschaft einzusetzen. Mit vollem Einsatz unterstützte er das Methadonprogramm in Hamburg. In den ersten zehn Jahren dieses bundesweit bedeutsamen Programmes baute die Ärztekammer Hamburg selbst drei Drogenambulanzen auf und hatte während dieser Zeit ebenfalls die Trägerschaft der Einrichtungen inne.

Bialas war immer davon überzeugt, dass die Selbstverwaltung für das Gesundheitswesen und die Gesellschaft unverzichtbar ist. „Die berufsständische Selbstverwaltung ist ein wesentlicher Teil unseres freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates. Sie ist gleichzeitig ein gutes Beispiel für die Funktionsfähigkeit unseres Gesellschaftssystems. Es beruht auf der Kreativität des Einzelnen und der Freiheit in Verantwortung für den Nächsten. So sehe ich in der berufsständischen Selbstverwaltung mehr als nur eine eigennützige Interessenvertretung. Hier wird beispielhaft unsere freiheitliche Demokratie gelebt“, sagte er 1991 in seiner Rede auf der Eröffnungsveranstaltung des 94. Deutschen Ärztetages in Hamburg – dem ersten gesamtdeutschen Ärztetag nach der Wende. Ein wichtiges Ziel war für ihn immer die Einheit der Ärzteschaft.

Als Präsident der Ärztekammer Hamburg war er auch Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer (BÄK) in Köln. Von 1991 bis 1995 saß er dem Ausschuss „Gebührenordnung“ der BÄK vor. Außerdem setzte er sich für die Qualitätssicherung ein – und zwar lange bevor dies gesetzlich vorgeschrieben war. Er war unter anderem stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses „Qualitätssicherung in der ärztlichen Berufsausübung“ der BÄK. Seine Kompetenz war stets über die Grenzen Hamburgs hinaus gefragt, insbesondere seine Kenntnisse über die Alterssicherung von Ärzten. Von 1991 bis 1995 war er Vorsitzender der Ständigen Konferenz „Ärztliche Versorgungswerke und Fürsorge“ der BÄK. 1988 wurde er stellvertretender Vorsitzender, 1992 dann Vorsitzender des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) – ein Amt, das er bis zum Jahr 2000 innehatte. In seine Amtszeit fiel unter anderem die gelungene Integration der in den neuen Bundesländern gegründeten Versorgungswerke in die ABV.

Bialas hat eine Vielzahl von ehrenamtlichen Funktionen ausgeübt. Verpflichtet fühlte er sich der Prävention und der Förderung von sozial benachteiligten Kindern. Als 1992 die Gesundheitsförderungskonferenz (GFK) gegründet wurde – ein Zusammenschluss von mehr als 50 Hamburger Vereinen, Verbänden, Krankenkassen, Kammern und Behörden –, wurde er deren Vorsitzender. Später stand er an der Spitze der Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung, in die die GFK aufging. Von 1993 bis 2005 war er zudem alternierender Vorsitzender des Vorstandes der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.

Für sein vielfältiges, unermüdliches und erfolgreiches Engagement erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Ehrenschale der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen. In Anerkennung seines Lebenswerkes verlieh ihm der Hamburger Senat 1997 den Ehrentitel „Professor“. Bialas ist ebenfalls Ehrenvorsitzender des Versorgungswerkes der Ärztekammer Hamburg.

„Immer und überall unter Dampf“ – so charakterisierte ihn einst der Hamburger Journalist Max Conradt. An dieser Grundeigenschaft hat sich nicht viel geändert. Bis heute ist er vielseitig interessiert und befasst sich unter anderem mit medizinischen Themen, Politik, Geschichte und Literatur. Auch mit 80 Jahren ist er noch sportlich aktiv. Seit fast 52 Jahren steht ihm seine Ehefrau Dorothea zur Seite. Er hat vier Kinder und elf Enkel. Zwei seiner Söhne haben wie er den Arztberuf ergriffen.

Rolf Bialas hat sich mit seinem langjährigen Engagement in der ärztlichen Selbstverwaltung und der Hamburger Landespolitik sowie in seiner internistischen Tätigkeit außerordentliche Verdienste erworben. Sein Einsatz für ein freiheitliches, selbstverwaltetes Gesundheitswesen, besonders aber für die berufsständischen Versorgungswerke ist vorbildlich. Bialas hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

112. Deutscher Ärztetag in Mainz, 19. Mai 2009, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

 

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Theodor Hellbrügge in Inning, Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult., Facharzt für Kinderheilkunde, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Theodor Hellbrügge einen Arzt, der sich in seiner langjährigen ärztlichen und wissenschaftlichen Tätigkeit sowie mit seinem ehrenamtlichen Engagement herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. Er zählt zu den Pionieren der Sozialpädiatrie und war Inhaber des ersten Lehrstuhls für dieses Fachgebiet in Deutschland. Das von ihm gegründete Kinderzentrum München ist Vorbild für mehr als 200 sozialpädiatrische Zentren im In- und Ausland. Mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten zur kindlichen Entwicklung sowie seinem außerordentlichen Einsatz für die Frühdiagnostik und interdisziplinäre Frühförderung erlangte er weltweit großes Ansehen. Hellbrügge hat sich um die medizinische Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Hellbrügge wurde am 23. Oktober 1919 in Dortmund als Sohn des praktischen Arztes Theodor Hellbrügge und seiner Ehefrau Johanna geboren. Er wuchs mit sechs Geschwistern auf. Im Zweiten Weltkrieg wurde er zunächst als Kanonier in einem Artillerieregiment eingesetzt. Da er in seinem Abiturzeugnis vermerkt hatte, dass er Medizin studieren wollte, versetzte man ihn in die Sanitätsabteilung nach Münster. An der dortigen Universität schrieb er sich 1940 für das Fach Humanmedizin ein. Nach dem Physikum wurde er als Feldunterarzt nach München versetzt. 1944 legte er das Staatsexamen ab und wurde zum Dr. med. promoviert. Seine Dissertationsarbeit „Experimentelle Untersuchungen am Braun Pears-Tumor“ erstellte er am Pathologischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. 1945 trat er seine erste Stelle an der Universitäts-Kinderklinik in München an. Als unbezahlter Volontärarzt musste der Familienvater die Zeit außerhalb des Dienstes nutzen, um Geld zu verdienen. Unter anderem war er für das Münchner Gesundheitsamt tätig und hielt Mütterberatungen ab. Im Winter 1945/46 machte er eine Beobachtung, die seine weitere Laufbahn prägen sollte: In der Mütterberatung Thalkirchen traf er auf mehrere Kinder im Alter von etwa zwei Jahren. Diese fielen ihm zunächst durch ihre hübsche Physiognomie auf. Doch beim näheren Hinsehen sah der junge Arzt: Die Kinder waren alles andere als normal. Sie sprachen noch kein Wort, zeigten eine retardierte Motorik und waren nicht imstande, selbstständig mit dem Löffel zu essen. Außerdem waren die Kinder sehr ängstlich und schrien, wenn Hellbrügge sich ihnen näherte. Das Krankheitsbild fand er in keinem pädiatrischen Lehrbuch, er nannte es „Deprivationssyndrom“. Später erfuhr er, dass die Kinder kurz nach ihrer Geburt in Heimen untergebracht worden waren. Der Mangel an Zuwendung – so schien es – war ein wesentlicher Grund für die Fehlentwicklung. Das Schicksal dieser Kinder ließ den Pädiater nicht mehr los. Der Grundstein für sein Interesse an Frühdiagnostik und -förderung von Säuglingen und Kindern war gelegt.

1951 legte er seine Facharztprüfung ab. Seine Habilitationsschrift mit dem Thema „Konnatale Toxoplasmose“ verfasste er 1954 als Oberarzt an der Universitätskinderpoliklinik München unter Leitung von Professor Weber. 1960 wurde er zum außerplanmäßigen Professor der LMU ernannt. Er gründete die Forschungsstelle für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin aus der später das Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin entstand und das er viele Jahre leitete. Im Jahr 1976 erhielt er den Ruf auf den ersten Lehrstuhl für Sozialpädiatrie in Deutschland an der LMU. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern entwickelte er ein Verfahren zur Erkennung von Entwicklungsstörungen, die „Münchener Funktionelle Entwicklungs-Diagnostik“ – ein Instrument, das in 36 Sprachen übertragen worden ist. Mit seinem Konzept der „Entwicklungs-Rehabilitation“ fand er international Beachtung. Dem Konzept zugrunde liegt die Erkenntnis, dass das kindliche Gehirn mit seiner enormen Plastizität eine große Fähigkeit zur Anpassung hat. Entwicklungsrückstände können so durch frühzeitige Intervention ausgeglichen werden. Hellbrügge propagiert deshalb eine Frühdiagnostik, interdisziplinäre Frühtherapie über die Eltern sowie die soziale Integration in die Familie und später in den Kindergarten. Sein Einsatz für die Frühdiagnostik hat zur Einführung der heute üblichen Vorsorgeuntersuchungen für Kinder maßgeblich beigetragen.

Das Ziel, Behinderung zu verhindern oder abzumildern, verfolgt auch das Kinderzentrum München, das 1974 auf Initiative Hellbrügges entstand. Krönung seines Lebenswerkes war der Neubau des Zentrums in der Nähe des Klinikums Großhadern, den er beharrlich gegen viele Widerstände durchsetze. Bis dahin war die Institution provisorisch an verschiedenen Stellen untergebracht. Das Kinderzentrum war die erste interdisziplinäre Einrichtung mit pädiatrischem, psychologischem und heilpädagogischem Angebot unter einem Dach.

Beeinflusst von Maria Montessori gab er auch der Heilpädagogik neue Impulse, legte dabei sein Augenmerk auf die Frühförderung von Säuglingen sowie die gemeinsame Erziehung von Behinderten und Nichtbehinderten in Kindergärten und Schulen. Im Rahmen des Kinderzentrums entstand der erste integrative Montessori-Kindergarten in Deutschland.

Als Kliniker und Forscher fand Hellbrügge große Beachtung. Sein wissenschaftliches Werk umfasst mehr als 1000 Publikationen, darunter 26 in Buchform. Zuletzt erschien die Buchreihe über „Bindung“, zu der auch der Titel „Der Säugling – Bindung, Neurobiologie und Gene“ gehört. Auch seine chronobiologischen Untersuchungen bei Kindern sind international anerkannt. Darüber hinaus war er viele Jahre unter anderem Schriftleiter der Zeitschriften „Fortschritte in der Medizin“ und „Der Kinderarzt“. Von 19 ausländischen Universitäten hat er die Ehrendoktorwürde erhalten und ist unter anderem Honorarprofessor der russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau.

Hellbrügge fühlte sich aber nicht nur der Tätigkeit als Arzt und Forscher verpflichtet, sondern setzte sich stets dafür ein, dass die Erkenntnisse aus seiner Arbeit auch in die Praxis umgesetzt werden konnten. Er prägte durch seinen Einsatz auch die Rahmenbedingungen zur Förderung von Kindern. Schon 1968 gründete er die „Aktion Sonnenschein – Hilfe für das mehrfach behinderte Kind“. Damit beschritt er einen neuen Weg in der Behindertenhilfe, denn nicht die spezifische Schädigung stand dabei im Vordergrund, sondern das Kind selbst. Kernstück der Aktion Sonnenschein sind die pädagogischen Einrichtungen, in denen Behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder gefördert werden. Ein wichtiges Anliegen ist dabei auch die Integration von Kindern mit und ohne Behinderung.

1991 gründete er die Theodor-Hellbrügge-Stiftung zur Förderung der Sozialpädiatrie in Wissenschaft, Forschung und Lehre, die – nachdem die LMU den Lehrstuhl für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin abgeschafft hat – nun den Stiftungslehrstuhl an der Technischen
Universität finanziert. Darüber hinaus unterstützt die Stiftung die Entwicklungs-Rehabilitation in Deutschland sowie im Ausland und fördert den Aufbau von Einrichtungen nach dem Vorbild des Kinderzentrums München. Ein Ziel der Arbeit ist die Aus-, Weiter- und Fortbildung von Fachkräften – unter anderem aus der Medizin, der Pädagogik und der Psychologie.

Für seinen unermüdlichen Einsatz erhielt er mehr als 40 Ehrungen, darunter den Moro-Wissenschaftspreis, den Theodor-Heuss-Preis, den Pestalozzipreis als höchste pädagogische Auszeichnung, das Große Bundesverdienstkreuz, den Bayerischen Verdienstorden und die Ernst-von-Bergmann-Plakette der Bundesärztekammer. Er ist unter anderem Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und wurde mit dem Otto-Heubner-Preis der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin geehrt.

Auch mit 89 Jahren ist er den von ihm gegründeten Einrichtungen mit Vitalität und großem Engagement verbunden. Besonders für die Theodor-Hellbrügge-Stiftung und die Internationale Akademie für Entwicklungs-Rehabilitation ist er aktiv. Seit nunmehr 66 Jahren steht ihm seine Ehefrau Jutta zur Seite. Er hat sechs Kinder, 15 Enkel und zehn Urenkel.

Theodor Hellbrügge hat sich außerordentliche Verdienste um die Pädiatrie erworben. Die wachsende Bedeutung der Sozialpädiatrie hat er früh erkannt. Sein Einsatz für die Frühdiagnostik und die interdisziplinäre Frühförderung von Behinderten sowie von Behinderung bedrohten Kindern sind mehr als vorbildlich. Ihm ist es zu verdanken, dass unzählige Kinder vor lebenslangen Einschränkungen bewahrt wurden oder das Ausmaß von Behinderung abgemildert wurde. Hellbrügge hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

112. Deutscher Ärztetag in Mainz, 19. Mai 2009, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

 

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Fritz Kümmerle in Mainz, Prof. Dr. med., Facharzt für Chirurgie, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Fritz Kümmerle einen Arzt, der sich in seiner langjährigen klinischen und wissenschaftlichen Tätigkeit herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. 22 Jahre war er Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik und Poliklinik in Mainz. Besonders an der Entwicklung der Viszeralchirurgie und endokrinologischen Chirurgie hatte er großen Anteil. Außerdem begründete er die moderne Herzchirurgie in Mainz und setzte schon sehr früh die Technik der Herz-Lungen-Maschine ein. Als Kliniker und Forscher fand er große Anerkennung, aber auch die Förderung des chirurgischen Nachwuchses sowie die Weiter- und Fortbildung war ihm stets ein wichtiges Anliegen. Kümmerle hat sich um die medizinische Versorgung der Bevölkerung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Kümmerle wurde am 14. Februar 1917 in Göppingen als jüngstes von sieben Kindern des Metzgermeisters Friedrich Kümmerle und seiner Ehefrau Martha geboren. Im Jahr 1936 legte er seine Abiturprüfung ab, wurde dann zum Reichsarbeitsdienst, später zum Wehrdienst eingezogen. An der Universität Tübingen begann er 1938 das Studium der Humanmedizin, das er in Königsberg, Wien und München fortsetzte. Dazwischen war er an der russischen Front eingesetzt. Das Staatsexamen legte er 1942 in Tübingen ab. Dort wurde er auch zum Dr. med. promoviert. Seine Dissertationsarbeit mit dem Titel „Die Wirkung des Histamins auf die Blutzusammensetzung“ entstand am Pharmakologischen Institut der Universität Tübingen unter Leitung von Professor Hafner. In der Folge wurde er als Regimentsarzt unter anderem in Italien eingesetzt. Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft begann er 1945 seine chirurgische Weiterbildung. Zunächst war er als Assistenzarzt in der Chirurgie des Kreiskrankenhauses Göppingen unter Dr. Pfeiffer tätig. 1948 wurde Professor Krauss Leiter der Abteilung. Dieser hatte ebenfalls seine Karriere in Göppingen unter Pfeiffer begonnen, war dann aber unter anderem als Oberarzt bei Professor Sauerbruch in der Berliner Charité tätig gewesen. Die Begegnung mit Krauss war für Kümmerle sicherlich prägend. Innerhalb kurzer Zeit wurde er zu seinem Meisterschüler, legte 1951 seine Facharztprüfung ab und wurde Oberarzt. Er ging mit seinem Lehrer nach Freiburg, als dieser 1952 einen Ruf auf den dortigen Lehrstuhl für Chirurgie erhielt.

Kümmerle hatte nicht nur Interesse an der praktischen Chirurgie, sondern auch am wissenschaftlichen Arbeiten. Die Venia legendi für das Fach Chirurgie erhielt er 1954. Seine Habilitationsschrift war ein experimenteller Beitrag mit dem Thema „Die Chirurgie des plastischen Ersatzes der thorakalen Speiseröhre“. 1955 wurde er Oberarzt und drei Jahre später erster Oberarzt der Chirurgischen Klinik. Die Medizinische Fakultät der Universität Freiburg ernannte ihn im Jahr 1959 zum außerplanmäßigen Professor. Noch in seiner Freiburger Zeit entstand die Publikation „Chirurgie des Dünndarms“ – ein bis heute richtungsweisendes Standardwerk.

Kümmerle genoss mittlerweile weit über Freiburg hinaus großes Ansehen und erhielt einen Ruf auf den Lehrstuhl für Chirurgie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Von 1963 bis 1985 war er Direktor der dortigen Chirurgischen Universitätsklinik und Poliklinik. Sein Hauptarbeitsgebiet war die allgemeine Chirurgie mit Schwerpunkt auf dem Gebiet der Bauchchirurgie und der endokrinologischen Chirurgie. Insbesondere interessierte er sich für die Chirurgie der Bauchspeicheldrüse, der Gallenwege und des Dünndarms. Er gehörte zu den ersten Chirurgen in Deutschland, die eine partielle und totale Pankreatektomie wagten. Seine Erfolge verschafften ihm national und international in Fachkreisen großes Ansehen. Auch in der Herzchirurgie setzte er Maßstäbe und ist einer der Vorreiter dieses Faches. Früh erkannte er das Potenzial der Herz-Lungen-Maschine. Zu seinem Amtseintritt führte er die seinerzeit noch abenteuerlich anmutende Technik der extrakorporalen Zirkulation in der Mainzer Chirurgie ein und verschaffte der Einrichtung so einen Platz in dem Kreis der Pionierkliniken der modernen Herzchirurgie in Deutschland.

Als Kümmerle seine Tätigkeit in Mainz begann, war die Chirurgie eine große Einheit. Er beherrschte sie noch in allen Sparten. Doch die Tatsache, dass er die verschiedenen Teilgebiete – wie Unfallchirurgie, Urologie, Kinderchirurgie und schließlich auch die kardiovaskuläre Chirurgie – während seiner Amtszeit in die Selbstständigkeit überführte, zeugt von seiner Weitsicht. Andererseits widmete er sich auch gerade den übergreifenden Problemen der Chirurgie. So ist er einer der Nestoren der Intensivmedizin im Bereich der Chirurgie. Unter seiner Leitung entstand beispielsweise am Mainzer Universitätsklinikum eine der ersten chirurgischen Intensivstationen in Deutschland. Die Gründung der Arbeitsgemeinschaft für Intensivmedizin der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie ist maßgeblich seiner Initiative zu verdanken. Die Aus-, Weiter- und Fortbildung war ihm ebenfalls immer ein wichtiges Anliegen. Aus der Mainzer Schule gingen zu seiner Zeit allein 40 Ordinarien und Chefärzte hervor. Seine Mahnung, genügend finanzielle Mittel in die Weiterbildung und Förderung von Chirurgen zu investieren, ist heute aktueller denn je.

Neben seiner umfangreichen klinischen Tätigkeit hat er sich intensiv mit Fragen der Ethik in der Medizin befasst und engagierte sich unter anderem in der Ethik-Kommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. Sein besonderes Interesse galt der Ethik in der chirurgischen Entscheidungsfindung und der Intensivmedizin. Außerdem beschäftigte er sich mit dem Gesundheitswesen im Spannungsfeld zwischen Ökonomisierung und Humanität. Bei seiner Abschiedsvorlesung 1985 sagte er: „Zwischen Wissen und Gewissen, zwischen Technik und Humanität muss hinzukommen die Zuwendung des Samariters, der Zeit hat für die Hilfesuchenden am Wegesrand – eine Einstellung, die ebenso zeitlos ist wie Gesundheit und Krankheit.“ Zum Thema Ethik und wissenschaftlicher Fortschritt hielt er zuletzt 2007 einen viel beachteten Vortrag am Mainzer Universitätsklinikum.

Kümmerle kann auf ein beachtliches Lebenswerk zurückblicken, was seine Tätigkeit als Kliniker und akademischer Lehrer angeht, hat
aber auch als Forscher große Anerkennung erlangt. Er hat eine Vielzahl von wissenschaftlichen Publikationen verfasst und ist Herausgeber zahlreicher Bücher. Zudem war er unter anderem viele Jahre Mitherausgeber und engagierter Schriftleiter der Deutschen Medizinischen Wochenschrift.

Neben seinen vielfältigen hauptamtlichen Tätigkeiten, denen er während seiner Laufbahn nachgegangen ist, engagierte er sich ebenfalls in vorbildlicher Weise in ehrenamtlichen Funktionen. So war er beispielsweise in der Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungsfehler der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz aktiv. Auch in der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie engagierte er sich vorbildlich. 1973 wurde er zum Präsidenten der Fachgesellschaft gewählt.

Für sein vielfältiges, unermüdliches und erfolgreiches Engagement erhielt Kümmerle zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Ernst-von-Bergmann-Plakette der Bundesärztekammer für seine Verdienste um die ärztliche Fortbildung. Darüber hinaus ist er Senator auf Lebenszeit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und damit Präsidiumsmitglied dieser Fachgesellschaft. Zahlreiche Verbände und Vereinigungen haben ihn zum Ehrenmitglied ernannt, unter anderem die Deutsche sowie die Österreichische Gesellschaft für Chirurgie und die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Er ist Mitglied der renommierten Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, Halle an der Saale, sowie der Académie de Chirurgie in Paris.

Kümmerles Vitalität und Tatkraft ist auch mit 92 Jahren ungebrochen. Er ist politisch und kulturell sehr interessiert, verfolgt außerdem die Entwicklungen der medizinischen Forschung. Seine Ehefrau Helga, die ebenfalls Ärztin war, starb 1993 bei einem Unfall. Seine Tochter Annette ist promovierte Zahnärztin. Kümmerle hat zwei Enkelkinder.

Fritz Kümmerle hat sich während seiner aktiven Laufbahn als Kliniker, Lehrer und Wissenschaftler große Verdienste um das Fach Chirurgie erworben. Besonders an der Weiterentwicklung der Viszeralchirurgie und endokrinologischen Chirurgie hat er großen Anteil, er begründete außerdem die Herzchirurgie in Mainz. Dabei verstand er sich stets als Anwalt seiner Patienten. Kümmerle hat sich um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die deutsche Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

112. Deutscher Ärztetag in Mainz, 19. Mai 2009, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

 

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Ernst Rebentisch in Kronberg, Prof. Dr. med., Facharzt für Chirurgie, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Ernst Rebentisch einen Arzt, der sich in seiner langjährigen aktiven Tätigkeit herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft erworben hat. Als Generaloberstabsarzt und Inspekteur des Sanitäts- und Gesundheitswesens hat er die Bundeswehr nachhaltig geprägt. Ein besonderes Anliegen war ihm die Zusammenarbeit militärischer und ziviler Einrichtungen, um die Versorgung der Bevölkerung im Katastrophenfall sicherzustellen. So war er auch Mitbegründer und erster Präsident der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin. Darüber hinaus leitete er viele Jahre den Ausschuss „Katastrophenmedizin“ in der Bundesärztekammer und war Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates. Rebentisch hat sich um die medizinische Versorgung, das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

Rebentisch wurde am 31. Januar 1920 in Offenbach am Main als jüngstes von sechs Kindern des Medizinalrates Erich Rebentisch und seiner Frau Magdalene geboren. Sein Vater, Direktor des Stadtkrankenhauses in Offenbach, starb, als Rebentisch acht Jahre alt war. Die Familie zog nach Darmstadt, wo er 1937 seine Abiturprüfung ablegte. Anschließend wurde er zum Reichsarbeitsdienst einberufen. Während des Zweiten Weltkrieges war er im Truppen- und Stabsdienst eingesetzt – unter anderem ab 1944 als Major und Kommandeur einer Panzerabteilung sowie als Kampfgruppen- und zeitweise Regimentsführer in Rumänien, Polen und Ungarn. Nach Verwundung und längerer Lazarettbehandlung war er im Oberkommando des Heeres in Berchtesgaden tätig. Es folgte die Internierung durch die Amerikaner.

Nach dem Krieg schrieb er sich in München für das Fach Humanmedizin ein. Als ehemaliger Stabsoffizier wurde er allerdings vorübergehend von der Universität verwiesen. Ende 1950 schloss er das Studium jedoch mit der Note „sehr gut“ ab. Seine Assistentenzeit begann er im Stadtkrankenhaus Offenbach, in dem auch schon sein Vater gewirkt hatte. Zwei Jahre später wurde er von der Universität Mainz zum Dr. med. promoviert. Seine Dissertationsarbeit mit dem Titel „Über die Wirkung des embryonalen Herzextraktes in der Therapie schwerer Herzkrankheiten“ entstand unter Leitung von Professor Cremer. Nachdem er Ende 1958 seine chirurgische Facharztprüfung abgelegt hatte, bot man Rebentisch bereits Anfang 1959 eine Stelle als Oberarzt in der chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Gelnhausen an. Wenige Monate später trat er in den Dienst der Bundeswehr ein, wo er eine beispiellose Karriere begann.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung attestierte ihm einmal „ungewöhnliche Talente“. Diese erkannte man auch bei der Bundeswehr schon früh. Kaum begann er im Herbst 1959 seinen Dienst als Oberstabsarzt, wurde er bereits Anfang 1960 zum leitenden Sanitätsoffizier beim deutschen Bevollmächtigten im nördlichen NATO-Bereich berufen. In diesem Amt arbeitete Rebentisch sehr erfolgreich mit den Sanitätsdiensten Dänemarks, Norwegens und Großbritanniens zusammen. 1964 holte ihn das Bundesministerium der Verteidigung als Referent nach Bonn. Drei Jahre sammelte er hier Erfahrungen in der Politik und war für Planungs- und Führungsaufgaben des Sanitätsdienstes, die zivil-militärische Zusammenarbeit in Katastrophenfällen und die wehrmedizinische Koordination im Bündnis zuständig. Nach seiner Beförderung zum Oberstarzt wurde er Divisionsarzt der 12. Panzerdivision. Dort setzte er seine Kriegserfahrungen als Panzeroffizier mit dem Wirken im damals weitgehend selbstständigen Sanitätsdienst erfolgreich um.

Weiter bestimmten die Ausbildung des Sanitätspersonals, der zum Kurzwehrdienst einberufenen Ärzte und der ersten von der Bundeswehr geförderten Medizinstudenten sowie die Weiterbildung von Sanitätsoffizieren seine Tätigkeit. 1969 wurde er Generalarzt und Kommandeur der Akademie des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundeswehr in München. Als solcher verantwortete die Ausbildung von mehr als 4000 grundwehrdienstleistenden Sanitätsoffizieren. In seinen Aufgabenbereich fielen die wehrmedizinische Forschung sowie die Zusammenarbeit mit den Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Instituten bezüglich der Aus- und Fortbildung der Sanitätsoffiziere. Internationale Anerkennung erlangte er während der Olympischen Spiele 1972 in München, als er in vorbildlicher Weise den Sanitätseinsatz leitete.

Die Bundeswehr hatte mit Rebentisch einen außergewöhnlich engagierten Arzt für sich gewinnen können. 1973 wurde er Generalstabsarzt und Stellvertreter des Inspekteurs des Sanitäts- und Gesundheitswesens, 1976 schließlich Generaloberstabsarzt und Inspekteur des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundeswehr. In dieser Funktion scheute er sich nicht, auch auf Mängel hinzuweisen und Missstände zu thematisieren. Besondere Verdienste erwarb er sich mit der Konzeption einer neuen Struktur für das Sanitätswesen. Wichtig war ihm eine gute Zusammenarbeit des militärischen Sanitätswesens und der zivilen Einrichtungen. Auch der Wissenschaft fühlte er sich verpflichtet. Die Technische Universität München ernannte ihn 1975 zum Honorarprofessor für Wehr- und Katastrophenmedizin. Aus seiner Feder stammen rund 100 Publikationen zu wehr- und katastrophenmedizinischen Themen. Hinzu kommen zahlreiche Arbeiten, die der Geheimhaltung unterliegen.

1980 schied er aus dem aktiven Dienst bei der Bundeswehr aus. Doch für die Sicherheit der Bevölkerung setzte er sich auch danach aktiv ein. So war er Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin und wurde deren erster Präsident. Ebenfalls 1980 wählte man ihn auch zum Leiter des Ausschusses „Katastrophenmedizin“ der Bundesärztekammer – ein Amt, das er bis 1991 innehatte. In dieser Zeit engagierte er sich auch als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer. Seine umfassenden Kenntnisse waren außerdem in der Politik gefragt: Seit 1982 war er ständiger Gast der Schutzkommission des Bundesministers des Innern.

Mit seinen Auffassungen stieß Rebentisch zur damaligen Zeit auf Widerstand, wovon er sich allerdings nicht beirren ließ. Die um 1980 gegründete deutsche Sektion der Initiative „Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges“ (IPPNW) warf den um den medizinischen Katastrophenschutz bemühten Ärzten Kriegstreiberei vor und verweigerte in der sogenannten Frankfurter Erklärung jede Form „kriegsmedizinischer“ Fortbildung. Die Folgen einer nuklearen Katastrophe seien medizinisch nicht zu beherrschen. Rebentisch stellte dagegen fest, dass kein Arzt den Atomkrieg wolle, es aber dennoch in einer ausschließlich von der Politik zu verantwortenden nuklearen Auseinandersetzung hilfsbedürftige Überlebende geben werde. Jeder approbierte Arzt habe dann die Pflicht, diesen Mitmenschen zu helfen, solange er dazu in der Lage sei. Katastrophenmedizin sei kein Mittel, um einen Krieg führbar zu machen. Im Falle einer Katastrophe – ob nun ziviler oder militärischer Natur – komme es darauf an, planvoll medizinische Hilfe zu leisten, um die Bevölkerung so gut wie möglich zu versorgen. Ethische Bedenken der IPPNW und anderer Ärzte gegen den Vorschlag, bei gleichzeitigem Anfallen einer großen Zahl von Schadensopfern die ärztliche Hilfe nach Sichtung und Dringlichkeit zu leisten, wies Rebentisch zurück. Das heute geltende Prinzip des Einsatzes leitender Notärzte und der Sichtung bei verlustreichen Unfällen und Katastrophen bestätigt seine damaligen Forderungen.

Rebentisch ist auch mit heute 89 Jahren noch aktiv. Er geht viel spazieren, reist gern und betreibt unter anderem Familienforschung. Seit 55 Jahren ist er verheiratet. Er hat einen Sohn und zwei Enkelkinder.

Ernst Rebentisch hat sich während seiner aktiven Laufbahn besondere Verdienste um das Sanitäts- und Gesundheitswesen der Bundeswehr erworben und dort Maßstäbe gesetzt. Sein Engagement ging aber weit darüber hinaus. Ein besonderes Anliegen war ihm stets die Katastrophenmedizin und somit auch die Sicherung der gesamten Bevölkerung. Rebentisch hat sich um die Gesundheitsversorgung in Deutschland, die Ärzteschaft und um das Gemeinwohl in herausragender Weise verdient gemacht.

112. Deutscher Ärztetag in Mainz, 19. Mai 2009, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

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