TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Dienstag, 19. Mai 2009, Nachmittagssitzung

Schäfer, Hamburg: Ich denke, ich komme mit drei Minuten aus. – Herr Präsident, Ihr Statement für die Kollektivverträge von heute Morgen, das jetzt noch einmal von Herrn Crusius bestätigt wurde, ist für mich eigentlich der Nachweis, dass Sie das Erleben des ärztlichen Daseins des größten Teils der deutschen Hausärzteschaft nicht wahrgenommen haben.

(Vereinzelt Beifall – Widerspruch)

Ich möchte Sie dringend bitten, auch die deutsche Hausärzteschaft in Ihre Gedanken mit einzubeziehen. Die Verträge in Baden-Württemberg und Bayern versuchen mühsam, die Fehlentwicklungen der letzten 20 Jahre zu kompensieren und die hausärztliche Versorgung auch für die Zukunft als Basis der medizinischen Versorgung unserer Patienten sicherzustellen.

(Beifall)

Bezüglich des Monitums der mehrfach behinderten Patienten in der Wüste kann ich nur sagen: Wenn ich von einem Vorbehandler einen vernünftigen Überleitungsbericht erhalte, werde ich einen Teufel tun, mich der Versorgung als Hausarzt zu verweigern. Das ist originäre hausärztliche Tätigkeit. Das praktiziere ich seit 25 Jahren, unter anderem in der Versorgung eines Heimes mit 60 mehrfach schwerbehinderten Patienten. Hier gibt es kein Wenn und Aber. Das ist für mich Berufsrealität, genauso wie für die meisten meiner Kollegen.

Hier gibt es vielleicht Lücken, die wir verbessern können, aber zu sagen, die Patienten seien plötzlich in der Wüste, ist einfach neben der Realität.

(Beifall)

Wenn mich meine Patienten fragen, wen sie bei der kommenden Bundestagswahl wählen sollen, kann ich nur sagen: Ich weiß es selbst nicht. Das ist die Wahl zwischen Skylla und Charybdis. Aber in der politischen Diskussion habe ich mir angewöhnt, den Politikern klarzumachen zu versuchen: Wenn jemand Übergewicht hat, dann ist das Abnehmen und das Reduzieren der Nahrungsaufnahme, das Sparen an Nahrungsaufnahme absolut richtig. Bloß: Irgendwann läuft dieses Sparen an Nahrungsaufnahme über in die Anorexia nervosa – und das wird zu einer lebensgefährlichen Situation. Und vor dieser Situation wollen wir bitte das deutsche Gesundheitssystem und vor allem unsere Patienten behüten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielleicht muss ich noch einmal daran erinnern, dass ich zu den Hausarztverträgen überhaupt nicht Stellung genommen habe. Ich habe nur gesagt, dass man der KV nicht die Lasten aufbürden kann, Schmutzfänger für all das zu sein, was durch andere Verträge nicht abgedeckt ist. Das ist mein Credo, das ich nach wie vor befürworte.

(Beifall)

Dann soll man ehrlich sein und sagen: Wir entpflichten die KV vom Sicherstellungsauftrag und lassen sie als eine Organisation unter vielen für die ambulante ärztliche Versorgung gelten. Aber sie hat dann nicht den gesetzlichen Auftrag, überall als Lückenbüßer aufzutreten, wo auf anderem Wege Verträge nicht zustande gekommen sind.

Diese Doppelgleisigkeit ist einfach unlogisch. Deswegen kann man auf Dauer nicht sicher sein, dass eine flächendeckende gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung durch Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Sektor funktionieren kann. Das ist meine einzige Aussage gewesen. Es handelt sich nur um die KVen und um die Funktion der KVen und nicht um irgendwelche Hausarztverträge, die – wo auch immer – geschlossen worden sind. Hausärztinnen und Hausärzte liegen mir ganz nah an der Seele, zumal wir welche davon in der Familie haben. Das Problem kenne ich sehr genau. Das wollte ich nur noch einmal klarstellen.

Der nächste Redner ist Herr Kollege Dietrich aus Bayern.

© Bundesärztekammer 2009