TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Dienstag, 19. Mai 2009, Nachmittagssitzung

Wagenknecht, Niedersachsen: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über die Priorisierung von Gesundheitsleistungen haben Sie angestoßen, Herr Präsident. Ich finde es sehr richtig. Ich finde es auch sehr richtig, dass Sie gesagt haben: Die Gesellschaft muss diese Diskussion führen, nicht die Ärzteschaft. Ich glaube, es ist auch falsch, wenn man sagt, dass irgendjemand uns diesen Auftrag geben soll. Auch ein Gesundheitsrat kann der Ärzteschaft nicht den Auftrag geben, darüber zu entscheiden, welche Leistungen im Gesundheitswesen ersten, zweiten oder dritten Ranges sind. Das ist Aufgabe der Menschen, die in diesem Lande versorgt werden sollen und wollen.

Ich möchte etwas zum Leitantrag des Vorstands der Bundesärztekammer sagen. Ich tue mich sehr schwer damit, diesem Leitantrag zu folgen, da er Dinge enthält, die meiner Meinung nach da nicht hineingehören.

Ich ärgere mich ein bisschen darüber, Herr Montgomery, dass Sie sagen: Wir müssen provozieren. Das stimmt schon, aber dann nicht mit Dingen, die nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun haben. Dass Milliardensummen in eine möglicherweise insolvente Bank gestopft werden, geht uns in diesem Falle
überhaupt nichts an, das hat mit unserer Finanzierung des Gesundheitswesens gar nichts zu tun.

Ich habe viel gelesen, weil ich nicht verstanden habe, warum diese Bank in solchen Schwierigkeiten ist. Irgendwann habe ich verstanden, dass es für unser gesamtes Gesellschaftssystem notwendig ist, diese Bank irgendwie zu erhalten. Dennoch glaube ich nicht, dass wir das mit der Einnahmesituation der GKV verknüpfen können, weder direkt noch indirekt.

(Beifall)

Der letzte Satz des vierten Absatzes in Antrag I-01 lautet:

Sie werden die Schulden der heutigen Finanzkrise zurückzahlen müssen, sei es durch Kapitaltransfer oder Inflation.

Das verstehe ich auch nicht; das gehört da auch nicht hin. Wir wollen uns hier doch über eine vorausschauende Gesundheitspolitik unterhalten, nicht über eine rückwärtsgewandte. Hier kommen aber Dinge vor, die rückwärtsgewandt sind. Die Überschrift von Ziffer 3 – „Ausstieg aus dem Hamsterrad“ – ist auch fehlerhaft. Da wird der Gesundheitspolitik das Hamsterrad angelastet. Ich bin seit 13 Jahren als Allgemeinarzt niedergelassen. Ich erlebe das Hamsterrad als eine Folge der Selbstverwaltung. Wir haben es nicht geschafft, das abzuschaffen.

(Beifall)

Die KVen, die sich darum bemüht haben, das Hamsterrad abzuschaffen, beispielsweise Nordrhein, sind jetzt bei der Mittelzuführung nach dem Gießkannenprinzip völlig unter die Räder geraten, obwohl sie etwas Vernünftiges getan haben.

(Vereinzelt Beifall)

Ich komme aus einer KV, die durchaus wie verrückt auf dem Hamsterrad geritten ist. Sie hat davon profitiert. Das ist keine vernünftige Gesundheitspolitik, auch nicht der Selbstverwaltung. Insofern muss man sagen: Dieser Abschnitt ist so nicht zustimmungsfähig.

Zu Ziffer 11 haben meine Vorredner schon sehr viel gesagt. Auch ich glaube, es täte der Ärzteschaft gut, einen Pflock für die hausärztliche Versorgung als Priorität im deutschen Gesundheitswesen einzuschlagen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Kollege Wagenknecht. – Jetzt der Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Dr. Bartmann.

© Bundesärztekammer 2009