TOP II: Patientenrechte in Zeiten der Rationierung

Mittwoch, 20. Mai 2009, Vormittagssitzung

Dr. Hermann, Bremen: Herr Präsident! Liebe Delegierte! Ich bedanke mich ausdrücklich beim Vorstand der Bundesärztekammer dafür, dass dieses Thema – ob wir es nun Rationierung oder Priorisierung nennen – zum Thema des Ärztetags gemacht wurde, denn wir können keinesfalls an diesem Thema vorbeigehen. Die Vorträge waren auf allerhöchstem Niveau. Ich danke sowohl Herrn Professor Hoppe als auch Herrn Professor Katzenmeier für ihre Darstellung. Herr Professor Katzenmeier hat aus juristischer Sicht sehr deutlich gemacht, in welchem Dilemma wir uns befinden, das unser tägliches Arbeiten schon heute sehr bestimmt. Dieser Korridor wird von uns allen als bereits verschwunden gesehen, wenn er sich nicht bereits in dem dargestellten roten Bereich bewegt hat.

Die Darstellung in den Medien spiegelt allerdings nicht wider, um was es uns hier eigentlich geht. Woran liegt das? Bei Frau Schmidt können wir sicher davon ausgehen, dass es böser Wille ist, denn sie ist nicht so doof, das nicht zu verstehen, was wir hier sagen wollen.

(Beifall)

Der böse Wille äußert sich darin, dass sie uns das wieder um die Ohren gehauen hat, um ihr umfassendes Leistungsversprechen vor den Wahlen zu wiederholen, obwohl sie gut weiß, dass das niemals verwirklicht werden kann. Das bewirkt die Wahl. Aber auch für uns steht die Wahl direkt bevor.

Woran liegt es noch? Wir haben – das richtet sich direkt an den Vorstand – sicher falsche oder schlechte Beispiele benutzt. Damit können wir beim Volk kein Verständnis dafür erlangen, um was es uns eigentlich geht. Oft wird gefragt, noch in der Sprechstunde: Gibt es das denn noch von der Kasse? Das ist also ein Thema, das den Versicherten, unseren Patienten, unseren Schutzbefohlenen bereits völlig präsent ist.

Es gibt Beispiele, mit denen man besser landen kann, beispielsweise den Hinweis auf die Maximalmedizin am Ende des Lebens. Jedes Leben geht unabweisbar zu Ende, gleichgültig welche Mühe wir uns als Ärzte geben. Diese Maximalmedizin kostet unendlich viel Geld. Das ist das Teuerste, das wir in der Medizin überhaupt veranstalten, die letzten zwei Lebensjahre zu bedienen. Welcher unserer Patienten würde nicht äußern, dass er am Ende seines Lebens nicht an Schläuche angeschlossen werden will? Das ist doch eine Sache, die den Menschen nahe ist und die sie verstehen.

Von diesen beiden Seiten her können wir aufeinander zugehen, auch wenn es sehr schwer ist, das nachher in Worte und in Regeln zu fassen.

Ein zweites Beispiel ist die HPV-Impfung. Massen von Müttern fragen mich: Soll ich das mit meinen zwölfjährigen Kindern machen lassen? Die Mütter haben allergrößte Zweifel, und zwar zu Recht. Ich will gar nicht den unsäglichen Gang zu dieser Empfehlung nachvollziehen. Da sind wir doch bei unseren Versicherten, da können wir doch an einem Strang ziehen. Das war die teuerste Nummer, die wir arzneimittelmäßig in 2008 gefahren haben.

Wenn sich Herr Hoppe in Talkshows vorführen lässt und Monti vor dem Ärztetag auch noch die Zahl 10 000 nennt, dann haben wir uns sicher keinen Gefallen getan,

(Beifall)

denn dann kommt genau das dabei heraus – das haben uns die Provinzschreiberlinge hier wieder vorgeführt –: Wir wollen den anderen etwas wegnehmen, damit wir fünfstellig verdienen können. Da brauchen wir griffigere Beispiele. Herr Lipp hat es gesagt: Da kann die Pressearbeit sicherlich verbessert werden.

Herr Hoppe, ganz ehrlich, ich bitte Sie von Jörg zu Jörg: Treten Sie nie wieder vor eine Kamera.

Danke.

(Unruhe)

Vizepräsident Dr. Montgomery: Ich glaube, Letzteres war eine unsachliche Bemerkung, die nicht ganz den parlamentarischen Regeln entspricht, lieber Herr Hermann. Ich glaube, das sollten Sie noch einmal intern klären.

Ansonsten fand ich die Reaktionen auf die Äußerung, dass man 10 000 Euro doch nicht als unanständiges Einkommen eines Vertragsarztes betrachten könne, sehr interessant, weil die Krankenkassen darauf mit dem Hinweis reagiert haben, das sei unverschämt, schließlich würden sie ja 120 000 Euro im Jahr verdienen. Ich fand es – unabhängig davon, ob die Zahl stimmt – sehr erstaunlich, dass man 10 000 Euro im Monat ablehnt, aber 120 000 Euro im Jahr für richtig hält. Die müssen vielleicht noch rechnen lernen. Aber das bringen wir ihnen dann in den Gremien bei.

Die nächste Rednerin ist Frau Professor Alexandra Henneberg, Delegierte der Landesärztekammer Hessen.

© Bundesärztekammer 2009