TOP II: Patientenrechte in Zeiten der Rationierung

Mittwoch, 20. Mai 2009, Vormittagssitzung

Prof. Dr. Schwantes, Brandenburg: Herr Professor Hoppe! Herr Dr. Montgomery! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Anfang eine natürlich fiktive Patientengeschichte. Da haben wir nun von einem Patienten eine Sonografie gemacht, ein MRT gemacht, das Labor einmal rauf, einmal runter durchgeführt und am Ende haben wir uns auch noch getraut, eine PET durchzuführen. Wir haben aber nichts Fassbares gefunden. Dann sind wir zum Äußersten geschritten: Wir haben den Patienten untersucht.

Was will ich damit sagen? Wir diskutieren die Rationierung auf einem relativ hohen Standard, auf einer Umkehrung. Mit „hohem Standard“ ist die neueste medizinische Technik gemeint. Mit dem Begriff „medizinischer Fortschritt“ ist gemeint: aktuellste wissenschaftliche Ergebnisse.

Herr Professor Katzenmeier hat in seinen Grafiken deutlich gezeigt: Die Sorgfaltspflicht bedeutet, dass wir genau diesen Fortschritt anwenden müssen, technisch-wissenschaftliche Methoden.

Oder könnten wir auch anders vorgehen und könnten sagen: Die Sorgfaltspflicht besteht darin, dass wir eine sorgfältige Anamnese erheben, dass wir eine sorgfältige körperliche Untersuchung durchführen, dass wir eine sorgfältige Verlaufsbeobachtung bei dem Patienten machen und vor allen Dingen – und das von Anfang an – eine tragfähige Beziehung zum Patienten herstellen und daraus klare diagnostische Fragestellungen entwickeln und fragen, welche der vielen neuen Methoden eine adäquate und ausreichende Antwort auf die gestellte Frage ergibt? Oder könnten wir eine klare therapeutische Zielstellung entwickeln, immer im Hinblick auf die individuellen Besonderheiten des Patienten?

Wir haben inzwischen die Situation mit sehr hohen Standards einerseits, wie ich das beschrieben habe, und einem gravierenden Mangel an basalen praktischen Fertigkeiten andererseits. Dieser Mangel hat seinen Anfang in der medizinischen Ausbildung, bei der wissenschaftliches Wissen ganz obenan steht und trotz der neuen Approbationsordnung die praktischen Fertigkeiten, nämlich patientenbezogene Fertigkeiten, und die Begegnung mit dem Patienten so gut wie keine Rolle spielen.

Die patientennahe Ausbildung kann an den Universitäten nicht mehr stattfinden. Wir haben das vorhin bereits von Herrn Professor Nix angedeutet gehört. An den Universitäten findet ein hoch spezialisiertes Vorgehen statt. Es gibt ein knappstes Zeitmanagement und ein hohes Turnover. Gleichzeitig weigern sich die Universitäten, diese patientennahe Ausbildung herauszugeben. Ich habe den Antrag gestellt, dass der Deutsche Ärztetag die Medizinischen Fakultäten auffordert, der patientennahen Ausbildung wieder ausreichend Raum zu geben und außeruniversitäre Lernorte mit einzubeziehen.

Ganz herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Vizepräsident Dr. Montgomery: Vielen Dank, Herr Schwantes. Wenn ich das richtig sehe, haben Sie diesen Antrag zu einem anderen Tagesordnungspunkt eingereicht, nicht zu Tagesordnungspunkt II. Der Antrag liegt mir nämlich noch nicht vor. Wenn ich ihn noch bekomme, können wir ihn bescheiden. – Der Nächste in der Rednerliste ist Herr Gustav Michaelis aus Thüringen.

© Bundesärztekammer 2009