Dr. Gräfin Vitzthum,
Baden-Württemberg: Sehr verehrter Vorstand! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine Prioritätenliste ist gar kein Ausweg aus dieser unerträglichen Situation
und in meinen Augen das denkbar schlechteste PR-Wort, das wir uns selbst
liefern konnten.
(Vereinzelt Beifall)
Eine Reform des bestehenden Systems
ist nicht mehr möglich. Das müssen wir einfach einmal zugeben. Unsere
politische und leider auch unsere standespolitische Führung hat es nicht
geschafft, die juristischen und faktischen Rahmenbedingungen zu verbessern, am
wenigsten für die Patienten, gar nicht für die niedergelassene Medizin und
ebenso wenig für die Krankenhausärzte.
Wir haben Beispiele genug gehört.
Ich möchte nur eines hinzufügen. Ein Kinderarzt, in einer großen Stuttgarter
Kinderklinik tätig, hat mir Weihnachten gesagt, sie haben die Hälfte der Neonatologiebetten
schließen müssen und die Verwaltung hat ihnen verboten, mit der Presse zu
sprechen. Ich habe gefragt, warum haben Sie die Betten der Kleinkinder bzw. der
Frühgeborenen nicht auf die Straße geschoben und die „Bild“-Zeitung angerufen?
Sie haben sich nicht getraut, meine Damen und Herren.
Die KV ist ein staatlich gebundenes
Zwangssystem, das uns kostentreibende Pflichten aufbürdet und Rechte und
Freiheiten nimmt.
(Vereinzelt Beifall)
Es ist ein Transmissionsriemen
staatlichen Willens.
Ulla Schmidt macht es ja ganz
geschickt: Sie sagt immer, es solle allen gleich gehen, aber bitte gleich
schlechter. Und das merken unsere Patienten durch Rationierung und das merken
sie auch durch Priorisierung.
Sehr verehrter Herr Professor
Hoppe, ich schätze Sie sehr als feinen Analysten unseres Systems. Ich schätze
Sie seit Jahren wirklich sehr. Aber dem unlauteren Dauergast bei Anne Will sind
Sie natürlich nicht gewachsen. Es ist einfach ein Unding, wenn der es immer
wieder schafft, so viel Redezeit zu bekommen, dass unsere feinen Argumente
nicht durchkommen. Ich finde, wir sollten darüber reden. Wir müssen jemanden
haben, der diesen unlauteren Dauergästen vielleicht einmal die Stirn bietet –
oder wir müssen alle wegbleiben.
(Beifall)
Wenn ich sage, dass wir dieses
System überwinden müssen, so ist das mit der Vision verknüpft, dass es sehr
wohl ein besseres, sozial gerechteres System geben kann. Aber Visionen ohne
Aktionen sind Illusionen.
Wir müssen politisch handeln.
Dieses Jahr ist Wahl. Ich sage schon heute meinen Patienten: Wenn Sie das nicht
möchten, dann dürfen Sie Rot-Schwarz nicht wählen. So ist es eben. Das muss man
auch einmal sagen dürfen.
(Vereinzelt Beifall)
Einzelverträge, Verträge nach § 73
b und 73 c, sind ein Schritt in die richtige Richtung.
(Beifall)
Sie müssen ja auch nicht gegen das
KV-System sein.
Der Wunsch nach Kostenerstattung
auch für Ärzte ist ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, denn der
freie Arzt ist der beste Schutz des Patienten. Nur so kann es gehen.
(Beifall)
Sie müssen bitte handeln, da nützen
neue Gremien, die nachdenken, nichts. Sie müssen bitte endlich handeln. Das
erwarte ich mir von diesem Ärztetag und von unseren Gremien in den KVen und den
Kammern.
(Beifall)
Vizepräsident Dr.
Montgomery: Vielen Dank, Gräfin Vitzthum. Gestatten Sie mir, bevor ich den
nächsten Redner aufrufe, ein paar Bemerkungen zur Medienpräsenz in einer
Talkshowsendung. Ich glaube, wir überinterpretieren den Wert solcher Sendungen.
Wenn Sie mir gestatten, Folgendes zu sagen: Die Situation, die dort aufgebaut
wird, ist oft so etwas von schwierig und unerträglich, dass ich glaube –
anders, als viele von Ihnen es hier gesagt haben –: Jörg Hoppe hat sich dort
ausgesprochen gut geschlagen.
(Beifall)
Wir tun uns und ihm überhaupt
keinen Gefallen, wenn wir hier andauernd ein Zucken im Mundwinkel als negativ
betrachten.
Mir geht es jedes Mal nach einer
solchen Sendung so, dass die Meinung gespalten ist. Einige sagen „Das war gut“,
andere sagen „Das war schlecht“. Das ist nichts, was in die öffentliche Debatte
gehört, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das muss man intern im kleinen
Kreis bereden.
(Beifall)
Ich finde, wenn man die
Sympathiemesser hinterher betrachtet, haben wir uns dort hervorragend
geschlagen und vor allem der Sache einen Dienst getan. Was der mit der Fliege
macht, das können wir sowieso nicht beeinflussen. Das müssen andere wissen. Ich
glaube, wir sollten die Debatte an dem Punkt jetzt nicht weiterführen.
(Beifall)
Als nächster Redner hat sich noch
einmal Herr Professor Dietrich gemeldet.
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