TOP III: Der Beruf des Arztes – ein freier Beruf heute und in Zukunft

Mittwoch, 20. Mai 2009, Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Griebenow, Nordrhein: Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich würde gern mit Genehmigung des Präsidenten ein bisschen aus den Memoiren von Gerhard Schröder zitieren.

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Von welchem Gerhard Schröder?

Prof. Dr. Griebenow, Nordrhein: Dem Exkanzler. Der Exkanzler hat in seinen Memoiren auf Seite 290 geschrieben – ich zitiere –:

Die Akteure der Angebotsseite im Gesundheitssystem – Ärzte, Apotheker, Pharmaindustrie und die Kassen – haben vor allem ökonomische Interessen.

Etwas weiter befasst er sich mit den einzelnen Mitgliedern seines Kabinetts und dabei auch mit Ulla Schmidt. Er schreibt Folgendes – Zitat –:

Was immer man kritisch gegen einzelne Vorschläge ihres Ministeriums zur Reform des Gesundheitswesens vorbringen will, niemand kommt daran vorbei, dass Ulla Schmidt mit Courage und Entschlossenheit die seit Jahren emsig geölte Geldvernichtungsmaschinerie im Gesundheitswesen ins Visier genommen hat und versucht, sie den finanziellen Möglichkeiten anzupassen, ohne einer Zweiklassenmedizin das Wort zu reden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer eine solche Sicht auf das Gesundheitswesen und die Ärzteschaft hat, dem steht Freiberuflichkeit im Weg, insbesondere dann, wenn er der Rationierung das Wort redet. Rationierung bedroht die Freiberuflichkeit, weil sie im Kern dadurch begründet ist, dass wir einen Freiheitsgrad an Entscheidungen haben, um die beste patientenindividuelle Diagnose und Therapie festzulegen.

Diese Freiheit ist aber nicht erst bedroht, wenn wir von Rationierung sprechen, sondern diese Bedrohung setzt sehr viel früher an. Die Verfasser des Antrags III-06 sprechen davon, dass sie schon bei der Konfektionierung von Leistungen beginnt. Das heißt, es fällt eine Leistung nicht aus, sie wird erbracht, aber sie wird aus in der Regel wirtschaftlichen Gründen modifiziert. Das sieht dann so aus, dass Sie – ich bin Kardiologe – für Ihre interventionelle Koronartherapie vielleicht nicht mehr alle Stents in jeder Länge im Schrank haben. Wenn man einen entsprechend langen Stent braucht, nimmt man eben zwei kurze Stents. Oder Sie haben eben nicht mehr alle Durchmesser zur Verfügung; dann nehmen Sie eben den nächstkleineren. Dadurch bekommt niemand sofort einen Herzinfarkt, es verstirbt auch keiner. Aber dies ist der erste Schritt, der dazu führt, dass wir dann später eine Rationierung haben.

Sie merken vielleicht mit etwas Erschrecken, dass dies eine Schnittstelle ist, wo wir einen Dauerkonflikt haben, weil wir uns dieser Schnittstelle in unserem täglichen Tun nicht entziehen können. Natürlich wollen und müssen wir uns der Diskussion stellen, was betriebswirtschaftlich und auch gesamtwirtschaftlich im Gesundheitswesen am günstigsten ist. Natürlich wollen wir nicht in den Ruf kommen, wir würden dafür plädieren, dass aus Gründen der ärztlichen Freiheit Geld verschwendet wird.

Aber gleichzeitig ist das auch diejenige Stelle, wo der erste Schritt getan wird, wo die Quelle eines kleinen Flüsschens ist, was heute die Konfektionierung von Leistungen ist und was über Zustände, wie sie Herr Jaeger vorhin geschildert hat, später zur Rationierung wird.

Unser Antrag will dies in unser Bewusstsein heben, will gleichzeitig aber auch der Politik klarmachen, dass wir sehr wach sehen, wo die Mechanismen sind, die täglich dazu führen, in kleinen Schritten die ärztliche Freiberuflichkeit anzukratzen, und dass wir gewillt sind und weiterhin dafür kämpfen werden, dass dies auf denjenigen Rahmen reduziert bleibt, der adäquat ist.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Griebenow. – Als nächster Redner Herr Emminger aus Bayern.

© Bundesärztekammer 2009