Dr. Gräfin Vitzthum,
Baden-Württemberg: Die Freiberuflichkeit, die Sie beschrieben haben, haben
wir verloren. Das muss man deutlich sagen. Ich fühle mich als Hausarzt in
Baden-Württemberg nicht mehr freiberuflich tätig. Wir haben die
Freiberuflichkeit als niedergelassene Hausärzte und als Fachärzte verloren, wir
haben sie verloren – das ist ganz bitter – als Assistent im Krankenhaus. Was
die Kollegen dort erleben müssen, ist ein ganz hartes Aufschlagen auf der
Wirklichkeit. Auch viele Chefärzte haben die Freiberuflichkeit verloren, denn
in welcher Klinik ist der Chefarzt noch wichtiger als der Verwaltungsdirektor?
(Beifall)
Ich kenne eine Klinik – das ist die
„Klinik am Eichert“ in Göppingen –, wo der Geschäftsführer ein sogenannter
medizinischer Geschäftsführer ist. Da kann man davon ausgehen, dass die
ökonomischen Vorgaben nicht an erster Stelle stehen.
Die Freiheit haben wir auch
verloren. Die Verantwortung für die Patienten haben wir behalten. Meine Damen
und Herren, sie ist unter diesen bösartigen Rahmenbedingungen größer geworden.
(Beifall)
– Unterbrechen Sie mich noch nicht,
denn die drei Minuten Redezeit sind kurz.
Das Vertrauen der Patienten
allerdings ist vorhanden. Es ist in die meisten meiner Kollegen vorhanden. Der
Patient ist mündig. Er versteht ganz genau, dass alle Aussagen aus dem BMG
weder richtig noch nachhaltig sind und dass sich unter diesen Aussagen die
Versorgung verschlechtert.
Staatsmedizin? – Wir akzeptieren
doch die staatlich gelenkte Verteilung des Mangels. Wir akzeptieren die
Schuldzuweisung der mangelhaften Verteilung durch die KVen. Vor zwei Jahren
sollten die KVen noch zerschlagen werden, plötzlich aber sollen sie erhalten
werden. Da muss man sich doch fragen: Wie kommt dieser plötzliche Sinneswandel
zustande?
Wir akzeptieren, dass die KBV als
sogenannte ärztliche Selbstverwaltung eigentlich nur ein Rädchen in einem ganz
komplexen System ist, in dem die GKV und das BMG die Zahlen bereits haben,
bevor unsere Interessen überhaupt vertreten werden können. Professor Wasem
kennt die Zahlen doch, bevor wir überhaupt irgendeine Interessenvertretung
wahrnehmen können.
Herr Professor Fuchs, Sie haben
recht: Wir müssen diese Politik überwinden. Wir werden in den Praxen Wahlkampf
machen; natürlich tun wir das. Ich habe bereits heute ein Plakat dort hängen,
auf dem steht: gescheit, gescheiter, gescheitert.
(Beifall)
Wenn hier die Kollegen sagen,
ich wollte das System überwinden, dann kann ich es nur noch einmal sagen:
Jawohl, ich möchte es überwinden, es ist möglich. Wir müssen es von mir aus
auch mit unseren Standesvertretern überwinden. Aber weil in den letzten Jahren
aus den KVen nichts gekommen ist, was uns bei dieser Überwindung geholfen hat,
müssen wir eben anfangen. Das sind die Verträge nach § 73 b. Meine Damen und
Herren, wir werden sie machen, ganz egal wie dieses Votum hier ausgeht. Den
Verträgen nach § 73 b werden Verträge nach § 73 c folgen. Ich bin beim
MEDI-Verbund. Wir haben diese Verträge in der Pipeline. Das wird so passieren.
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Jetzt müssen wir aber auf die Zeit achten.
Dr. Gräfin Vitzthum,
Baden-Württemberg: Noch ein Satz. Wo ist die Jugend? Hier ist die Jugend
nicht. Wenn ich fragen würde, wer hier jünger ist als 40 Jahre, würde kaum
einer die Hand heben. Herr Professor Hoppe, Sie haben vor zwei Jahren einen
Satz gesagt, der mir gefallen hat.
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Sie haben gesagt: einen Satz.
Dr. Gräfin Vitzthum,
Baden-Württemberg: Gut, ich sage einen Satz. Sie haben damals gesagt: vom
Freiberufler zum Freiheitskämpfer. Wenn Sie alle und unsere KV-Vertreter
Freiheitskämpfer sind, dann werden wir Sie unterstützen. Anderenfalls werden
wir das System allein überwinden.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Dieser Satz ist sogar nach Amerika transportiert worden. Er war
ein Highlight auf dem amerikanischen Ärztetag im Jahre 2007. Dort hat er große
Beifallsstürme hervorgerufen. – Der nächste Redner ist Herr Josten aus Bonn,
Ärztekammer Nordrhein.
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