TOP VIII: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 22. Mai 2009, Vormittagssitzung

Prof. Dr. Krause-Girth, Hessen: Herr Präsident! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Ich war immer eine Unterstützerin dieser Versorgungsforschung. Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse in diesem Jahr. Ich habe das Handlungskonzept vom Mai 2009, das uns allen zur Kenntnis gegeben wurde, in Auszügen gelesen. Ich war sehr überrascht, welche Vorschläge ich dort gefunden habe, die aus meiner Sicht überhaupt nicht haltbar sind. Ich meine beispielsweise die solidarische, sozial gerechte Gesundheitsversorgung, die auch gleichzeitig im Programm gefordert wird. In der Zusammenfassung sehen Sie auf Seite 18 Vorschläge, die am 12. Mai an die Presse gegangen sind. Es wird vorgeschlagen, Zuzahlungen in folgender Weise vorzunehmen:

Zuzahlungen können nur dort steuernd wirken, wo der Bürger auch entscheiden kann.

Die dann genannten Zuzahlungen sind alles Zuzahlungen, gegen die man sich nur entscheiden kann, wenn man sich dafür entscheidet, sich nicht behandeln zu lassen. Es geht beispielsweise darum, dass jeder Hausbesuch künftig vom Patienten mit 10 Euro bezahlt werden muss. Ein Patient, der einen Hausbesuch braucht, kann sich in der Regel nicht entscheiden, zum Arzt zu fahren. Das betrifft beispielsweise Menschen, die chronisch krank sind, die zu Hause sterben wollen und dringend regelmäßig Hausbesuche brauchen. Für die kommt so etwas wie die Zuzahlung nicht infrage.

Ferner wird eine Zuzahlung bei einer Krankenhausdauer von mehr als 28 Tagen gefordert. Wer hat denn die Freiheit, zu sagen, dass er weniger als 28 Tage im Krankenhaus bleiben will? Wer bleibt denn freiwillig länger als vier Wochen? Warum muss das jetzt bestraft werden?

Bei der Psychotherapie sollen ab sofort 10 Prozent vom Patienten selber übernommen werden. Das bedeutet pro Sitzung 8 Euro. Das betrifft nicht die privilegierten Gutverdiener, sondern wiederum diejenigen, die nur über die gesetzliche Krankenversicherung überhaupt die Chance haben, psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch zu nehmen.

Das ist absolut sozial ungerecht und bedeutet natürlich wieder, dass die Psychotherapie ein Privileg der Besserverdienenden wird und bleibt, wie es in anderen Ländern auch der Fall ist.

Alle diese Regelungen treffen insbesondere chronisch Kranke und psychisch Kranke. Ich frage mich, wie solche Zuzahlungsregelungen in einem Vorschlag an die Presse gehen können, die zeigen, dass man immer wieder die Ärmsten unsolidarisch zur Kasse bitten will.

Ich hoffe, dass es möglich ist, dass sich der Deutsche Ärztetag von diesen Vorschlägen distanziert. Ich habe einen entsprechenden Antrag formuliert. Leider ist er noch nicht umgedruckt. Ich hoffe, Sie können ihm, wenn er vorliegt, zustimmen.

Danke schön.

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Frau Krause-Girth. – Als nächster Redner Herr Crusius, Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern.

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