Prof. Dr. Krause-Girth,
Hessen: Herr Präsident! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Ich war
immer eine Unterstützerin dieser Versorgungsforschung. Ich bin sehr gespannt
auf die Ergebnisse in diesem Jahr. Ich habe das Handlungskonzept vom Mai 2009,
das uns allen zur Kenntnis gegeben wurde, in Auszügen gelesen. Ich war sehr
überrascht, welche Vorschläge ich dort gefunden habe, die aus meiner Sicht
überhaupt nicht haltbar sind. Ich meine beispielsweise die solidarische, sozial
gerechte Gesundheitsversorgung, die auch gleichzeitig im Programm gefordert
wird. In der Zusammenfassung sehen Sie auf Seite 18 Vorschläge, die am 12. Mai
an die Presse gegangen sind. Es wird vorgeschlagen, Zuzahlungen in folgender
Weise vorzunehmen:
Zuzahlungen können nur dort
steuernd wirken, wo der Bürger auch entscheiden kann.
Die dann genannten Zuzahlungen sind
alles Zuzahlungen, gegen die man sich nur entscheiden kann, wenn man sich dafür
entscheidet, sich nicht behandeln zu lassen. Es geht beispielsweise darum, dass
jeder Hausbesuch künftig vom Patienten mit 10 Euro bezahlt werden muss. Ein
Patient, der einen Hausbesuch braucht, kann sich in der Regel nicht
entscheiden, zum Arzt zu fahren. Das betrifft beispielsweise Menschen, die
chronisch krank sind, die zu Hause sterben wollen und dringend regelmäßig
Hausbesuche brauchen. Für die kommt so etwas wie die Zuzahlung nicht infrage.
Ferner wird eine Zuzahlung bei
einer Krankenhausdauer von mehr als 28 Tagen gefordert. Wer hat denn die
Freiheit, zu sagen, dass er weniger als 28 Tage im Krankenhaus bleiben will?
Wer bleibt denn freiwillig länger als vier Wochen? Warum muss das jetzt
bestraft werden?
Bei der Psychotherapie sollen ab
sofort 10 Prozent vom Patienten selber übernommen werden. Das bedeutet pro
Sitzung 8 Euro. Das betrifft nicht die privilegierten Gutverdiener, sondern
wiederum diejenigen, die nur über die gesetzliche Krankenversicherung überhaupt
die Chance haben, psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch zu nehmen.
Das ist absolut sozial ungerecht
und bedeutet natürlich wieder, dass die Psychotherapie ein Privileg der
Besserverdienenden wird und bleibt, wie es in anderen Ländern auch der Fall
ist.
Alle diese Regelungen treffen
insbesondere chronisch Kranke und psychisch Kranke. Ich frage mich, wie solche
Zuzahlungsregelungen in einem Vorschlag an die Presse gehen können, die zeigen,
dass man immer wieder die Ärmsten unsolidarisch zur Kasse bitten will.
Ich hoffe, dass es möglich ist,
dass sich der Deutsche Ärztetag von diesen Vorschlägen distanziert. Ich habe
einen entsprechenden Antrag formuliert. Leider ist er noch nicht umgedruckt.
Ich hoffe, Sie können ihm, wenn er vorliegt, zustimmen.
Danke schön.
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Schönen Dank, Frau Krause-Girth. – Als nächster Redner Herr
Crusius, Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern.
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