Grauduszus, Nordrhein:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ärzteschaft wird aufgeteilt
in diejenigen, die das Kollektivvertragssystem favorisieren, und diejenigen,
die das Selektivvertragssystem favorisieren. Natürlich gibt es immer mehr
Kolleginnen und Kollegen, die glauben, dass – jetzt spreche ich nicht von der
Kostenerstattung – das direkte Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient der
richtige Weg ist. Lassen Sie mich zunächst einmal auf das Kollektiv- und das
Selektivvertragssystem sowie auf das SGB V mit den §§ 73 b und 73 c eingehen.
Warum wurde das geschaffen? Warum
wurde die Möglichkeit, Verträge abzuschließen, in das Gesetz aufgenommen?
Angeblich geschah dies, um Wettbewerb herzustellen. Aber glauben wir das
wirklich? Was ist tatsächlich geschehen? Die Politik unter Ulla Schmidt –
namentlich mit Herrn Knieps – hat einen Keil zwischen die Verbände und die verfasste
Körperschaft getrieben. Heute erleben wir einen gnadenlosen Kampf zwischen dem
KV-System und den Protagonisten der Selektivverträge.
Was ich in Nordrhein erlebe, ist
wirklich keine Erfolgsgeschichte mehr. Glauben wir denn, dass es im Selektivvertragssystem
besser wird? Dass es ein Ende haben soll mit der Ideologie der
Freiberuflichkeit, das wissen wir. Dass Herr Rösler das in der Kürze der Zeit
nicht verhindern kann, sondern im Moment die Politik genauso fortgeführt wird,
erleben wir alle. Es ändert sich ja nichts. Herr Dr. Rösler hat gesagt: Wenn es
um mehr Geld geht, kann ich Ihnen nicht helfen. Wenn Kollegen vor Ort sagen,
sie seien mit ihrem Honorar sehr abgestürzt, sie bräuchten Hilfe, dann kommt
aus der Politik keine Unterstützung.
Das KV-System kann sich nicht mehr
retten. Das Selektivvertragssystem macht groß Werbung. Aber letztendlich geht
es nur um eines: uns in das Angestelltenverhältnis zu treiben, um dann zunächst
zu verstaatlichen. Das war vielleicht eine Idee. Dahinter stehen Konzerne, die
Geschäfte machen wollen mit der Versorgung, die wir realisieren. Dann haben wir
gar kein Vertragsverhältnis mehr mit unseren Patienten, sondern nur noch mit
unserem Geschäftsführer.
Deshalb appelliere ich an Sie:
Denken Sie darüber nach. Wir sind im Arzt-Patient-Verhältnis dem Patienten
verpflichtet, nicht der Obrigkeit, nicht dem System. Wir geraten aber in immer
engere Verträge, die uns abhängig machen, die uns vorschreiben, welche
Medikamente wir zu verordnen haben, wann wir bereitzustehen haben, wie lange
die Patienten warten müssen. Da werden 30 Minuten Wartezeit in die Verträge
hineingeschrieben. Hinterher wird behauptet: Das braucht ihr ja nicht
einzuhalten.
Meine Damen und Herren, das kann
doch nicht wahr sein! Solche Verträge lehne ich ab. Ich glaube, ich kann in den
nächsten Jahren als Arzt meinen Patienten nur noch im direkten
Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient gerecht werden. Dafür braucht man
ein anderes Erstattungssystem. Das nennt man landläufig Kostenerstattung. Arzt
und Patient können entscheiden, ob der Betrag direkt zwischen Patient und Arzt
fließt oder über eine Abrechnungsgesellschaft. Dann sind solche Argumente wie
diejenigen, der Patient könne sich die Leistung nicht erlauben, es werde eine
sehr hohe Hürde geben, zum Arzt zu gehen, als Unsinn entlarvt.
Damit unser Berufsstand seine
Freiberuflichkeit erhalten kann, brauchen wir wirtschaftliche Unabhängigkeit
und Unabhängigkeit von Kostenträgern und Obrigkeit.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Danke schön, Herr Grauduszus. – Jetzt kommt Herr Kollege Clever
aus Baden-Württemberg.
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