TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Dienstag, 11. Mai 2010, Nachmittagssitzung

Herr, geladener Gast: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrtes Plenum! Ich möchte aus der Sicht der Medizinstudenten kurz zum zweiten Absatz im Entschließungsantrag des Vorstands unter der Überschrift „Steigerung der Attraktivität kurativer ärztlicher Tätigkeit“ Stellung nehmen. Dort heißt es:

Ein frühzeitigeres Heranführen der Medizinstudierenden an den Versorgungsalltag ist eine erfolgversprechendere Maßnahme gegen den Ärztemangel in Klinik und Praxis als die etwaige Abschaffung des Numerus clausus oder die Einführung einer „Landarztquote“.

Das möchten wir als Medizinstudierende ganz entschieden unterstreichen. Wir bedanken uns für diesen Absatz. Ich möchte kurz darauf eingehen, warum.

Zunächst einmal ist es aus unserer Sicht genauso zentral, dieses Thema jetzt anzugehen. Wir bedanken uns und sind jederzeit an Bord, wenn es darum geht, dieses essentielle Thema der flächendeckenden Versorgung anzugehen.

Ich möchte hinzufügen, dass es gegen dieses Verquicken des Zulassungsverfahrens mit dem Ärztemangel und der Landarztquote jeweils einstimmige Voten aller Fachschaften in Deutschland gibt. Bei der Landarztquote sind alle Fachschaften der Meinung, dass es zu früh ist, sich elf Jahre zuvor festzulegen. Hinzu kommen Bedenken, ob es nicht doch möglich ist, dass, wie hier schon geäußert wurde, hinterher gesagt wird, doch nicht die landärztliche Tätigkeit wahrnehmen zu wollen.

Wir wissen, dass es Leute gibt, die sehr viel Geld investieren, um im Ausland studieren zu können. Das ist auch völlig in Ordnung. Die Frage lautet allerdings: Was ist, wenn diese Leute in Kauf nehmen, trotz einer Strafe in anderen Bereichen tätig zu werden? Wir hätten dann eine starke Differenzierung nach den finanziellen Möglichkeiten. Dann würde das gesteckte Ziel gar nicht erreicht.

Hinzu kommen Bedenken: Was ist mit anderen Fächern? Es gibt andere Bereiche der kurativen Medizin, bei denen ein Mangel existiert bzw. in absehbarer Zeit existieren wird. Wie gehen wir damit um? Wollen wir irgendwann das Medizinstudium komplett durchquotieren? Das liegt nicht im Interesse der Sache. Deswegen sind die Fachschaften gegen diese Maßnahme.

Ähnliches gilt für die bedarfsorientierte Umgestaltung des Zulassungsverfahrens zum Medizinstudium. Wir wissen, dass ein guter, menschlich integrer und kompetenter Arzt nicht durch die Schulnoten bestimmt wird. Hier besteht ein vollständiger Konsens. Die Frage lautet: Wie kann man dennoch gut selektieren? Alle Fachschaften sind der Meinung, das möglichst von der Debatte über Auswahlgespräche und Numerus clausus zu trennen, weil es große Vorbehalte gibt, ob man mit einem Assessment-System eine gute Selektion vornehmen kann.

Selbst wenn es attraktiv erscheint, über diese Verfahren gezielt einen Landarztnachwuchs zu akquirieren, muss bedacht werden, dass es bei Auswahlgesprächen häufig dazu kommt, dass es zu einer sozialen Selektion im Sinne einer Auswahl bestimmter Bevölkerungsschichten kommt. Zum anderen gibt es das Problem, dass diejenigen, die auswählen, sich gar nicht unbedingt mit dem Personenkreis decken, den wir nachher sozusagen akquirieren wollen, denn in den Kommissionen sitzen natürlich forschungsorientierte Professoren, die eine unglaublich wichtige Rolle für die Universitäten spielen. Es ist aber die Frage, ob Interessenkonflikte entstehen, wenn wir damit ein politisches Ziel verknüpfen.

Wir wollen dringend unterstützen, was im Vorstandsantrag steht, nämlich dass wir frühzeitige Maßnahmen zur Heranführung brauchen. Ebenso wie die Ärzteschaft immer auf Freiheit pocht, ist es uns wichtig, dass wir ein möglichst freiheitliches Medizinstudium haben, also möglichst ohne Pflichtmaßnahmen. Das bedeutet beispielsweise: bitte keine PJ-Pflichtquartale; das kommt schlecht an, ist eher schädlich für die Erreichung des Ziels, fürchten wir nach allen bisherigen Rücksprachen in dieser Beziehung.

(Vereinzelt Beifall)

Wir wollen stattdessen gute Angebote. Wir haben heute schon gute Vorschläge gehört im Sinne einer Akademisierung und einer Ausweitung der akademischen Allgemeinmedizin an den Universitäten. Das sind gute Ansätze.

Wir sind optimistisch: Wenn wir in diesem freiheitlichen Sinne ohne zusätzliche Pflichtmaßnahmen die Allgemeinmedizin und die Landarzttätigkeit in den Universitäten präsent machen, werden diese guten Angebote von alleine angenommen werden. Wir werden gemeinsam den Weg beschreiten können, gemeinsam einen Hebel zu entwickeln, wie wir dieses Gebiet wieder attraktiv machen können und dann das Ziel kooperativ erreichen, ohne das Medizinstudium weiter zu belasten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank für Ihren Beitrag. – Das Wort hat jetzt Herr Kollege Emminger aus Bayern.

© Bundesärztekammer 2010