TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Mittwoch, 12. Mai 2010, Vormittagssitzung

Dr. habil. Schang, Schleswig-Holstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einige Bemerkungen zum Leitantrag des Vorstands machen, verbunden mit einem Änderungsantrag. Der erste Punkt nimmt Stellung zum Problem der drohenden Unterversorgung in ländlichen Regionen. Dabei wird meines Erachtens völlig außer Acht gelassen, dass gerade in Großstädten soziale Brennpunkte eine sehr große Unterversorgung aufweisen. Der Antrag des Vorstands sollte hinsichtlich der Unterversorgung dringend um städtische soziale Brennpunkte ergänzt werden. Dort verbirgt sich ein viel größerer Sprengsatz als in sich entvölkernden ländlichen Regionen.

Die regionale Versorgungsplanung ist eine äußerst gute und richtige Idee. Allerdings sollte dies nicht, wie in dem Antrag vorgesehen, wieder einmal von oben nach unten durch neue behördenähnliche Strukturen geschehen, sondern dabei sollten unbedingt die circa 1 000 regionalen Ärztenetze, die es in unserem Lande gibt, von der Basis her einbezogen werden und von unten her an der regionalen Versorgungsplanung beteiligt werden. Sie sollen die Pläne vor allen Dingen auch konkret umsetzen. Ansätze dazu gibt es an vielen Stellen des Landes. Sie sind sehr erfolgreich. Daran sollte man nicht vorübergehen.

Mein dritter Punkt betrifft die Honorarordnung. Wesentliches Element einer Honorarordnung muss eine leistungsgerechte Honorierung sein. „Leistungsgerecht“ heißt: Pauschalen sind einfach und bequem, aber nicht gerade leistungsfördernd. Einzelleistungsvergütungen sind leistungsfördernd, haben aber die fatale Tendenz zur Mengenausweitung. Das ist wahr. Wir brauchen daher Einzelleistungsvergütungen mit hoher Transparenz. Das bedeutet: Kontrolle durch die Patienten – das hat völlig zu Recht unser Minister angemahnt –, vor allen Dingen aber auch eine strukturelle Planung der Versorgung als Gegengewicht zu einer ungerechtfertigten Mengenausweitung. Dann wird ein Schuh daraus.

Ich komme zur Arzneimittelversorgung. Kosten-Nutzen-Relationen neu eingeführter Medikamente sind selbstverständlich äußerst wichtig. Dafür wird es auch höchste Zeit. Aber dies kann nicht zum Zeitpunkt der Markteinführung geschehen, sondern erst dann, wenn ein Medikament eingeführt ist, ist eine Kosten-Nutzen-Bewertung möglich. Der entsprechende Satz sollte gestrichen werden. Es sollte stattdessen eingefügt werden:

Kosten und Nutzen neu eingeführter Medikamente sollen verpflichtend durch eine unabhängige Versorgungsforschung evaluiert werden.

Dann macht es viel mehr Sinn.

Noch ein Wort zur Forderung nach einer Kapitaldeckung der Krankenkassen. Das hört sich sehr gut an, ist aber äußerst gefährlich. Wir befinden uns gerade in einer weltweiten Finanz- und Währungskrise. In diesen Zeiten eine Kapitaldeckung der Krankenversicherung und damit der Krankenversorgung zu fordern, ist äußerst mutig. Wer heute die Kapitaldeckung einer Krankenversicherung fordert, wird morgen beim nächsten Währungsschnitt für das Zusammenbrechen der Krankenversicherung mit verantwortlich gemacht. Ich finde, wir Ärzte sind keine Ökonomen und sollten uns aus solchen Forderungen sehr vorsichtig heraushalten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank. – Jetzt Herr Dr. Marx aus Nordrhein.

© Bundesärztekammer 2010