TOP II: Versorgungsforschung

Mittwoch, 12. Mai 2010, Nachmittagssitzung

Wagenknecht, Niedersachsen: Sehr geehrte Vizepräsidentin! Liebes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Referenten! Ich möchte zu meinem Antrag 04, der gerade verteilt wird, sprechen. Zunächst einmal aber muss ich auf meinen Vorredner antworten, der zu seinem Antrag 03 gesprochen hat. Ich denke, wir haben gerade gehört, was uns die Versorgungsforschung bringt, was sie uns auch zukünftig in der Argumentation gegenüber Politikern und Kostenträgern bringen kann und wird.

Sie haben gehört, dass die Arbeitszufriedenheit bei Ärzten ein Problem ist, dass sie davon abhängt, wie viel Arzt-Patient-Kontakte man an einem Tag hat. Diese Zusammenhänge, die uns allen vielleicht gefühlt sowieso unter den Nägeln brennen und uns bekannt sind, kommen in der Versorgungsforschung sehr schön zum Tragen. Sie werden hier offensichtlich und sind eine Argumentationshilfe, um – –

(Die Anwesenden werden über Lautsprecher aufgefordert,
wegen einer technischen Störung das Gebäude zu ihrer
eigenen Sicherheit zügig zu verlassen –
Unterbrechung von 17.02 bis 17.23 Uhr)

Vizepräsidentin Dr. Goesmann: Meine Damen und Herren! Ich sehe, dass wir nach dieser Übung fast vollständig wieder versammelt sind. Ich war überrascht, wie diszipliniert und angstfrei Ärzte einen solchen Riesensaal verlassen und auch wieder betreten. Es war eine erfreuliche Übung für unser Verhalten in derartigen Fällen.

Herr Bacher, der Direktor des Hotels, zu dem dieses Tagungsgebäude gehört, möchte uns erklären, warum wir den Saal räumen mussten. Herr Bacher, ich bitte Sie ans Mikrofon.

Bacher: Meine Damen und Herren! Im Namen der Maritim Hotelgesellschaft möchte ich mich für das, was gerade vorgefallen ist, entschuldigen. Laut Feuerwehr ist alles in bester Ordnung. Es wurde ein Handalarm ausgelöst. Warum das geschehen ist, prüft die Feuerwehr bzw. der technische Dienst.

Die Feuerwehr bedankt sich; ich bedanke mich dafür, dass Sie den Saal so schnell evakuiert haben. Das ist bei einer solchen Größe immer etwas problematisch. Dafür herzlichen Dank im Namen aller Mitarbeiter der Gesellschaft. Wir wünschen Ihnen weiterhin eine erfolgreiche und gute Tagung hier im Hause.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Vizepräsidentin Dr. Goesmann: Vielen Dank. Wir sind beruhigt, dass es im Ernstfall gut klappen würde.

Wir fahren in unserer Diskussion fort. Das Wort hat jetzt noch einmal Herr Wagenknecht, der mit seinen Ausführungen gerade begonnen hatte, als der Alarm kam. Bitte, Herr Wagenknecht.

Wagenknecht, Niedersachsen: Ich muss zugeben: Ich hatte anfangs auch ein bisschen Sorge, dass ich etwas falsch gemacht habe. Als Zweites beschleicht einen die Sorge, es könnte jemand daran gedreht haben, weil ich hier stehe und etwas sagen will. Das müssten dann die Antragsteller des Antrags 03 gewesen sein – aber diesen traue ich das eigentlich nicht zu.

Ich hatte versucht, für den Vorstandsantrag zu sprechen, der ja bedeutet: Fortführung der Versorgungsforschung und Vorlage eines vernünftigen Konzepts für diese Fortführung beim nächsten Ärztetag, inklusive des Finanzrahmens. Die Bedenken der Kollegen, dass das Geld gut ausgegeben sein muss, teilen wir hier alle. Da sind wir alle derselben Meinung. Ich denke, die Daten, die uns bereits heute vorgestellt worden sind, geben uns sehr viel Munition, gerade wenn wir an die gestrige Diskussion über den Ärztemangel, über Probleme bei der Motivation junger Kollegen, über Honorierungsfragen zurückdenken.

Sie wissen: Hinter allen Forschungsvorhaben steckt am Ende doch die Frage: Wie arbeitet der Arzt? Wo arbeitet er? Welche Ergebnisse erzielt er für seine Patienten? Welches sind die besten Versorgungsmodelle? Ich habe in der Erwartung, dass dieses Plenum den Antrag des Vorstands annimmt und damit schon ein bisschen die Initialzündung für die Fortführung der Versorgungsforschung gibt, einen Antrag 04 formuliert, der verteilt wurde. Dieser Antrag beinhaltet, dass die neue Konzeptionierung der Versorgungsforschung einen Schwerpunkt auf die Auswirkungen neuer Versorgungsformen legen sollte, also Versorgungsformen, die ambulant und stationär die Versorgungswelt ändern werden. Wir werden in zehn Jahren ein anders aussehendes Gesundheitswesen haben. Diese Änderungen soll die Versorgungsforschung engmaschig, zeitnah und vor allem – das ist für uns alle natürlich wichtig – unabhängig beurteilen.

In dem Antrag heißt es weiter:

Dazu sind insbesondere Projekte auszuwählen, die die Behandlungsergebnisse der Versorgung nach § 116 SGB V, die Veränderungen der ambulanten fachärztlichen Versorgung als Konsequenz daraus und die Auswirkungen von hausarztzentrierter Versorgung begutachten.

All das soll beobachtet werden. Wir müssen zeitnah Ergebnisse haben. Dabei muss uns die Versorgungsforschung helfen.

Die hausarztzentrierte Versorgung, die ja auch hier in diesem Plenum ein sehr inniger Zankapfel ist, muss entsprechend begleitet werden. Wir haben von Herrn Scriba von diesem Buch über die Arbeitsbedingungen von Ärztinnen und Ärzten gehört. Da sind alle Elemente vorhanden, die doch darauf hindeuten, dass es uns möglich sein muss, zukünftig die intensive Inanspruchnahme eines Arztes zu reduzieren. Wir müssen dahin kommen, dass der Arzt nicht als Fließbandtäter fluchtartig durch seine Praxis oder durch seine Klinikambulanz hetzen muss, um die Versorgung sicherzustellen. Es muss vielmehr so sein, dass die Inanspruchnahme des Arztes der Versorgungsnotwendigkeit unserer Patienten entspricht. In der Diskussion machen uns doch die Fehlversorgungsbegriffe Probleme. Sie alle wissen, dass eine Fehlversorgung teilweise etwas ist, was wir selber herbeiführen mussten, weil wir auf die finanziellen Auswirkungen unseres Handelns ärztlicherseits schauen müssen. Das müssen wir, wenn wir selbstständig sind, das müssen wir, wenn wir im Klinikum angestellt sind, wofür die Verwaltung schon sorgen wird.

Um diese Einflüsse beispielsweise der hausarztzentrierten Versorgung messen zu können, brauchen wir die Versorgungsforschung. Die Kritiker der hausarztzentrierten Versorgung, die es hier ja auch gibt, werden sagen: Das bringt ja nichts. Ich, der ich das gerne als eine Möglichkeit ansehe, die Inanspruchnahme besser zu steuern, als wir das im Moment tun können, glaube daran, dass das etwas bewirken wird.

Lassen wir uns doch von den Ergebnissen überraschen. Dann dürfen wir aber nicht dem Antrag 03 entsprechen und sagen: Wir wollen das erst einmal begutachten und zunächst schauen, ob uns das überhaupt etwas bringt. Entscheiden Sie sich gegen den Antrag 03 und stimmen Sie dem Vorstandsantrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall)

Vizepräsidentin Dr. Goesmann: Vielen Dank, Herr Wagenknecht. – Es folgt Herr Kollege Calles aus Bayern.

© Bundesärztekammer 2010