Dr. Calles, Bayern:
Frau Vizepräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wagenknecht, Sie
werden nicht erstaunt sein, dass ich eine andere Position vertrete, weil ich
nicht der Meinung bin, dass wir bestimmte Dinge in unserem Berufsleben nur
fühlen, wie Sie das sagten, sondern weil ich der Meinung bin, dass man mit dem
gesunden Menschenverstand viele Dinge in unserem Berufsleben erkennen kann und
dafür keine schriftliche und wissenschaftliche Auswertung braucht. Warum, werde
ich nachher noch ausführen.
Als für die Finanzen Mitverantwortlicher
bin ich der Meinung, dass man Ihnen immer wieder einmal ins Gedächtnis rufen
muss, dass wir die Mitgliedsbeiträge unserer Pflichtmitglieder – ich sage
bewusst nicht: Zwangsmitglieder, sondern Pflichtmitglieder – sorgfältig
treuhänderisch zu verwalten haben.
Ich habe bereits im Vorjahr gesagt,
dass die Versorgungsforschung ein gesamtgesellschaftliches Problem ist und ich
nicht der Meinung bin, dass man dafür wesentliche Gelder der Ärzteschaft
verwenden darf. Im Koalitionsvertrag steht im Prinzip alles das, was wir
angeleiert haben. Im Koalitionsvertrag steht aber nicht, dass die
aufzubringenden Kosten von anderer Seite bezahlt werden. Ich habe eher das
Gefühl, dass man denkt: Die Ärzteschaft hat angefangen, lasst die mal
weitermachen, die machen das schon gut; Geld haben wir sowieso nicht.
Ich will aber auch deutlich sagen
und schließe damit an meine Ausführungen vom Vorjahr an: Kein Mensch hat etwas
dagegen, Einzelprojekte, die von wesentlicher Bedeutung für die Ärzteschaft
sind, in der Versorgungsforschung auch vonseiten der Ärzteschaft zu bezahlen,
aber ganz gezielt und nicht unbedingt in diesem Ausmaß und nach dem – ich sage
es lapidar und drücke aus, wie ich es empfinde – Gießkannenprinzip.
(Vereinzelt Beifall)
Ich möchte Ihnen sagen, wie ich
darauf komme. Im Zusammenhang mit dem Physician Factor wird bei den Ergebnissen
ausgeführt, dass das einflussreichste Merkmal für die Niederlassung von Ärzten
das monatliche Nettoeinkommen, die Anzahl der zu leistenden
Bereitschaftsdienste und das Schul- und Betreuungsangebot für die Kinder sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht gefühlt. Fragen Sie jeden
einzelnen niedergelassenen Arzt, insbesondere auf dem Land, ob der das fühlt
oder ob der das weiß. Das hätte man von jedem Einzelnen erfragen können, weil
es jeder einfach weiß.
Ich bin Landarzt. Ich kann hier
lesen:
Neben der Höhe des Einkommens
wäre eine familienfreundliche Planung der zu leistenden Bereitschaftsdienste
für die Steuerung der Niederlassungsbereitschaft auf dem Land von größter
Bedeutung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das
weiß ich auch. Es kommt aber niemand deshalb nicht aufs Land, weil er nicht
unbedingt die vielen Bereitschaftsdienste leisten will, sondern weil schlicht
und ergreifend keine Nachbarkollegen vorhanden sind. Da liegen die Probleme.
Das ist doch nicht gefühlt, sondern das wissen wir.
Wenn wir diese Einzelprojekte
finanzieren, sollte das in möglichst großem Konsens geschehen. Der Vorstand
sollte uns entsprechende Vorschläge unterbreiten. Ich muss ganz ehrlich sagen:
Ich kann Ihnen nicht empfehlen, den Beschlussantrag des Vorstands zu
unterstützen, denn damit würden Sie „eine im Lichte der bisherigen Erfahrungen
angepasste Fortsetzung der Förderinitiative“ befürworten. Damit würden Sie die
Bundesärztekammer auffordern, „eine Konzeption zur Fortentwicklung der
Förderinitiative einschließlich eines Finanzierungsrahmens zu erstellen“. Damit
ist natürlich eine Fortsetzung des bisherigen Verfahrens gemeint, sodass wir
weitere Millionen von Geldern, die die Kollegen aufbringen müssen, zur
Verfügung stellen sollen. Die Kolleginnen und Kollegen lesen hier
Selbstverständlichkeiten, nicht gefühlt, sondern gewusst und erfahren, über
Jahre hinweg. Ich bin nicht der Meinung, dass wir da eine große Unterstützung
vonseiten unserer Kolleginnen und Kollegen erhalten.
Es sollte geklärt werden, dass
Einzelprojekte in größtmöglichem Konsens unterstützt werden können, aber ein
„weiter so“ kann es nicht geben. Dafür bitte ich um Ihr Votum.
(Beifall)
Vizepräsidentin Dr. Goesmann:
Danke, Herr Calles. – Herr von Ascheraden hat jetzt einen Antrag zur
Geschäftsordnung.
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