TOP II: Versorgungsforschung

Mittwoch, 12. Mai 2010, Nachmittagssitzung

Dr. Calles, Bayern: Frau Vizepräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wagenknecht, Sie werden nicht erstaunt sein, dass ich eine andere Position vertrete, weil ich nicht der Meinung bin, dass wir bestimmte Dinge in unserem Berufsleben nur fühlen, wie Sie das sagten, sondern weil ich der Meinung bin, dass man mit dem gesunden Menschenverstand viele Dinge in unserem Berufsleben erkennen kann und dafür keine schriftliche und wissenschaftliche Auswertung braucht. Warum, werde ich nachher noch ausführen.

Als für die Finanzen Mitverantwortlicher bin ich der Meinung, dass man Ihnen immer wieder einmal ins Gedächtnis rufen muss, dass wir die Mitgliedsbeiträge unserer Pflichtmitglieder – ich sage bewusst nicht: Zwangsmitglieder, sondern Pflichtmitglieder – sorgfältig treuhänderisch zu verwalten haben.

Ich habe bereits im Vorjahr gesagt, dass die Versorgungsforschung ein gesamtgesellschaftliches Problem ist und ich nicht der Meinung bin, dass man dafür wesentliche Gelder der Ärzteschaft verwenden darf. Im Koalitionsvertrag steht im Prinzip alles das, was wir angeleiert haben. Im Koalitionsvertrag steht aber nicht, dass die aufzubringenden Kosten von anderer Seite bezahlt werden. Ich habe eher das Gefühl, dass man denkt: Die Ärzteschaft hat angefangen, lasst die mal weitermachen, die machen das schon gut; Geld haben wir sowieso nicht.

Ich will aber auch deutlich sagen und schließe damit an meine Ausführungen vom Vorjahr an: Kein Mensch hat etwas dagegen, Einzelprojekte, die von wesentlicher Bedeutung für die Ärzteschaft sind, in der Versorgungsforschung auch vonseiten der Ärzteschaft zu bezahlen, aber ganz gezielt und nicht unbedingt in diesem Ausmaß und nach dem – ich sage es lapidar und drücke aus, wie ich es empfinde – Gießkannenprinzip.

(Vereinzelt Beifall)

Ich möchte Ihnen sagen, wie ich darauf komme. Im Zusammenhang mit dem Physician Factor wird bei den Ergebnissen ausgeführt, dass das einflussreichste Merkmal für die Niederlassung von Ärzten das monatliche Nettoeinkommen, die Anzahl der zu leistenden Bereitschaftsdienste und das Schul- und Betreuungsangebot für die Kinder sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht gefühlt. Fragen Sie jeden einzelnen niedergelassenen Arzt, insbesondere auf dem Land, ob der das fühlt oder ob der das weiß. Das hätte man von jedem Einzelnen erfragen können, weil es jeder einfach weiß.

Ich bin Landarzt. Ich kann hier lesen:

Neben der Höhe des Einkommens wäre eine familienfreundliche Planung der zu leistenden Bereitschaftsdienste für die Steuerung der Niederlassungsbereitschaft auf dem Land von größter Bedeutung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das weiß ich auch. Es kommt aber niemand deshalb nicht aufs Land, weil er nicht unbedingt die vielen Bereitschaftsdienste leisten will, sondern weil schlicht und ergreifend keine Nachbarkollegen vorhanden sind. Da liegen die Probleme. Das ist doch nicht gefühlt, sondern das wissen wir.

Wenn wir diese Einzelprojekte finanzieren, sollte das in möglichst großem Konsens geschehen. Der Vorstand sollte uns entsprechende Vorschläge unterbreiten. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich kann Ihnen nicht empfehlen, den Beschlussantrag des Vorstands zu unterstützen, denn damit würden Sie „eine im Lichte der bisherigen Erfahrungen angepasste Fortsetzung der Förderinitiative“ befürworten. Damit würden Sie die Bundesärztekammer auffordern, „eine Konzeption zur Fortentwicklung der Förderinitiative einschließlich eines Finanzierungsrahmens zu erstellen“. Damit ist natürlich eine Fortsetzung des bisherigen Verfahrens gemeint, sodass wir weitere Millionen von Geldern, die die Kollegen aufbringen müssen, zur Verfügung stellen sollen. Die Kolleginnen und Kollegen lesen hier Selbstverständlichkeiten, nicht gefühlt, sondern gewusst und erfahren, über Jahre hinweg. Ich bin nicht der Meinung, dass wir da eine große Unterstützung vonseiten unserer Kolleginnen und Kollegen erhalten.

Es sollte geklärt werden, dass Einzelprojekte in größtmöglichem Konsens unterstützt werden können, aber ein „weiter so“ kann es nicht geben. Dafür bitte ich um Ihr Votum.

(Beifall)

Vizepräsidentin Dr. Goesmann: Danke, Herr Calles. – Herr von Ascheraden hat jetzt einen Antrag zur Geschäftsordnung.

© Bundesärztekammer 2010