TOP II: Versorgungsforschung

Donnerstag, 13. Mai 2010, Vormittagssitzung

Dr. Grundmann, Bremen: Frau Vizepräsidentin! Verehrtes Präsidium! Meine Damen und Herren! Als seit Jahren niedergelassener hausärztlicher Internist stelle ich auch mir immer wieder die Frage: Welche Leitlinien lassen sich in meinen ärztlichen Alltag integrieren? Professor Selbmann hat gestern ausgeführt, dass allein der Internist 17 Arbeiten pro Tag lesen muss, um auf dem neuesten Stand der Leitlinien zu sein.

Zu diesem Thema haben gestern bereits die Kollegen Oberschelp und Lipp gesprochen. Wir haben erfahren, dass es für manche Erkrankungen bis zu zehn verschiedene Leitlinien gibt und dass sie unter anderem bei ihrem Erscheinen bereits überholt sind. Die Bundesärztekammer, Herr Professor Hoppe, hat uns gestern das Heft „?Visitenkarten? und ?Publikationshinweise zu den Förderprojekten?“ verteilt. Als Beispiel für meine Fragestellung wird dort unter den Typ-I-Projekten in der ersten Förderphase (2006/2007 bis 2008/2009) folgendes Projekt genannt: „Messbarkeit der ?de facto?-Compliance kardiovaskulärer Leitlinien und ihrer Determinanten“. Diese Arbeit stammt von Herrn Professor Höpp und Frau Dr. Schubert aus Köln. Hier ist der „Hintergrund“ interessant: mangelnde Leitlinienkenntnis, inadäquate Leitlinienumsetzung, der geringe Effekt konventioneller Implementierungsstrategien und das Fehlen evaluierter Messinstrumente zur Compliance-Analyse.

Solche Projekte sollte man meines Erachtens im Rahmen der Versorgungsforschung weiterführen. Da ist meines Erachtens die Bundesärztekammer auf dem richtigen Weg.

Meine Bitte an die Experten ist jedoch, uns Vorschläge zu machen, wie und welche Leitlinien wir eigentlich als niedergelassene Ärzte auch im täglichen Alltag umsetzen sollen.

Meine Damen und Herren, abschließend noch eine wichtige Bemerkung, die bisher noch gar nicht erwähnt wurde, die aber uns Niedergelassenen doch auf den Nägeln brennt. Als niedergelassener Arzt haben Sie ja häufiger Probleme mit der Medikamentenüberschreitung, also Regressen für Ihre Praxis. Kommt der Kollege vor den Beschwerdeausschuss der KV und verweist auf leitliniengerechte Behandlung, so bekommt er das Gegenargument: Leitlinien sind lediglich Empfehlungen und keine Verpflichtungen. Im niedergelassenen Bereich können Sie manche Erkrankung unter Budgetgesichtspunkten manchmal gar nicht leitliniengerecht therapieren. Hier besteht meines Erachtens auch im Zusammenhang mit der KBV für die Ärztekammer dringend Handlungsbedarf.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall)

Vizepräsidentin Dr. Goesmann: Vielen Dank, Herr Grundmann. – Jetzt folgt Frau Professor Vittoria Braun aus Berlin.

© Bundesärztekammer 2010