TOP II: Versorgungsforschung

Donnerstag, 13. Mai 2010, Vormittagssitzung

Prof. Dr. Braun, Berlin: Liebe Vizepräsidentin! Sehr verehrter Herr Hoppe! Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Versorgungsforschung ist nicht elitär und abgehoben. Versorgungsforschung in der Allgemeinmedizin bedeutet, dass immer Ärzte und Patienten einbezogen sind. Diese mitwirkenden Akteure haben einen Benefit von der Forschungsarbeit durch wachsende Kenntnisse und Erfahrungen, wenn sie sich mit einem Krankheitsbild ganz besonders auseinandersetzen. Vorteile haben auch ihre Patienten.

Ein Beispiel: Wir haben in Berlin im Rahmen der geförderten Versorgungsforschung bei elf Niedergelassenen und zehn Allgemeinmedizinern aus einem MVZ evaluiert, wie sie 241 herzinsuffiziente Patienten behandeln, und herausgefunden, dass gewisse Defizite bestehen, die aber nicht so groß sind wie bei europäischen Kollegen.

In einer zweiten Forschungsphase haben wir mit leitliniengemäßen Erinnerungssystemen per PC Empfehlungen zur NYHA-Stadien-gerechten Therapie gegeben, was zu einer signifikanten Optimierung der Behandlung führte. Wir erreichten damit gerade das, was Herr Scriba anfangs in Aussicht stellte, nämlich dass die Versorgungsforschung hilft, die Versorgung der Patienten und die Arztzufriedenheit der beteiligten Ärzte zu verbessern. Und das macht Sinn.

Ein kurzes Wort noch, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den von Herrn Oberschelp und anderen kritisierten Leitlinien. Von ihm befragte Kollegen meinten unter anderem, die Leitlinien bestünden nur für Anfänger. Ich bin seit 1979 Allgemeinärztin und betreue seitdem einen großen Patientenstamm. Zusammen mit meinen Mitarbeitern des Allgemeinmedizinischen Instituts der Charité haben wir die Leitlinie „Akuter und chronischer Husten“ verfasst. Seitdem weiß ich alter Hase viel besser mit Diagnostik und Therapie des Hustens umzugehen. Ich beherrsche viel besser als in den 25 Jahren davor, welche Diagnostik und Therapie bei welchem Krankheitsbild sinnvoll ist.

Übrigens, meine Damen und Herren: Leitlinien funktionieren. Wenn ich meine eigene Mutter nicht nach der Leitlinie „Herzinsuffizienz“ behandelt hätte, wie es ein Kardiologe aus einem bekannten Berliner Klinikum nicht richtig gemacht hat, würde sie nach fünf Jahren nicht mehr leben. Sie hatte einen schweren Herzinfarkt und war klinisch tot. Sie bekam nur einen ACE-Hemmer. Ich habe sie ordentlich aufgeklärt und sie lebt immer noch.

Zum effizienten Arbeiten benötigen wir gewisse Algorithmen in unserer vollen Sprechstunde. Diese Algorithmen dürfen aber nicht beliebig sein. Sie sollten sich nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft richten. Ich denke, das sind wir unseren Patienten schuldig. Mir persönlich macht es die Arbeit einfacher und effizienter. Ich bin der festen Überzeugung, dass viele von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ähnlich sehen.

Ich bitte Sie daher, den Antrag der Bundesärztekammer zu befürworten.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall)

Vizepräsidentin Dr. Goesmann: Vielen Dank, auch für die Unterstützung. – Es folgt jetzt Herr Funken.

© Bundesärztekammer 2010