Prof. Dr. Braun, Berlin:
Liebe Vizepräsidentin! Sehr verehrter Herr Hoppe! Hohes Präsidium! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Versorgungsforschung ist nicht elitär und abgehoben.
Versorgungsforschung in der Allgemeinmedizin bedeutet, dass immer Ärzte und
Patienten einbezogen sind. Diese mitwirkenden Akteure haben einen Benefit von
der Forschungsarbeit durch wachsende Kenntnisse und Erfahrungen, wenn sie sich
mit einem Krankheitsbild ganz besonders auseinandersetzen. Vorteile haben auch
ihre Patienten.
Ein Beispiel: Wir haben in Berlin
im Rahmen der geförderten Versorgungsforschung bei elf Niedergelassenen und
zehn Allgemeinmedizinern aus einem MVZ evaluiert, wie sie 241 herzinsuffiziente
Patienten behandeln, und herausgefunden, dass gewisse Defizite bestehen, die
aber nicht so groß sind wie bei europäischen Kollegen.
In einer zweiten Forschungsphase
haben wir mit leitliniengemäßen Erinnerungssystemen per PC Empfehlungen zur
NYHA-Stadien-gerechten Therapie gegeben, was zu einer signifikanten Optimierung
der Behandlung führte. Wir erreichten damit gerade das, was Herr Scriba anfangs
in Aussicht stellte, nämlich dass die Versorgungsforschung hilft, die
Versorgung der Patienten und die Arztzufriedenheit der beteiligten Ärzte zu
verbessern. Und das macht Sinn.
Ein kurzes Wort noch, liebe
Kolleginnen und Kollegen, zu den von Herrn Oberschelp und anderen kritisierten
Leitlinien. Von ihm befragte Kollegen meinten unter anderem, die Leitlinien
bestünden nur für Anfänger. Ich bin seit 1979 Allgemeinärztin und betreue
seitdem einen großen Patientenstamm. Zusammen mit meinen Mitarbeitern des
Allgemeinmedizinischen Instituts der Charité haben wir die Leitlinie „Akuter und chronischer Husten“
verfasst. Seitdem weiß ich alter Hase viel besser mit Diagnostik und Therapie
des Hustens umzugehen. Ich beherrsche viel besser als in den 25 Jahren davor,
welche Diagnostik und Therapie bei welchem Krankheitsbild sinnvoll ist.
Übrigens, meine Damen und Herren:
Leitlinien funktionieren. Wenn ich meine eigene Mutter nicht nach der Leitlinie
„Herzinsuffizienz“ behandelt hätte, wie es ein Kardiologe aus einem bekannten
Berliner Klinikum nicht richtig gemacht hat, würde sie nach fünf Jahren nicht
mehr leben. Sie hatte einen schweren Herzinfarkt und war klinisch tot. Sie
bekam nur einen ACE-Hemmer. Ich habe sie ordentlich aufgeklärt und sie lebt
immer noch.
Zum effizienten Arbeiten benötigen
wir gewisse Algorithmen in unserer vollen Sprechstunde. Diese Algorithmen
dürfen aber nicht beliebig sein. Sie sollten sich nach neuen Erkenntnissen der
Wissenschaft richten. Ich denke, das sind wir unseren Patienten schuldig. Mir
persönlich macht es die Arbeit einfacher und effizienter. Ich bin der festen
Überzeugung, dass viele von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ähnlich
sehen.
Ich bitte Sie daher, den Antrag der
Bundesärztekammer zu befürworten.
Haben Sie vielen Dank.
(Beifall)
Vizepräsidentin Dr. Goesmann:
Vielen Dank, auch für die Unterstützung. – Es folgt jetzt Herr Funken.
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