Dr. Bartmann, Referent:
Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Jörg Hoppe! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sind 50 Prozent eigentlich viel oder wenig? Richtig: Es kommt darauf
an, wie man es sieht. Für die einen ist das Glas noch halb voll, für die
anderen leider schon halb leer. Wenn bei einer Umfrage eine Rücklaufquote von
50 Prozent erreicht würde, würde bei vielen Demoskopen der Sekt schon kalt
gestellt bzw. die Korken würden knallen, während der Auftraggeber eigentlich
100 Prozent oder gar mehr erwartet hat.
Ich kann Ihnen sagen: Ein
Sektkorken ist im letzten Winter in Lübeck geknallt, denn dort wohnt die
Mitarbeiterin der Ärztekammer Schleswig-Holstein, die federführend für die
Umsetzung der Evaluation in unserem Kammerbezirk verantwortlich war. Als die
ersten Rücklaufzahlen von den Weiterbildungsbefugten einliefen, habe ich
leichtsinnigerweise gesagt: Wenn mehr als 40 Prozent Rücklaufquote erreicht
wird, gibt es Schampus. 40 Prozent wären für mich schon ein respektables
Ergebnis gewesen.
Erreicht wurden dann fast 80
Prozent. Wir sind nur knapp an der 80-Prozent-Hürde gescheitert. Das ist ein
Ergebnis, das eigentlich nicht mehr zu toppen ist. Es handelte sich ja um eine
Umfrage, die Arbeit macht, von der man nichts hat, außer vielleicht ein paar
Informationen für sich. Das geht eigentlich freiwillig schon an die Grenzen
dessen, was man erwarten kann. Deshalb hat es obendrauf noch einen Blumenstrauß
gegeben.
80 Prozent sind viel. Im Schnitt
waren es 60 Prozent. Es ging herunter bis zu 30 Prozent. Wir sind so
vorgegangen, dass wir alle registrierten Weiterbildungsbefugten und alle jungen
Ärztinnen und Ärzte, vor allem solche, die keine Facharztbezeichnung haben,
angeschrieben haben. Wir haben die Intentionen mitgeteilt, wir haben einen
Zeitplan mitgeteilt. Wir haben beide Gruppen getrennt voneinander zu
Informationsveranstaltungen eingeladen.
Das Schreiben an die
Weiterbildungsbefugten hat zunächst einmal zu einer dramatischen Verschlankung
unserer Statistik geführt, vor allem im niedergelassenen Bereich, weil gerade
im niedergelassenen Bereich deutlich mehr als die Hälfte überhaupt nicht mehr
aktiv weitergebildet wird. Damit hatten wir aber gerechnet.
Wir haben allerdings nicht damit
gerechnet, dass ein Drittel aller Weiterbilder stationärer Einrichtungen zu
einer Informationsveranstaltung im Vorfeld dieser Erhebung gekommen sind.
Genau umgekehrt sah die Reaktion
bei den Weiterbildungsassistenten aus. Wir haben ungefähr 4 000
Einladungen verschickt. 2 400 wären betroffen gewesen, die tatsächlich in
der Weiterbildung waren und hätten antworten können. Zu der Veranstaltung kamen
aber nur 49 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – 49 von 2 400.
Die Gründe hierfür sind
vielschichtig. Man kann nicht sagen, dass sie kein Interesse hatten. Die
Weiterbildungsbefugten haben natürlich eine viel engere Bindung an die Kammer,
sie haben weniger Berührungsängste. Eines kann man, glaube ich, mit aller
Vorsicht sagen: dass zumindest in Schleswig-Holstein der Leidensdruck bezüglich
der Situation der Weiterbildung bei den Weiterbildungsbefugten nicht viel
schwächer sein kann als bei den Weiterbildungsassistenten.
Ich habe in den vergangenen Tagen
immer wieder von Fällen gehört, dass Befugte die Teilnahmecodes nicht an ihre
Assistenten weitergegeben haben. Das sind sicherlich Fälle, die mehr als einmal
vorgekommen sind. Das ist verwerflich, das kann man nicht schönreden. Ich kann
aus eigenem Erleben von einem Fall berichten, wo der Weiterbildungsbefugte
seinen Assistenten mehrfach um Teilnahme gebeten hat. Ich weiß von anderen
Fällen, in denen es ähnlich war. Aber bei uns ist nichts eingegangen.
Ich warne davor, bei der Frage,
warum so viele Weiterbildungsbefugte geantwortet haben, aber so wenige
Weiterbildungsassistenten, eine verallgemeinernde Antwort zu geben und zu
erklären: Ich habe es erlebt, also ist es so. Es bedarf bestimmt noch einer
Menge Analysen, bis wir wissen, woran es gelegen hat und wie wir es besser
machen können.
Lassen Sie uns die folgenden Zahlen
zunächst einmal nüchtern als das nehmen, was sie sind und sein können: ein
erstes Ergebnis eines ersten Versuches nach einer im Ausland erprobten und
bewährten Methode, einen Überblick über die tatsächliche Situation der
Weiterbildung in Deutschland zu gewinnen. Wenn wir das zur Kenntnis genommen
haben, Kolleginnen und Kollegen, sollten wir gemeinsam überlegen – auch, aber
nicht nur heute –, was man eventuell anders machen kann, damit die Ergebnisse
noch repräsentativer werden, damit wir sie in ganz konkretes Handeln umsetzen
können.
Diese kurze Vorrede war mir wichtig.
Ich warne davor, zu rasch zu urteilen, warum es so gelaufen ist. Wir sollten
zuerst schauen, was wir erreicht haben, und dann überlegen, was wir
anschließend besser machen können.
Ich habe mein kurzes Referat
gegliedert in: Hintergründe der Befragung, Methodik, Darstellung der
Ergebnisse, Ergebnisse auf Bundesebene, Zusammenfassung, erste
Schlussfolgerungen und weiterer Projektablauf.
Ich komme zu den Hintergründen der
Befragung. Wir bekommen immer wieder vermittelt, dass die Qualität der
Weiterbildung in Deutschland erhebliche Defizite im Vergleich zum Ausland
aufweist. Gerade in Süddeutschland scheint es tatsächlich so zu sein, dass
viele Weiterbildungsassistenten in die Schweiz abwandern, weil sie dort eine
bessere Weiterbildung erwarten. Bei uns im Norden ist es ganz anders: Bei uns
im Norden gehen die fertigen Fachärzte ins Ausland, weil sie dort nach ihrer
Weiterbildung bessere Arbeitsbedingungen finden.
Es ging uns darum, einzelne
Weiterbildungsstätten zu beurteilen, diese einzelnen Weiterbildungsstätten dann
aber auch im Kontext auf Landes- und Bundesebene zu betrachten. Wir wollten
Stärken und Schwächen der Weiterbildung aufzeigen.
Wichtig war die Frage: Welches sind
die Rahmenbedingungen, unter denen unsere jungen Assistentinnen und Assistenten
ihre Weiterbildung erfahren? Gibt es da eventuell Verbindungen?
Wir wollten auch die Entwicklung
von Verbesserungspotenzialen betrachten und Strukturkonzepte für die
Weiterbildung entwickeln.
Wir haben die bundesweite
Evaluation von Weiterbildungsassistenten und Weiterbildungsbefugten nach dem
„Schweizer Modell“ durchgeführt. Die Evaluation in der Schweiz, die dort seit
13, 14 Jahren durchgeführt wird, hat einen „Vater“, nämlich Max Giger, der hier
anwesend ist.
(Beifall)
Wenn ich von einem guten Weiterbildungsstandard
in der Schweiz gesprochen habe, dann hat das vielleicht auch damit zu tun, dass
die Schweiz mit Zahlen aufwarten kann. Der Bogen, der bei uns bei den
Weiterbildungsassistenten benutzt worden ist, ist, glaube ich, in der Schweiz
siebenmal zum Einsatz gekommen. Es ist also nicht so, dass wir ihn erstmals bei
uns hatten. Er kam auch 2007 in Hamburg und in Bremen zum Einsatz.
Etwas anders als bei uns ist die
Tatsache, dass die Schweiz nicht regelmäßig die Befragungen parallel zu den
Weiterbildungsbefugten durchführt. Bis vor einer Woche hatte ich den Eindruck,
dass das in der Schweiz überhaupt nicht der Fall ist; das ist aber nicht
richtig, sondern gelegentlich wird es doch gemacht.
Die Methodik basierte auf einer
Onlinebefragung. Der Zugangscode sollte von den Weiterbildungsbefugten an die
Weiterbildungsassistenten weitergegeben werden. Das ist ein Schwachpunkt, der
nachher zu diskutieren sein wird. Ich weiß, dass das von vielen als
Schwachpunkt erkannt worden ist. Das ist in der Tat eine Schnittstelle, die
problematisch ist, zumal beim ersten Mal, wenn die Assistenten das nicht
unbedingt abfragen, weil sie nicht informiert wurden, dass so etwas
stattfindet.
Es gab 59 Vergleichsgruppen,
resultierend aus 51 Gebieten und Schwerpunkten, fünf Basisweiterbildungen,
einer großen Gruppe Allgemeinmedizin und einer großen Gruppe niedergelassene
Fachärzte. In der Schweiz werden niedergelassene Weiterbildungsstätten nicht
beurteilt. Wir hatten uns aber dafür entschieden, weil wir die Weiterbildung im
ambulanten Bereich als zukünftig immer wichtiger werdend ansehen, diese
Weiterbildungsstätten in die Evaluation mit einzubeziehen.
Das Problem ist, dass dabei relativ
kleine Zahlen zustande kommen, wenig Weiterbildungsbefugte bei einer
überschaubaren Zahl von Weiterbildungsstätten.
Der Fragebogen enthielt für die
Weiterbildungsassistenten 100 Fragen, für die Weiterbildungsbefugten 39 Fragen.
Der Einfachheit halber haben wir das Schulnotensystem benutzt, also Noten von 1
bis 6.
Der Befragungszeitraum erstreckte
sich vom Juni bis zum September 2009. Wir haben den Zeitraum ein bisschen
ausgedehnt, weil die Sommerferien doch eine gewisse Behinderung bedeutet haben.
Wissenschaftliche Begleitung und
Datenauswertung erfolgten durch Professor Siegrist von der Eidgenössischen Technischen
Hochschule Zürich, der diese Arbeiten auch für die Schweiz durchführt.
Wir haben Fragenkomplexe gebildet.
Sie sehen hier die Fragenkomplexe, die sich nur mit der Weiterbildung befassen.
Die übrigen Fragenkomplexe beschäftigen sich mit den Rahmenbedingungen
ärztlicher Tätigkeit. 28 von 60 Fragen befassen sich mit der Bildung. Das
andere sind mehr oder weniger Globalbeurteilungen.
Die Darstellung der Ergebnisse
erfolgt zum einen in einem individuellen Befugtenbericht. Der
Weiterbildungsbefugte, der teilgenommen hat, aus dessen Abteilung Rückläufe
erfolgten, bekommt einen Bericht, der auf 14 Seiten sehr detailliert die
Ergebnisse seiner eigenen Abteilung ins Verhältnis setzt zur Bundes- und
Landesebene.
Eine weitere Möglichkeit der
Darstellung der Ergebnisse ist die „dynamische Spinne“, auf die ich nachher
noch zu sprechen komme. Es gibt 160 000 Möglichkeiten, diese „dynamische
Spinne“ mit Daten zu beschicken.
Eine weitere Darstellung der
Ergebnisse bietet sich durch die Länder- und Bundesrapporte, die Sie auch jetzt
schon über die Homepage Ihrer Landesärztekammer oder der Bundesärztekammer
abrufen können.
Von 38 706 registrierten
Weiterbildungsbefugten waren zum Zeitpunkt der Befragung nur rund 16 000
aktiv. Mehr als die Hälfte gaben an, derzeit gar keinen
Weiterbildungsassistenten zu haben, sei es weil tatsächlich eine Pause war oder
weil die Weiterbildungsbefugnis nur einmalig beantragt worden war, um den Sohn
oder die Tochter oder den Praxisnachfolger weiterzubilden.
Die Rücklaufquote bei den Weiterbildungsbefugten
betrug 60,76 Prozent. Das ist im allgemeinen Vergleich, was man bei Demoskopen
erwarten kann, sehr, sehr gut für eine erste Befragung.
Es waren rund 57 000
Weiterbildungsassistenten gemeldet. Knapp 19 000 Rückläufe waren zu
verzeichnen. Das ist eine Rücklaufquote von rund 32 Prozent. Damit kann man
nicht ganz zufrieden sein, aber ganz so schlecht, wie es vielleicht auf den
ersten Blick erscheint, sind weder die absoluten Zahlen noch die Prozentzahlen.
Man kommt auf 3,5 Weiterbildungsassistenten pro Weiterbildungsbefugten.
Wir haben aus 59 Vergleichsgruppen
Fachrichtungsgruppen gebildet, die jeweils das Gebiet abbilden. Gesondert
betrachtet haben wir die Fachärzte für Allgemeinmedizin und die Fachärzte in
der ambulanten Versorgung. Das werde ich jetzt – Ihr Einverständnis
vorausgesetzt – relativ schnell abhandeln. Die Zahlen scheinen nämlich relativ
homogen zu sein.
Die Fachrichtungsgruppe der
Anästhesisten erreicht in dem Schaubild als Erste eine Rücklaufquote pro
Weiterbildungsstätte von über 40 Prozent. Als Chirurg könnte ich flapsig sagen:
Die Anästhesisten haben ja auch Zeit. Auch die Kinder- und Jugendmediziner
sowie die Allgemeinmediziner nehmen eine Spitzenstellung ein, und zwar sowohl
was die Beteiligung als auch was die Ergebnisse im Einzelnen angeht.
Differenziert man die Teilnahme der
Weiterbildungsassistenten nach Geschlecht und Fachrichtungsgruppen, sieht man,
dass es nur noch eine einzige Fachrichtungsgruppe gibt, bei der ein deutlicher
Männerüberschuss herrscht: Das sind die Chirurgen. In allen anderen
Fachrichtungsgruppen führen die Frauen mehr oder weniger stark. Es gibt eine
Tendenz zu der Annahme, dass der Effekt dadurch zustande gekommen ist, dass
mehr Frauen als Männer geantwortet haben.
Ich komme zu den bundesweiten Mittelwerten
der acht Fragenkomplexe. Sie sehen, dass im Schnitt die Mittelwerte, die sich
mit Weiterbildung befassen, relativ homogen sind. Sie reichen von einer
schlechten 2 bis zu einer guten 3. Ausnahme ist der Fragenkomplex „Anwendung
evidenzbasierter Medizin“. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass es in
Deutschland an der Anwendung evidenzbasierter Medizin hapert. Dies kann man
aber aus der Fragestellung nicht ableiten. Eine der vier Fragen lautete: Ich
lerne wissenschaftliche Publikationen zu beurteilen. Das ist ein aktiver
Prozess, der tatsächlich einen Lerninhalt hat. Dass das nicht vorkommt,
verwundert kaum, weil dafür das Bewusstsein noch gar nicht so entwickelt ist.
Weiter: Suchstrategien, wie in der
Literatur die beste Evidenz für oder gegen eine bestimmte Behandlung zu finden
ist, werden an unserer Weiterbildungsstätte gelehrt. – Das sollte man sich auch
ins Stammbuch schreiben. Es wundert eigentlich nicht, dass das nicht aktiv im
Weiterbildungsplan enthalten ist.
Und: Ich lerne, die Ergebnisse einer
wissenschaftlichen Studie konkret bei der Behandlung eines Patienten
anzuwenden. An unserer Weiterbildungsstätte wird gelehrt, wie man praktische
Fragen formuliert und wie man diese aufgrund der Literatur beantwortet. – Wenn
Sie einmal sehr in sich gehen, müssten Sie wahrscheinlich zu dem Ergebnis
kommen, dass auch Sie dort eine Delle hätten. Das Erstaunliche ist: Nicht nur
die Weiterbildungsassistenten sagen das, sondern die Delle ist bei den
Weiterbildungsbefugten mindestens genauso groß, sogar noch etwas
eindrucksvoller, weil sie sich nämlich in den übrigen Bereichen etwas besser
darstellen.
Ich komme damit zur Globalbeurteilung.
Die Allgemeinmediziner liegen zwischen 1 und 2. Die Weiterbildung in den
Praxen, wo eine 1 : 1- oder 1 : 2-Situation herrscht, wird von den
Weiterbildungsassistenten als sehr angenehm und sehr effektiv empfunden. Das
zieht sich durch alle Globalbeurteilungen hindurch.
Bei der Vermittlung von
Fachkompetenz finden wir sehr homogene Ergebnisse. Es gibt keine signifikanten
Unterschiede zwischen konservativen und operativen Fächern. Die Situation
hinsichtlich der Lernkultur ist gut, bezüglich der Führungskultur kann man
sagen: geht so.
Die Ergebnisse bei der Kultur zur
Fehlervermeidung könnten doch noch ein bisschen besser sein. Dort, wo die Musik
spielt, gerade in der Chirurgie, gibt es eine deutliche Tendenz in Richtung 2,
weg von der 3.
Zur Entscheidungskultur ist zu
sagen: Das sind Fragen, die nicht so außerordentlich relevant sind. Daraus
abzuleiten, man lerne nicht, zu entscheiden, ist nicht richtig. Das Heranführen
an solche Positionen wird bei den kleinen Einrichtungen besonders intensiv
praktiziert.
Man sagt immer: Die Betriebskultur
ist schlecht. Das stimmt nicht. Die Antworten auf die Fragen, wie man sich im
Team aufgehoben fühlt, wie gut die kollegiale Zusammenarbeit ist, sind durch
die Bank positiv. In den kleinen Weiterbildungsstätten kommen wir auf Zahlen
von knapp über 2 bis zu 1. Die Kollegen unterscheiden zwischen dem, was sie in
ihrer Abteilung an interkollegialer Zusammenarbeit erleben, und den
Rahmenbedingungen, unter denen alle in gleichem Maße leiden.
Zur evidenzbasierten Medizin möchte
ich nicht weiter ausführen.
Damit komme ich zu den Ergebnissen
zu weiteren Fragen. Dass der Chefarzt nicht der Aktivste bei der Weiterbildung
ist, ist normal. Es ist nicht mehr so wie vor 30 Jahren, dass der Chefarzt von
einer Horde Assistenten umgeben ist und der Einzige ist, der wirklich Bescheid
weiß. Die Kompetenz ist heute breit verteilt und geht bis hinunter zu den
Assistenten, die sich selbst noch in der Weiterbildung befinden.
Was mich stört, ist folgendes
Ergebnis. Wir haben 2003 in die Weiterbildungsordnung geschrieben, dass
parallel zur Führung eines Logbuchs in der Weiterbildung seitens der
Weiterbildungsassistenten der Weiterbildungsbefugte bzw. die
Weiterbildungsstätte einen curriculären Weiterbildungsplan vorzulegen hat. Aber
was sehen wir hier als Ergebnis auf unsere diesbezügliche Frage?
48 Prozent geben an, keinen strukturierten Weiterbildungsplan zur Kenntnis
bekommen zu haben. Die Erklärung dafür ist, dass wir bisher wenige Prüfungen
nach durchlaufender Weiterbildung haben, wo wir die Möglichkeit der Nachfrage
nach einem solchen Plan hätten. Wir müssen zusehen, dass wir nicht am Nasenring
herumgeführt werden. Wenn wir das festlegen, dann müssen wir auch dafür sorgen,
dass es befolgt wird.
Dasselbe gilt für die Vereinbarung
von Lernzielen. Wenn hier 40 Prozent sagen, davon hätten sie noch nie etwas
gehört, ist das beschämend.
Die Tatsache, dass
Weiterbildungsassistenten in der Weiterbildung selbst aktiv sind, ist durchaus
positiv zu bewerten.
Eine politisch hochinteressante
Zahl ist, dass 83 Prozent angeben, dass sie sich regelmäßig darüber hinaus
extern fortbilden. Das entspricht unserem Eindruck, dass in der Politik diese
Fortbildung nicht richtig wahrgenommen wird.
Nicht besonders positiv ist die
Antwort auf die Frage, ob in der vertraglich geregelten Arbeitszeit die
Weiterbildung zur eigenen vollen Zufriedenheit erfüllt werden kann.
Es wundert uns nicht, dass 80 Prozent
der Weiterbildungsassistenten die Frage bejahen, ob sie Bereitschaftsdienste
ausüben. 30 Prozent der Weiterbildungsassistenten sagen, sie könnten nie bzw.
sehr selten während des Bereitschaftsdienstes ihre Ruhezeiten einhalten. Wenn
sie nach Beendigung ihres Bereitschaftsdienstes weiterarbeiten, üben sie ganz
überwiegend ihre reguläre Tätigkeit aus. 90 Prozent machen Überstunden. Bei
fast 14 Prozent werden diese Überstunden gar nicht vollständig dokumentiert.
Bei 16 Prozent werden die Überstunden nicht ausgeglichen. Das kann man
eigentlich nicht glauben, aber warum sollten wir daran zweifeln?
Im Median – das sind keine
Prozentzahlen – wurde 2004 das Staatsexamen abgeschlossen. Wer bisher nur 35
Monate in der Weiterbildung tätig war, muss noch etwas anderes gemacht haben.
Wahrscheinlich handelt es sich bereits um den zweiten Anlauf. Die Tatsache, dass
man im Median 20 Monate an der jetzigen Weiterbildungsstätte tätig ist,
bedeutet, dass die meisten bereits gewechselt haben. Wenn man es positiv
beurteilt, kann man sagen: Man schaut über den eigenen Tellerrand hinaus.
Damit komme ich zur Anonymität. Die
Tatsache, dass 50 Prozent sagen, ihre Antworten dürften auch für eine
Rückmeldung an den Befugten der Weiterbildungsstätte und die zuständige
Landesärztekammer herangezogen werden, wenn weniger als vier ausgefüllte
Fragebögen aus der eigenen Weiterbildungsstätte vorliegen, wird oft als
Misstrauensvotum gedeutet. Es ist aber nicht so, dass diese Option allen zur
Verfügung stand. Wenn vier oder mehr Meldungen eingegangen sind, ist diese
Anonymisierung gar nicht erforderlich. Wenn ich auf irgendeinem Formular
gefragt werde, ob ich einverstanden bin, dass meine Daten auch für sonstige
Zwecke benutzt werden dürfen, kreuze ich immer an, dass ich damit nicht einverstanden
bin. Der Datenschutz ist inzwischen so sensibel, dass man reflexhaft sagt: Wenn
schon gefragt wird, sagt man besser Nein. Das würde ich also nicht als
generelles Misstrauensvotum gewertet wissen wollen. Wir wissen aus
telefonischen Rückfragen bei uns, dass das im Hintergrund immer eine Rolle
spielte.
Ich wiederhole: Das gilt nur für
den Fall, dass weniger als vier ausgefüllte Fragebögen vorliegen. Wenn ich in
der Weiterbildung wäre und eventuell in einem familiären oder wirtschaftlichen
Abhängigkeitsverhältnis, wäre ich nicht sicher, selbst wenn ich ein gutes
Verhältnis zu meinem Weiterbilder hätte, ob ich damit einverstanden wäre, dass
mein Name offengelegt wird.
Ich komme zur Zusammenfassung. Als
positive Ergebnisse sind zu nennen: hohe Beteiligung der
Weiterbildungsbefugten; grundsätzliche Zufriedenheit der
Weiterbildungsassistenten mit Weiterbildung; regelmäßige Teilnahme des
Großteils der Weiterbildungsassistenten an Weiterbildungs- und
Fortbildungsveranstaltungen; keine auffälligen Unterschiede zwischen
konservativen und operativen Facharztgruppen; bessere Bewertung ambulanter
Weiterbildungsstätten; Bestnoten für die Allgemeinmedizin; homogene Resultate
in allen Landesärztekammern.
Ich komme zu den kritischen
Ergebnissen der Befragung. Eine Beteiligung der Weiterbildungsassistenten von
33 Prozent muss erhöht werden. Zu fragen ist, ob eine positive Vorselektion der
Teilnehmer stattfindet. Die Vermutung, dass sich nur diejenigen beteiligen, die
ohnehin positiv eingestellt sind, kann man genauso andersherum betrachten:
Eigentlich melden sich bei solchen Befragungen diejenigen, die nicht zufrieden
sind, alle anderen sehen keine Notwendigkeit dafür. Das ist alles Spekulation.
Ein weiteres kritisches Ergebnis
sind die schlechten Durchschnittsnoten für die Kultur zur Fehlervermeidung und
Anwendung evidenzbasierter Medizin.
Kritisch zu sehen ist auch die
Unzufriedenheit der Weiterbildungsassistenten mit ihren Rahmenbedingungen,
während die Lehrinhalte eine positive Beurteilung erfahren.
Ich komme zu den Empfehlungen für
den Befugten. Als Erstes nenne ich die Besprechung des individuellen Berichts
für die eigene Weiterbildungsstätte mit den Weiterbildungsassistenten.
Gegebenenfalls kann auch eine Veröffentlichung erfolgen. Je nachdem kann ein
solcher Bericht dazu dienen, Interessierte für die eigene Weiterbildungsstätte
zu rekrutieren. Ich warne davor – Max Giger hat eine entsprechende Erfahrung
gemacht –, die Ergebnisse als Werbemaßnahme für die eigene Klinik einzusetzen.
Gute Weiterbildung ist nicht gleichbedeutend mit guter Medizin. Das muss in der
richtigen Korrelation veröffentlicht werden.
Nun zu der Frage: Was werden die
Ärztekammern tun? Da nenne ich zuerst das Einwirken auf die
Weiterbildungsbefugten zur Besprechung der Ergebnisse mit den Weiterbildungsassistenten.
Wir werden die Bewertungen einzelner Weiterbildungsstätten analysieren. Wenn es
Auffälligkeiten gibt, werden wir nachfragen. Vielleicht fahren wir auch einmal
vorbei und schauen nach, wie die Situation sich darstellt.
Bei den Sanktionen bei
Nichteinhaltung der Pflichten des Weiterbildungsbefugten muss ich ein
Fragezeichen machen. Da sind wir im Moment noch ein etwas zahnloser Tiger. Wenn
wir die Bestimmung in der Weiterbildungsordnung haben, dass wir die
Weiterbildungsbefugten verpflichten, dann können wir bei Nichteinhaltung
sanktionierend tätig werden.
Die Ärztekammern werden auf eine
verstärkte Beteiligung der Weiterbildungsassistenten und der
Weiterbildungsbefugten an der nächsten Befragungsrunde 2011 hinwirken.
Über die Änderungen der
(Muster-)Weiterbildungsordnung haben wir vorhin diskutiert und beschlossen.
Schließlich ist die Herstellung von
Transparenz der Ergebnisse erforderlich. Wenn die Ergebnisse unter Verschluss
gehalten werden und keine Auswirkungen haben können, kann man die ganze Aktion
eigentlich auch sein lassen. Hier gilt dasselbe wie bei der Qualitätssicherung.
Was
können wir zur Erhöhung der Beteiligung empfehlen? § 5 der (Muster-)Weiterbildungsordnung
haben wir bereits beschlossen. Zu prüfen sind die Möglichkeiten einer direkten
Vergabe der Zugangcodes an die Weiterbildungsassistenten. Diese Prüfung läuft
bei uns mit Hochdruck.
Nach der Befragung 2011 ist eine
Veröffentlichung der Ergebnisse aller Weiterbildungsstätten geplant. Das war
jetzt aus Datenschutzgründen und weil es nicht so vereinbart war, nicht
möglich.
Wir müssen immer wieder den Hinweis
geben: Eine gute Weiterbildung ist ein Wettbewerbsvorteil für die
Weiterbildungsstätte. Dabei geht es um den Wettbewerb bei den Assistenten.
Vielleicht können die Engpässe auf diese Weise gemildert werden.
Ich glaube, aus dem Marburger Bund
kommt die Anregung, dass wir prüfen sollen, auf welchen Versorgungsstufen und
unter welcher Trägerschaft die Weiterbildung stattfindet. Paradoxerweise sind
hier die privaten Träger, die sonst im Fokus der Kritik stehen, vorbildlich.
Die Helios-Kliniken haben eine exzellente curriculäre Weiterbildung. Das gilt
im Übrigen auch für die Fortbildung. Dadurch ist eine enge Bindung der
Assistenten an die Klinik gegeben. Dort hat man erkannt, dass es ein
Wettbewerbsvorteil ist, eine gute Weiterbildung anzubieten. Vielleicht ist das
ein Ansporn für andere, ebenso zu verfahren.
Im Frühjahr 2011 wird eine zweite
Befragung stattfinden.
Informationen zum Projekt finden
Sie unter www.evaluation-weiterbildung.de oder an unserem Informationsstand im
Foyer.
Nun noch, wie angekündigt, zur
„dynamischen Spinne“. Sie steht Ihnen seit Montag im Internet zur Verfügung.
Sie können direkt oder auch über die Bundesärztekammer in die Spinne
hineingehen. Ich nehme als Beispiel die Viszeralchirurgie. Durch entsprechendes
Anklicken können Sie die Werte für Deutschland und beispielsweise
Schleswig-Holstein abfragen. Als Ergebnis sehen Sie, dass die Viszeralchirurgie
in Schleswig-Holstein besser ist als im Bundesdurchschnitt. Aber noch besser
sind die Allgemeinmediziner in Schleswig-Holstein. Das sind interessante
Ergebnisse, die man auf diese Weise eruieren kann.
Möchten Sie, dass ich Ihnen noch
den Befugtenbericht erläutere? – Nein. Dann belasse ich es dabei und freue mich
auf die folgende Diskussion.
Ich danke Ihnen, dass Sie mir so
lange so geduldig zugehört haben.
(Beifall)
Präsident
Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Herzlichen Dank. Das war eine Premiere in
Deutschland. Auch das hat – ich glaube, das sollte man deutlich erwähnen – Herr
Koch, der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, initiiert und gestaltet.
Wir haben ihn gerade angerufen und ihm mitgeteilt, dass Sie im Zusammenhang mit
Tagesordnungspunkt III a eine große Bestätigung seiner Arbeit beschlossen
haben. Er lässt Sie alle herzlich grüßen und hofft, dass er im nächsten Jahr
wieder dabei ist.
Noch einmal vielen Dank, Franz
Bartmann, für diese detaillierte Darstellung.
Der erste Diskussionsredner ist
Frau Christine Hidas aus Hessen.
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