TOP III: (Muster-)Weiterbildungsordnung

Donnerstag, 13. Mai 2010, Nachmittagssitzung

Dr. Bartmann, Referent: Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Jörg Hoppe! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sind 50 Prozent eigentlich viel oder wenig? Richtig: Es kommt darauf an, wie man es sieht. Für die einen ist das Glas noch halb voll, für die anderen leider schon halb leer. Wenn bei einer Umfrage eine Rücklaufquote von 50 Prozent erreicht würde, würde bei vielen Demoskopen der Sekt schon kalt gestellt bzw. die Korken würden knallen, während der Auftraggeber eigentlich 100 Prozent oder gar mehr erwartet hat.

Ich kann Ihnen sagen: Ein Sektkorken ist im letzten Winter in Lübeck geknallt, denn dort wohnt die Mitarbeiterin der Ärztekammer Schleswig-Holstein, die federführend für die Umsetzung der Evaluation in unserem Kammerbezirk verantwortlich war. Als die ersten Rücklaufzahlen von den Weiterbildungsbefugten einliefen, habe ich leichtsinnigerweise gesagt: Wenn mehr als 40 Prozent Rücklaufquote erreicht wird, gibt es Schampus. 40 Prozent wären für mich schon ein respektables Ergebnis gewesen.

Erreicht wurden dann fast 80 Prozent. Wir sind nur knapp an der 80-Prozent-Hürde gescheitert. Das ist ein Ergebnis, das eigentlich nicht mehr zu toppen ist. Es handelte sich ja um eine Umfrage, die Arbeit macht, von der man nichts hat, außer vielleicht ein paar Informationen für sich. Das geht eigentlich freiwillig schon an die Grenzen dessen, was man erwarten kann. Deshalb hat es obendrauf noch einen Blumenstrauß gegeben.

80 Prozent sind viel. Im Schnitt waren es 60 Prozent. Es ging herunter bis zu 30 Prozent. Wir sind so vorgegangen, dass wir alle registrierten Weiterbildungsbefugten und alle jungen Ärztinnen und Ärzte, vor allem solche, die keine Facharztbezeichnung haben, angeschrieben haben. Wir haben die Intentionen mitgeteilt, wir haben einen Zeitplan mitgeteilt. Wir haben beide Gruppen getrennt voneinander zu Informationsveranstaltungen eingeladen.

Das Schreiben an die Weiterbildungsbefugten hat zunächst einmal zu einer dramatischen Verschlankung unserer Statistik geführt, vor allem im niedergelassenen Bereich, weil gerade im niedergelassenen Bereich deutlich mehr als die Hälfte überhaupt nicht mehr aktiv weitergebildet wird. Damit hatten wir aber gerechnet.

Wir haben allerdings nicht damit gerechnet, dass ein Drittel aller Weiterbilder stationärer Einrichtungen zu einer Informationsveranstaltung im Vorfeld dieser Erhebung gekommen sind.

Genau umgekehrt sah die Reaktion bei den Weiterbildungsassistenten aus. Wir haben ungefähr 4 000 Einladungen verschickt. 2 400 wären betroffen gewesen, die tatsächlich in der Weiterbildung waren und hätten antworten können. Zu der Veranstaltung kamen aber nur 49 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – 49 von 2 400.

Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Man kann nicht sagen, dass sie kein Interesse hatten. Die Weiterbildungsbefugten haben natürlich eine viel engere Bindung an die Kammer, sie haben weniger Berührungsängste. Eines kann man, glaube ich, mit aller Vorsicht sagen: dass zumindest in Schleswig-Holstein der Leidensdruck bezüglich der Situation der Weiterbildung bei den Weiterbildungsbefugten nicht viel schwächer sein kann als bei den Weiterbildungsassistenten.

Ich habe in den vergangenen Tagen immer wieder von Fällen gehört, dass Befugte die Teilnahmecodes nicht an ihre Assistenten weitergegeben haben. Das sind sicherlich Fälle, die mehr als einmal vorgekommen sind. Das ist verwerflich, das kann man nicht schönreden. Ich kann aus eigenem Erleben von einem Fall berichten, wo der Weiterbildungsbefugte seinen Assistenten mehrfach um Teilnahme gebeten hat. Ich weiß von anderen Fällen, in denen es ähnlich war. Aber bei uns ist nichts eingegangen.

Ich warne davor, bei der Frage, warum so viele Weiterbildungsbefugte geantwortet haben, aber so wenige Weiterbildungsassistenten, eine verallgemeinernde Antwort zu geben und zu erklären: Ich habe es erlebt, also ist es so. Es bedarf bestimmt noch einer Menge Analysen, bis wir wissen, woran es gelegen hat und wie wir es besser machen können.

Lassen Sie uns die folgenden Zahlen zunächst einmal nüchtern als das nehmen, was sie sind und sein können: ein erstes Ergebnis eines ersten Versuches nach einer im Ausland erprobten und bewährten Methode, einen Überblick über die tatsächliche Situation der Weiterbildung in Deutschland zu gewinnen. Wenn wir das zur Kenntnis genommen haben, Kolleginnen und Kollegen, sollten wir gemeinsam überlegen – auch, aber nicht nur heute –, was man eventuell anders machen kann, damit die Ergebnisse noch repräsentativer werden, damit wir sie in ganz konkretes Handeln umsetzen können.

Diese kurze Vorrede war mir wichtig. Ich warne davor, zu rasch zu urteilen, warum es so gelaufen ist. Wir sollten zuerst schauen, was wir erreicht haben, und dann überlegen, was wir anschließend besser machen können.

Ich habe mein kurzes Referat gegliedert in: Hintergründe der Befragung, Methodik, Darstellung der Ergebnisse, Ergebnisse auf Bundesebene, Zusammenfassung, erste Schlussfolgerungen und weiterer Projektablauf.

Ich komme zu den Hintergründen der Befragung. Wir bekommen immer wieder vermittelt, dass die Qualität der Weiterbildung in Deutschland erhebliche Defizite im Vergleich zum Ausland aufweist. Gerade in Süddeutschland scheint es tatsächlich so zu sein, dass viele Weiterbildungsassistenten in die Schweiz abwandern, weil sie dort eine bessere Weiterbildung erwarten. Bei uns im Norden ist es ganz anders: Bei uns im Norden gehen die fertigen Fachärzte ins Ausland, weil sie dort nach ihrer Weiterbildung bessere Arbeitsbedingungen finden.

Es ging uns darum, einzelne Weiterbildungsstätten zu beurteilen, diese einzelnen Weiterbildungsstätten dann aber auch im Kontext auf Landes- und Bundesebene zu betrachten. Wir wollten Stärken und Schwächen der Weiterbildung aufzeigen.

Wichtig war die Frage: Welches sind die Rahmenbedingungen, unter denen unsere jungen Assistentinnen und Assistenten ihre Weiterbildung erfahren? Gibt es da eventuell Verbindungen?

Wir wollten auch die Entwicklung von Verbesserungspotenzialen betrachten und Strukturkonzepte für die Weiterbildung entwickeln.

Wir haben die bundesweite Evaluation von Weiterbildungsassistenten und Weiterbildungsbefugten nach dem „Schweizer Modell“ durchgeführt. Die Evaluation in der Schweiz, die dort seit 13, 14 Jahren durchgeführt wird, hat einen „Vater“, nämlich Max Giger, der hier anwesend ist.

(Beifall)

Wenn ich von einem guten Weiterbildungsstandard in der Schweiz gesprochen habe, dann hat das vielleicht auch damit zu tun, dass die Schweiz mit Zahlen aufwarten kann. Der Bogen, der bei uns bei den Weiterbildungsassistenten benutzt worden ist, ist, glaube ich, in der Schweiz siebenmal zum Einsatz gekommen. Es ist also nicht so, dass wir ihn erstmals bei uns hatten. Er kam auch 2007 in Hamburg und in Bremen zum Einsatz.

Etwas anders als bei uns ist die Tatsache, dass die Schweiz nicht regelmäßig die Befragungen parallel zu den Weiterbildungsbefugten durchführt. Bis vor einer Woche hatte ich den Eindruck, dass das in der Schweiz überhaupt nicht der Fall ist; das ist aber nicht richtig, sondern gelegentlich wird es doch gemacht.

Die Methodik basierte auf einer Onlinebefragung. Der Zugangscode sollte von den Weiterbildungsbefugten an die Weiterbildungsassistenten weitergegeben werden. Das ist ein Schwachpunkt, der nachher zu diskutieren sein wird. Ich weiß, dass das von vielen als Schwachpunkt erkannt worden ist. Das ist in der Tat eine Schnittstelle, die problematisch ist, zumal beim ersten Mal, wenn die Assistenten das nicht unbedingt abfragen, weil sie nicht informiert wurden, dass so etwas stattfindet.

Es gab 59 Vergleichsgruppen, resultierend aus 51 Gebieten und Schwerpunkten, fünf Basisweiterbildungen, einer großen Gruppe Allgemeinmedizin und einer großen Gruppe niedergelassene Fachärzte. In der Schweiz werden niedergelassene Weiterbildungsstätten nicht beurteilt. Wir hatten uns aber dafür entschieden, weil wir die Weiterbildung im ambulanten Bereich als zukünftig immer wichtiger werdend ansehen, diese Weiterbildungsstätten in die Evaluation mit einzubeziehen.

Das Problem ist, dass dabei relativ kleine Zahlen zustande kommen, wenig Weiterbildungsbefugte bei einer überschaubaren Zahl von Weiterbildungsstätten.

Der Fragebogen enthielt für die Weiterbildungsassistenten 100 Fragen, für die Weiterbildungsbefugten 39 Fragen. Der Einfachheit halber haben wir das Schulnotensystem benutzt, also Noten von 1 bis 6.

Der Befragungszeitraum erstreckte sich vom Juni bis zum September 2009. Wir haben den Zeitraum ein bisschen ausgedehnt, weil die Sommerferien doch eine gewisse Behinderung bedeutet haben.

Wissenschaftliche Begleitung und Datenauswertung erfolgten durch Professor Siegrist von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, der diese Arbeiten auch für die Schweiz durchführt.

Wir haben Fragenkomplexe gebildet. Sie sehen hier die Fragenkomplexe, die sich nur mit der Weiterbildung befassen. Die übrigen Fragenkomplexe beschäftigen sich mit den Rahmenbedingungen ärztlicher Tätigkeit. 28 von 60 Fragen befassen sich mit der Bildung. Das andere sind mehr oder weniger Globalbeurteilungen.

Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt zum einen in einem individuellen Befugtenbericht. Der Weiterbildungsbefugte, der teilgenommen hat, aus dessen Abteilung Rückläufe erfolgten, bekommt einen Bericht, der auf 14 Seiten sehr detailliert die Ergebnisse seiner eigenen Abteilung ins Verhältnis setzt zur Bundes- und Landesebene.

Eine weitere Möglichkeit der Darstellung der Ergebnisse ist die „dynamische Spinne“, auf die ich nachher noch zu sprechen komme. Es gibt 160 000 Möglichkeiten, diese „dynamische Spinne“ mit Daten zu beschicken.

Eine weitere Darstellung der Ergebnisse bietet sich durch die Länder- und Bundesrapporte, die Sie auch jetzt schon über die Homepage Ihrer Landesärztekammer oder der Bundesärztekammer abrufen können.

Von 38 706 registrierten Weiterbildungsbefugten waren zum Zeitpunkt der Befragung nur rund 16 000 aktiv. Mehr als die Hälfte gaben an, derzeit gar keinen Weiterbildungsassistenten zu haben, sei es weil tatsächlich eine Pause war oder weil die Weiterbildungsbefugnis nur einmalig beantragt worden war, um den Sohn oder die Tochter oder den Praxisnachfolger weiterzubilden.

Die Rücklaufquote bei den Weiterbildungsbefugten betrug 60,76 Prozent. Das ist im allgemeinen Vergleich, was man bei Demoskopen erwarten kann, sehr, sehr gut für eine erste Befragung.

Es waren rund 57 000 Weiterbildungsassistenten gemeldet. Knapp 19 000 Rückläufe waren zu verzeichnen. Das ist eine Rücklaufquote von rund 32 Prozent. Damit kann man nicht ganz zufrieden sein, aber ganz so schlecht, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheint, sind weder die absoluten Zahlen noch die Prozentzahlen. Man kommt auf 3,5 Weiterbildungsassistenten pro Weiterbildungsbefugten.

Wir haben aus 59 Vergleichsgruppen Fachrichtungsgruppen gebildet, die jeweils das Gebiet abbilden. Gesondert betrachtet haben wir die Fachärzte für Allgemeinmedizin und die Fachärzte in der ambulanten Versorgung. Das werde ich jetzt – Ihr Einverständnis vorausgesetzt – relativ schnell abhandeln. Die Zahlen scheinen nämlich relativ homogen zu sein.

Die Fachrichtungsgruppe der Anästhesisten erreicht in dem Schaubild als Erste eine Rücklaufquote pro Weiterbildungsstätte von über 40 Prozent. Als Chirurg könnte ich flapsig sagen: Die Anästhesisten haben ja auch Zeit. Auch die Kinder- und Jugendmediziner sowie die Allgemeinmediziner nehmen eine Spitzenstellung ein, und zwar sowohl was die Beteiligung als auch was die Ergebnisse im Einzelnen angeht.

Differenziert man die Teilnahme der Weiterbildungsassistenten nach Geschlecht und Fachrichtungsgruppen, sieht man, dass es nur noch eine einzige Fachrichtungsgruppe gibt, bei der ein deutlicher Männerüberschuss herrscht: Das sind die Chirurgen. In allen anderen Fachrichtungsgruppen führen die Frauen mehr oder weniger stark. Es gibt eine Tendenz zu der Annahme, dass der Effekt dadurch zustande gekommen ist, dass mehr Frauen als Männer geantwortet haben.

Ich komme zu den bundesweiten Mittelwerten der acht Fragenkomplexe. Sie sehen, dass im Schnitt die Mittelwerte, die sich mit Weiterbildung befassen, relativ homogen sind. Sie reichen von einer schlechten 2 bis zu einer guten 3. Ausnahme ist der Fragenkomplex „Anwendung evidenzbasierter Medizin“. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass es in Deutschland an der Anwendung evidenzbasierter Medizin hapert. Dies kann man aber aus der Fragestellung nicht ableiten. Eine der vier Fragen lautete: Ich lerne wissenschaftliche Publikationen zu beurteilen. Das ist ein aktiver Prozess, der tatsächlich einen Lerninhalt hat. Dass das nicht vorkommt, verwundert kaum, weil dafür das Bewusstsein noch gar nicht so entwickelt ist.

Weiter: Suchstrategien, wie in der Literatur die beste Evidenz für oder gegen eine bestimmte Behandlung zu finden ist, werden an unserer Weiterbildungsstätte gelehrt. – Das sollte man sich auch ins Stammbuch schreiben. Es wundert eigentlich nicht, dass das nicht aktiv im Weiterbildungsplan enthalten ist.

Und: Ich lerne, die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie konkret bei der Behandlung eines Patienten anzuwenden. An unserer Weiterbildungsstätte wird gelehrt, wie man praktische Fragen formuliert und wie man diese aufgrund der Literatur beantwortet. – Wenn Sie einmal sehr in sich gehen, müssten Sie wahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen, dass auch Sie dort eine Delle hätten. Das Erstaunliche ist: Nicht nur die Weiterbildungsassistenten sagen das, sondern die Delle ist bei den Weiterbildungsbefugten mindestens genauso groß, sogar noch etwas eindrucksvoller, weil sie sich nämlich in den übrigen Bereichen etwas besser darstellen.

Ich komme damit zur Globalbeurteilung. Die Allgemeinmediziner liegen zwischen 1 und 2. Die Weiterbildung in den Praxen, wo eine 1 : 1- oder 1 : 2-Situation herrscht, wird von den Weiterbildungsassistenten als sehr angenehm und sehr effektiv empfunden. Das zieht sich durch alle Globalbeurteilungen hindurch.

Bei der Vermittlung von Fachkompetenz finden wir sehr homogene Ergebnisse. Es gibt keine signifikanten Unterschiede zwischen konservativen und operativen Fächern. Die Situation hinsichtlich der Lernkultur ist gut, bezüglich der Führungskultur kann man sagen: geht so.

Die Ergebnisse bei der Kultur zur Fehlervermeidung könnten doch noch ein bisschen besser sein. Dort, wo die Musik spielt, gerade in der Chirurgie, gibt es eine deutliche Tendenz in Richtung 2, weg von der 3.

Zur Entscheidungskultur ist zu sagen: Das sind Fragen, die nicht so außerordentlich relevant sind. Daraus abzuleiten, man lerne nicht, zu entscheiden, ist nicht richtig. Das Heranführen an solche Positionen wird bei den kleinen Einrichtungen besonders intensiv praktiziert.

Man sagt immer: Die Betriebskultur ist schlecht. Das stimmt nicht. Die Antworten auf die Fragen, wie man sich im Team aufgehoben fühlt, wie gut die kollegiale Zusammenarbeit ist, sind durch die Bank positiv. In den kleinen Weiterbildungsstätten kommen wir auf Zahlen von knapp über 2 bis zu 1. Die Kollegen unterscheiden zwischen dem, was sie in ihrer Abteilung an interkollegialer Zusammenarbeit erleben, und den Rahmenbedingungen, unter denen alle in gleichem Maße leiden.

Zur evidenzbasierten Medizin möchte ich nicht weiter ausführen.

Damit komme ich zu den Ergebnissen zu weiteren Fragen. Dass der Chefarzt nicht der Aktivste bei der Weiterbildung ist, ist normal. Es ist nicht mehr so wie vor 30 Jahren, dass der Chefarzt von einer Horde Assistenten umgeben ist und der Einzige ist, der wirklich Bescheid weiß. Die Kompetenz ist heute breit verteilt und geht bis hinunter zu den Assistenten, die sich selbst noch in der Weiterbildung befinden.

Was mich stört, ist folgendes Ergebnis. Wir haben 2003 in die Weiterbildungsordnung geschrieben, dass parallel zur Führung eines Logbuchs in der Weiterbildung seitens der Weiterbildungsassistenten der Weiterbildungsbefugte bzw. die Weiterbildungsstätte einen curriculären Weiterbildungsplan vorzulegen hat. Aber was sehen wir hier als Ergebnis auf unsere diesbezügliche Frage? 48 Prozent geben an, keinen strukturierten Weiterbildungsplan zur Kenntnis bekommen zu haben. Die Erklärung dafür ist, dass wir bisher wenige Prüfungen nach durchlaufender Weiterbildung haben, wo wir die Möglichkeit der Nachfrage nach einem solchen Plan hätten. Wir müssen zusehen, dass wir nicht am Nasenring herumgeführt werden. Wenn wir das festlegen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass es befolgt wird.

Dasselbe gilt für die Vereinbarung von Lernzielen. Wenn hier 40 Prozent sagen, davon hätten sie noch nie etwas gehört, ist das beschämend.

Die Tatsache, dass Weiterbildungsassistenten in der Weiterbildung selbst aktiv sind, ist durchaus positiv zu bewerten.

Eine politisch hochinteressante Zahl ist, dass 83 Prozent angeben, dass sie sich regelmäßig darüber hinaus extern fortbilden. Das entspricht unserem Eindruck, dass in der Politik diese Fortbildung nicht richtig wahrgenommen wird.

Nicht besonders positiv ist die Antwort auf die Frage, ob in der vertraglich geregelten Arbeitszeit die Weiterbildung zur eigenen vollen Zufriedenheit erfüllt werden kann.

Es wundert uns nicht, dass 80 Prozent der Weiterbildungsassistenten die Frage bejahen, ob sie Bereitschaftsdienste ausüben. 30 Prozent der Weiterbildungsassistenten sagen, sie könnten nie bzw. sehr selten während des Bereitschaftsdienstes ihre Ruhezeiten einhalten. Wenn sie nach Beendigung ihres Bereitschaftsdienstes weiterarbeiten, üben sie ganz überwiegend ihre reguläre Tätigkeit aus. 90 Prozent machen Überstunden. Bei fast 14 Prozent werden diese Überstunden gar nicht vollständig dokumentiert. Bei 16 Prozent werden die Überstunden nicht ausgeglichen. Das kann man eigentlich nicht glauben, aber warum sollten wir daran zweifeln?

Im Median – das sind keine Prozentzahlen – wurde 2004 das Staatsexamen abgeschlossen. Wer bisher nur 35 Monate in der Weiterbildung tätig war, muss noch etwas anderes gemacht haben. Wahrscheinlich handelt es sich bereits um den zweiten Anlauf. Die Tatsache, dass man im Median 20 Monate an der jetzigen Weiterbildungsstätte tätig ist, bedeutet, dass die meisten bereits gewechselt haben. Wenn man es positiv beurteilt, kann man sagen: Man schaut über den eigenen Tellerrand hinaus.

Damit komme ich zur Anonymität. Die Tatsache, dass 50 Prozent sagen, ihre Antworten dürften auch für eine Rückmeldung an den Befugten der Weiterbildungsstätte und die zuständige Landesärztekammer herangezogen werden, wenn weniger als vier ausgefüllte Fragebögen aus der eigenen Weiterbildungsstätte vorliegen, wird oft als Misstrauensvotum gedeutet. Es ist aber nicht so, dass diese Option allen zur Verfügung stand. Wenn vier oder mehr Meldungen eingegangen sind, ist diese Anonymisierung gar nicht erforderlich. Wenn ich auf irgendeinem Formular gefragt werde, ob ich einverstanden bin, dass meine Daten auch für sonstige Zwecke benutzt werden dürfen, kreuze ich immer an, dass ich damit nicht einverstanden bin. Der Datenschutz ist inzwischen so sensibel, dass man reflexhaft sagt: Wenn schon gefragt wird, sagt man besser Nein. Das würde ich also nicht als generelles Misstrauensvotum gewertet wissen wollen. Wir wissen aus telefonischen Rückfragen bei uns, dass das im Hintergrund immer eine Rolle spielte.

Ich wiederhole: Das gilt nur für den Fall, dass weniger als vier ausgefüllte Fragebögen vorliegen. Wenn ich in der Weiterbildung wäre und eventuell in einem familiären oder wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis, wäre ich nicht sicher, selbst wenn ich ein gutes Verhältnis zu meinem Weiterbilder hätte, ob ich damit einverstanden wäre, dass mein Name offengelegt wird.

Ich komme zur Zusammenfassung. Als positive Ergebnisse sind zu nennen: hohe Beteiligung der Weiterbildungsbefugten; grundsätzliche Zufriedenheit der Weiterbildungsassistenten mit Weiterbildung; regelmäßige Teilnahme des Großteils der Weiterbildungsassistenten an Weiterbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen; keine auffälligen Unterschiede zwischen konservativen und operativen Facharztgruppen; bessere Bewertung ambulanter Weiterbildungsstätten; Bestnoten für die Allgemeinmedizin; homogene Resultate in allen Landesärztekammern.

Ich komme zu den kritischen Ergebnissen der Befragung. Eine Beteiligung der Weiterbildungsassistenten von 33 Prozent muss erhöht werden. Zu fragen ist, ob eine positive Vorselektion der Teilnehmer stattfindet. Die Vermutung, dass sich nur diejenigen beteiligen, die ohnehin positiv eingestellt sind, kann man genauso andersherum betrachten: Eigentlich melden sich bei solchen Befragungen diejenigen, die nicht zufrieden sind, alle anderen sehen keine Notwendigkeit dafür. Das ist alles Spekulation.

Ein weiteres kritisches Ergebnis sind die schlechten Durchschnittsnoten für die Kultur zur Fehlervermeidung und Anwendung evidenzbasierter Medizin.

Kritisch zu sehen ist auch die Unzufriedenheit der Weiterbildungsassistenten mit ihren Rahmenbedingungen, während die Lehrinhalte eine positive Beurteilung erfahren.

Ich komme zu den Empfehlungen für den Befugten. Als Erstes nenne ich die Besprechung des individuellen Berichts für die eigene Weiterbildungsstätte mit den Weiterbildungsassistenten. Gegebenenfalls kann auch eine Veröffentlichung erfolgen. Je nachdem kann ein solcher Bericht dazu dienen, Interessierte für die eigene Weiterbildungsstätte zu rekrutieren. Ich warne davor – Max Giger hat eine entsprechende Erfahrung gemacht –, die Ergebnisse als Werbemaßnahme für die eigene Klinik einzusetzen. Gute Weiterbildung ist nicht gleichbedeutend mit guter Medizin. Das muss in der richtigen Korrelation veröffentlicht werden.

Nun zu der Frage: Was werden die Ärztekammern tun? Da nenne ich zuerst das Einwirken auf die Weiterbildungsbefugten zur Besprechung der Ergebnisse mit den Weiterbildungsassistenten. Wir werden die Bewertungen einzelner Weiterbildungsstätten analysieren. Wenn es Auffälligkeiten gibt, werden wir nachfragen. Vielleicht fahren wir auch einmal vorbei und schauen nach, wie die Situation sich darstellt.

Bei den Sanktionen bei Nichteinhaltung der Pflichten des Weiterbildungsbefugten muss ich ein Fragezeichen machen. Da sind wir im Moment noch ein etwas zahnloser Tiger. Wenn wir die Bestimmung in der Weiterbildungsordnung haben, dass wir die Weiterbildungsbefugten verpflichten, dann können wir bei Nichteinhaltung sanktionierend tätig werden.

Die Ärztekammern werden auf eine verstärkte Beteiligung der Weiterbildungsassistenten und der Weiterbildungsbefugten an der nächsten Befragungsrunde 2011 hinwirken.

Über die Änderungen der (Muster-)Weiterbildungsordnung haben wir vorhin diskutiert und beschlossen.

Schließlich ist die Herstellung von Transparenz der Ergebnisse erforderlich. Wenn die Ergebnisse unter Verschluss gehalten werden und keine Auswirkungen haben können, kann man die ganze Aktion eigentlich auch sein lassen. Hier gilt dasselbe wie bei der Qualitätssicherung.

Was können wir zur Erhöhung der Beteiligung empfehlen? § 5 der (Muster-)Wei­terbildungsordnung haben wir bereits beschlossen. Zu prüfen sind die Möglichkeiten einer direkten Vergabe der Zugangcodes an die Weiterbildungsassistenten. Diese Prüfung läuft bei uns mit Hochdruck.

Nach der Befragung 2011 ist eine Veröffentlichung der Ergebnisse aller Weiterbildungsstätten geplant. Das war jetzt aus Datenschutzgründen und weil es nicht so vereinbart war, nicht möglich.

Wir müssen immer wieder den Hinweis geben: Eine gute Weiterbildung ist ein Wettbewerbsvorteil für die Weiterbildungsstätte. Dabei geht es um den Wettbewerb bei den Assistenten. Vielleicht können die Engpässe auf diese Weise gemildert werden.

Ich glaube, aus dem Marburger Bund kommt die Anregung, dass wir prüfen sollen, auf welchen Versorgungsstufen und unter welcher Trägerschaft die Weiterbildung stattfindet. Paradoxerweise sind hier die privaten Träger, die sonst im Fokus der Kritik stehen, vorbildlich. Die Helios-Kliniken haben eine exzellente curriculäre Weiterbildung. Das gilt im Übrigen auch für die Fortbildung. Dadurch ist eine enge Bindung der Assistenten an die Klinik gegeben. Dort hat man erkannt, dass es ein Wettbewerbsvorteil ist, eine gute Weiterbildung anzubieten. Vielleicht ist das ein Ansporn für andere, ebenso zu verfahren.

Im Frühjahr 2011 wird eine zweite Befragung stattfinden.

Informationen zum Projekt finden Sie unter www.evaluation-weiterbildung.de oder an unserem Informationsstand im Foyer.

Nun noch, wie angekündigt, zur „dynamischen Spinne“. Sie steht Ihnen seit Montag im Internet zur Verfügung. Sie können direkt oder auch über die Bundesärztekammer in die Spinne hineingehen. Ich nehme als Beispiel die Viszeralchirurgie. Durch entsprechendes Anklicken können Sie die Werte für Deutschland und beispielsweise Schleswig-Holstein abfragen. Als Ergebnis sehen Sie, dass die Viszeralchirurgie in Schleswig-Holstein besser ist als im Bundesdurchschnitt. Aber noch besser sind die Allgemeinmediziner in Schleswig-Holstein. Das sind interessante Ergebnisse, die man auf diese Weise eruieren kann.

Möchten Sie, dass ich Ihnen noch den Befugtenbericht erläutere? – Nein. Dann belasse ich es dabei und freue mich auf die folgende Diskussion.

Ich danke Ihnen, dass Sie mir so lange so geduldig zugehört haben.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Herzlichen Dank. Das war eine Premiere in Deutschland. Auch das hat – ich glaube, das sollte man deutlich erwähnen – Herr Koch, der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, initiiert und gestaltet. Wir haben ihn gerade angerufen und ihm mitgeteilt, dass Sie im Zusammenhang mit Tagesordnungspunkt III a eine große Bestätigung seiner Arbeit beschlossen haben. Er lässt Sie alle herzlich grüßen und hofft, dass er im nächsten Jahr wieder dabei ist.

Noch einmal vielen Dank, Franz Bartmann, für diese detaillierte Darstellung.

Der erste Diskussionsredner ist Frau Christine Hidas aus Hessen.

© Bundesärztekammer 2010