Dr. Kajdi, Saarland:
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie heute die Zeitung aufschlagen, werden
Sie zum Ärztetag zwei Schlagzeilen lesen. Die erste lautet: Es gibt nicht mehr
Geld. Die zweite Schlagzeile lautet: Es wird keine Rationierung geben. Ich
finde, es ist wichtig, dass wir bei den Patientenrechten genau über dieses
Thema reden; denn Priorisierung ist ja nichts anderes als Rationierung. Ich
finde es interessant, Herr Montgomery, dass Sie in einem sehr weit gesteckten
Referat sehr viele positive Dinge dargestellt haben, die wir brauchen, dass Sie
aber letztlich alles dadurch zunichte machen, dass Sie die Priorisierung
fordern. Das ist mir auch gestern bei der Eröffnungsveranstaltung aufgefallen,
als der Präsident der Sächsischen Landesärztekammer sprach. Es ist mir auch bei
Herrn Hoppe aufgefallen.
Ich halte das für eine schreckliche
Sache. Ich glaube, dass der Ärztetag hier Farbe bekennen muss, wie er zur
Priorisierung steht. Der Ruf nach der Priorisierung kommt mit dem
fadenscheinigen Argument daher, dass Rationierungsprozesse nicht verschleiert
werden dürfen. Doch eigentlich steckt dahinter, dass die
Rationierungsbefürworter beim Sparen mittlerweile unsicher geworden sind, weil
es um richtige Menschenleben geht. Sie glauben, dass ihre Entscheidung darüber,
wer durch Mangel an Therapie stirbt, legitimer und ethischer wird, wenn sie
sich konsensfähiger Mehrheiten und der Unterstützung durch die Politik
versichert haben.
Letzteres ist gestern dank eines
jungen, klar denkenden Gesundheitsministers politisch erst einmal gescheitert und
steht heute in allen Zeitungen. Die Verteidiger dieses Mängelsystems entrüsten
sich darüber, dass Gesundheit doch keine Ware sei. Sie warnen vor jener
Zweiklassenmedizin, die erst durch ihre Priorisierung entsteht und
beispielsweise den Kassenpatienten gegenüber dem Privatpatienten immer
schlechter stellt, weil Fortschritt und Demografie, die größten Preistreiber in
der Medizin, nicht eingeplant, ja überhaupt nicht einplanbar sind.
Sie lehnen die Steuerungswirkung
von Preisen in einem freien Marktsystem ab, weil ihnen das Belohnungssystem –
sprich: das böse Profitemachen – zuwider ist und sie auf Leistungsbegrenzung –
euphemistisch: Priorisierung – setzen.
Aber nur in einem System, in dem
die Preise bekannt sind, kann man richtig sparen und Knappheit durch
Leistungsausweitung, das heißt durch Belohnung, Konkurrenz und Preisanpassung,
kostengünstig beheben. Das geht nie mit Planwirtschaft.
Dagegen schreiben beispielsweise
Leistungsbegrenzungen oder Budgets unsinnige Leistungen fest und werden immer
restlos ausgeschöpft.
Die Alternative zur unmoralischen
Mangelmisswirtschaft heißt: freier Markt für freie Bürger, die in Fragen von
Leben und Tod ohne Bevormundung selbst entscheiden können müssen, wofür die
Gelder verwendet werden sollen, die sie einzahlen. Nur in einem
funktionierenden, privatwirtschaftlich subsidiären Versicherungssystem mit
Kostenerstattung gibt es eine ethisch saubere und organisatorisch effektive
Lösung für das Knappheitsproblem im Gesundheitswesen.
Priorisierung ist nichts anderes
als der Versuch, eine alte Idee, die Rationierung, mit einem gefälligeren Wort
in die Diskussion zu bringen. Wer Priorisierung will, versündigt sich nicht nur
an einem Grundrecht, nämlich dem Recht auf Selbstbestimmung über das eigene
Leben und die Gesundheit der Bürger in diesem demokratischen Land; er stellt
sich dummerweise auch noch in die historische Reihe jener deutschen Ärzte, die
Patienten in ganz dunklen Zeiten selektioniert haben.
(Buhrufe)
Und dann beklagen sie sich noch,
dass sie öffentlich und zu Recht in den Medien verrissen werden.
Priorisierung ist ethischer und
ökonomischer Unsinn. Nur derjenige, der die Marktwirtschaft nicht verstanden
hat und planwirtschaftlich sozialisiert worden ist – man muss sagen: das sind
alle Ärzte in Ost und West, denn auch das Gesundheitssystem im Westen war
planwirtschaftlich –, kann solche Vorschläge machen.
Marktwirtschaft und nicht die
planwirtschaftliche Mangel- und Misswirtschaft ist die einzige Methode,
Ressourcenknappheit effizient, ganz individuell und human zu beheben. Sie ist
die einzige sinnvolle Form der Allokation von Gesundheitsleistungen, wie wir
Ärzte sie erbringen.
Ich werde einen entsprechenden
Antrag einbringen und hoffe auf Unterstützung bei diesen Patientenrechten gegen
die Priorisierung. Ich brauche noch ein paar Unterschriften.
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Vielen Dank, Herr Kajdi. Wir verstehen unter Priorisierung etwas
völlig Verschiedenes. Das müssen wir wohl sagen.
(Beifall)
Priorisierung und Rationierung in
einen Topf zu werfen, das ist nicht zulässig.
Jetzt gibt es einen Antrag zur
Geschäftsordnung. Bitte.
|