TOP IV: Patientenrechte – Anspruch an Staat und Gesellschaft

Mittwoch, 12. Mai 2010, Vormittagssitzung

Prof. Dr. Frantz, Brandenburg: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin auch für drei Minuten. – Herr Montgomery, Ihren Beitrag will ich ganz anders bewerten als Kollege Dietrich aus Bayern. Ich fand ihn präzise, umfassend, bahnbrechend.

(Beifall)

Ich finde, das ist eine Zusammenfassung des Patient-Arzt-Verhältnisses, wie wir es positiv formulieren sollten. An dieser Stelle müssen wir nicht unser Hemd aufreißen und sagen: Wir sind so fehlsam, es passieren so viele Unglücke. Natürlich passiert das. Wir haben eine ganze Reihe von Regeln und Mechanismen, damit wir dieses zurückdrängen und transparent machen und damit umgehen. Wir müssen nicht an die erste Stelle setzen, wie viele Dinge passieren, die wir alle verhindern wollen.

Ich denke, es gibt einen Schwachpunkt in dem guten Leitantrag des Vorstands. Es ist ein reiner Abwehrantrag: Wir wollen, dass etwas nicht geregelt wird, weil wir mit dem jetzigen Zustand zufrieden sind. Ich denke, wir sollten die Materie positiv angehen: Was wollen wir an einer bestimmten Stelle anders geregelt haben?

Diesen Punkt gibt es. Seit dem 31. Mai 1894 ist gemäß ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts – vom Bundesgerichtshof übernommen –, entgegen der gesamten Rechtslehre, der ärztliche Heileingriff tatbestandsmäßig bis zum heutigen Tag in der Rechtsprechung Körperverletzung. Wenn wir das Patient-Arzt-Verhältnis mit rechtlichem Charakter neu regeln wollen, dann müssen wir diesen Punkt angehen. Es kann nicht wahr sein, dass wir Harakiri begehen, indem der ärztliche Heileingriff weiterhin eine Körperverletzung darstellt und wir beispielsweise eine Beweislastumkehr haben. Dann sind wir in einer Situation, wo man mit strafrechtlicher Konsequenz gegen uns vorgehen kann. Wir haben dann noch nicht einmal die Basisrechte eines normalen Angeklagten bzw. Beschuldigten im Strafprozess.

(Beifall)

Es hat seit dem Zweiten Weltkrieg drei Juristentage gegeben, die Resolutionen angenommen haben, dass das Strafgesetzbuch ergänzt werden soll, dass in den Körperverletzungstatbestand mit aufgenommen wird, dass der ärztliche Heileingriff eben keine Körperverletzung ist. Man muss dann positivrechtlich regeln, dass die Aufklärung des Patienten natürlich eine geschuldete Nebenpflicht des Arztes ist. Das Einholen der Einwilligungserklärung ist eine geschuldete Nebenpflicht des Arztes. Das muss positiv geregelt werden. Das ist auch zu regeln.

Deshalb sollten wir in dieser Diskussion in die Offensive gehen. Lassen Sie uns die Diskussion um die Patientenschutzrechte offensiv angehen, indem wir sagen: Wir wollen, dass der ärztliche Heileingriff tatbestandsmäßig nicht mehr als Körperverletzung gilt, sondern als ein sozial gewünschter Akt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Professor Frantz. – Als nächster Redner Herr Kollege Werner aus Rheinland-Pfalz.

© Bundesärztekammer 2010