Dr. Lipp, Sachsen:
Meine Damen und Herren! Meine Erfahrung als Hausarzt – das sind immer Kasuistiken,
keine Statistiken – ist, dass der schwerkranke Patient, wenn ein Fehler
geschehen ist und er dadurch Schaden genommen hat, in der Regel wenig
Bereitschaft zeigt, zu klagen oder sich etwas aus dem System herauszuholen.
Meistens ist eine Klagebereitschaft dann vorhanden, wenn die Angehörigen
drängen oder wenn irgendwelche Anwälte eine Rolle spielen. Dies zeigt: Wenn der
Patient entsprechend informiert ist, wenn ein gewisses transparentes Vorgehen
vorhanden ist, ist die Klagebereitschaft eher gering.
Damit komme ich zum
Patientenschutz. Mir fehlt bei der ganzen Systematik und der Diskussion
hinsichtlich des Patientenschutzes die Eigenverantwortung des Patienten. Lösen
wir uns doch bitte einmal beim Patientenschutz von dem rein chirurgischen
Defizit, das eventuell aufgetreten ist, das nachweisbar ist. Wir haben genügend
andere Klinikbereiche, in denen dem Patienten ein Schaden zugefügt werden kann.
Dort ist es aus meiner Sicht sehr häufig so, dass die Lebensweise des Patienten
und die Compliance des Patienten den Therapieerfolg verhindern. Solange das
nicht geklärt ist, solange ich also diesen ganzen Komplex der Compliance nicht
mit in den Patientenschutz aufgenommen habe, wo ich nachweisen kann und
vielleicht auch nachweisen muss, dass der Patient für das Nichtgelingen
ärztlichen Handelns mit verantwortlich ist, ist es für mich unmöglich, dass
eine Beweislastumkehr erfolgen kann. Das geht nicht, denn wir können ja gar
nicht die Compliance und die Lebensweise einplanen.
(Vereinzelt Beifall)
Für sehr viele Dinge, die beim
Patienten nicht gut laufen, sind die Patienten selber verantwortlich.
Ich möchte kurz auf die
Ausführungen von Herrn Kajdi eingehen, der vorhin etwas zur Priorisierung
gesagt hat. Es tut mir leid, Herr Kollege, aber das, was Sie gesagt haben, ist
ganz großer Unsinn.
(Vereinzelt Beifall)
In jedem Haushalt, bei jedem
Einkauf, bei jedem Lernen für Prüfungen, im gesamten täglichen Leben findet
Priorisierung statt. Es geht gar nicht anders. In jedem Gesundheitswesen der
Welt, egal wie viel Milliarden Sie hineinpumpen, gibt es immer eine
Priorisierung.
Der Unterschied ist nur, dass man
es transparent machen muss, damit es keine Rationierung wird. Priorisierung
heißt nicht in erster Linie, dass ich darüber entscheide, ob ein Patient etwas
bekommt oder nicht – das ist das Gegenteil von Rationierung –, sondern das
Charmante an der Priorisierung im Gegensatz zur Rationierung besteht für mich
darin, dass ich mit der Priorisierung entscheiden kann: Jeder bekommt das, was
er braucht, aber es wird festgelegt, wann er es braucht. Das ist für mich der
entscheidende Unterschied zur Rationierung. Es geht kein Weg an der
Rationierung vorbei. Diese Diskussion muss geführt werden.
(Beifall)
Präsident
Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Lipp. – Jetzt kommt Frau Dr. Pfaffinger
aus Bayern, die auch einen Antrag gestellt hat. Bitte.
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