TOP IV: Patientenrechte – Anspruch an Staat und Gesellschaft

Mittwoch, 12. Mai 2010, Vormittagssitzung

PD Dr. Scholz, Hessen: Sehr verehrtes Präsidium! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wenn wir über Patientenrechte sprechen, müssen wir uns doch nicht dazu verleiten und dazu hinreißen lassen, so zu tun, als seien die Patienten völlig schutzlos. Ich bitte Sie ganz herzlich, in den Diskussionen nicht entsprechende Vokabeln zu benutzen. Anderenfalls erwecken wir in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass erst recht solche Instrumente gebraucht werden, die schon längst in Gesetzen verankert sind. Das steht doch auch in der Berufsordnung. Es entspricht nicht der Realität, wenn wir so tun, als sei uns der Patient völlig schutzlos ausgeliefert.

Natürlich muss der Patient vor Behandlungsfehlern geschützt werden. Aber das Nichtstun wird immer häufiger ein Problem. In Gutachter- bzw. Schlichtungskommissionen taucht jetzt immer häufiger die Klage auf: Dieses und jenes ist gar nicht gemacht worden. Oder es heißt beispielsweise: Ich bin da nicht drangekommen. Hier ist die Politik in der Pflicht, die das sehr einfach abgewälzt und den Ärzten aufoktroyiert hat. Das ist sicher keine Entschuldigung dafür, dass man als Chefarzt auf der Intensivstation aus ökonomischen Gründen Wunden mit Zitronensaft behandelt.

Das Nichtstun aus lauter Angst stellt ein immer größer werdendes Problem dar. Hier spielt natürlich die Rationierung eine Rolle.

Es ist vorhin schon angesprochen worden: Es ist wunderbar, wenn sich das alles marktwirtschaftlich orientiert. Ich rate Ihnen davon ab, dem hinterherzulaufen. In Amerika kann man sehen, was der Markt bewirkt. In Louisiana hat man beispielsweise durch die hohen Prämien auf riesigen Flächen keinen einzigen Gynäkologen. Das müssen wir der Öffentlichkeit verdeutlichen. Die Ärzte werden sich von risikobehafteten Handlungen zurückziehen und den Patienten  nicht mehr zur Verfügung stehen. Wenn keine Ärzte zur Verfügung stehen, ist das ebenfalls ein schlimmer Fehler. Unter der farbigen Bevölkerung in Louisiana haben Sie – entschuldigen Sie, wenn das wie Rassismus klingt – bei der Geburtensterblichkeit Raten wie inzwischen in Sri Lanka. Dahin möchte ich nicht kommen.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Allenfalls zum Urlaub. – Jetzt bitte Herr Kollege Pickerodt aus Berlin.

© Bundesärztekammer 2010