TOP IV: Patientenrechte – Anspruch an Staat und Gesellschaft

Mittwoch, 12. Mai 2010, Vormittagssitzung

Dr. Pickerodt, Berlin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der letzte Satz in Ziffer I des Vorstandsantrags lautet:

Rationierung führt zu einem System der ungleichen Verteilung von Gesundheitschancen.

Ich möchte Ihnen folgendes Beispiel nennen. Wenn Sie in Berlin-Zehlendorf am U-Bahnhof Krumme Lanke in die U-Bahn steigen, sinkt die durchschnittliche Lebenserwartung der Bevölkerung um die jeweiligen Bahnhöfe herum pro Bahnhof um vier Monate. Das hat nichts mit Rationierung zu tun. Das ist die gegenwärtige Realität; das haben wir auch schon einmal auf einem Deutschen Ärztetag diskutiert.

Wir wissen gar nicht genau, warum das so ist, aber mit Rationierung hat das nichts zu tun. Das Beispiel stammt von Ellis Huber. Ich finde, es ist ganz plastisch.

Unter Ziffer II fordert der Vorstand die verlässliche Sicherung von grundlegenden Patientenrechten. Als zweites Patientenrecht wird aufgeführt:

Der Patient hat Anspruch auf die freie Arztwahl.

Gehen Sie einmal als Normalversicherter in eine ganz normale Klinik und sagen Sie: Ich habe freie Arztwahl. Man wird Sie auslachen. Sie haben keine freie Arztwahl. Es wäre schön, wenn es so etwas gäbe, vor allem wenn irgendeine Form von persönlicher Kommunikation zwischen den Ärzten und ihren Patienten überhaupt noch möglich wäre. Die Kommunikation läuft über Computerprogramme und nicht mehr über persönliche Gespräche.

Der vierte Punkt lautet:

Der Patient hat Anspruch auf Wahrung des Patientengeheimnisses.

Wir alle kennen die Beispiele vom Intranet großer Klinikverbünde, wo fast jeder hineinkommt und jede Krankengeschichte eines jeden Patienten nachlesen kann. Herr Montgomery, hier gilt es wirklich, dafür zu sorgen, dass solche Dinge verhindert werden.

(Beifall)

Punkt 6 lautet:

Der Patient hat Anspruch auf eine solidarische Krankenversicherung …

Jawohl, der Patient hat diesen Anspruch. Die Realität sieht aber anders aus. Wenn man den Äußerungen des Referenten zu diesem Punkt in den diversen Talkshows folgt, hat er sie noch weniger, weil Herr Montgomery ein vehementer Verfechter einer unsolidarischen Finanzierung des Systems durch eine Kopfpauschale ist. Das wollen wir nicht.

Danke.

(Vereinzelt Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank. – Der nächste Redner ist der Präsident unserer gastgebenden Landesärztekammer, Herr Professor Schulze. Wir bedanken uns noch einmal für die fulminante Eröffnungsveranstaltung von gestern.

(Beifall)

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