TOP IV: Patientenrechte – Anspruch an Staat und Gesellschaft

Mittwoch, 12. Mai 2010, Vormittagssitzung

Dr. Pilz, Bayern: Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich melde mich zu Wort, weil der Begriff der Solidarität nicht nur hier, sondern heutzutage überall inflationär verwendet wird. Der Begriff der Solidarität ist keine Erfindung der Bismarck’schen Sozialreformen, sondern ist ein Begriff der Französischen Revolution. Die Väter der Französischen Revolution verbanden mit dem Gedanken der Solidarität zwei Dinge. Sie haben bei der Französischen Revolution grundsätzlich mit großen Verlusten im Kampf gegen die Aristokratie gerechnet. Daher sollte die Gemeinschaft das Individuum und seine Familie schützen. Im Umkehrschluss sollte aber auch das Individuum die Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen.

Heute wird die Solidarität als eine maßlose Anspruchshaltung weiter Teile der Bevölkerung betrachtet. Es wird aber nicht eingefordert, dass das Individuum seinerseits eine Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft hat.

Ich bin kein FDP-Mitglied und bin auch nicht der Meinung, dass die Kopfpauschale alle unsere Probleme lösen wird, schon gar nicht im Gesundheitswesen. Aber denjenigen, die meinen, dass jede Veränderung ein Problem und ein unsolidarisches Vorgehen darstellt, möchte ich ein konkretes Beispiel aus der täglichen Praxis entgegenhalten, weil ich das Gefühl habe, dass viele Leute mitdiskutieren, die von der täglichen Praxis nur bedingt Ahnung haben. Ich behandele ein Vorstandsmitglied eines großen Münchener Automobilunternehmens für 21 Euro im Regelleistungsvolumen genauso wie den jungen Polizeibeamten aus dem Bayerischen Wald, der nach München versetzt wird, in die teure Stadt, für den es durchaus ein beträchtliches Problem ist, eine GOÄ-Rechnung zu bezahlen. Wer meint, dass dieses System solidarisch und sozial gerecht sei und jegliche Veränderung unsozial wäre, erkennt meines Erachtens überhaupt nicht die Realitäten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank. – Zum Schluss jetzt Frau Dr.
Gitter aus Bremen.

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