TOP IV: Patientenrechte – Anspruch an Staat und Gesellschaft

Mittwoch, 12. Mai 2010, Vormittagssitzung

Dr. Liese, Referent: Vielen Dank, Herr Professor Hoppe. – Ich kann es ganz kurz machen, weil sich, wenn ich es richtig sehe, nur fünf Redner auf meine Ausführungen bezogen haben. Frau Dr. Pfaffinger hat über die Information von Patienten gesprochen. Das halte ich in der Tat für einen Schlüssel, um unser Gesundheitswesen zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Wir diskutieren das im Moment sehr stark beim Thema Arzneimittel. Wir wollen das System umkehren: vom Recht der Industrie, Werbung zu machen, hin zum Recht des Patienten, sich zu informieren. Natürlich muss der Arzt, gerade bei verschreibungspflichtigen Medikamenten, im Mittelpunkt stehen. Er ist der wichtigste Ansprechpartner. Ich glaube, auch für Ärzte wäre es gut, wenn wir mehr unabhängige Datenbankinformationen bekämen, wo sich der Patient weiter informieren kann, wo er Fragen beantwortet bekommt, die man im Arzt-Patient-Gespräch aus Zeitgründen nicht so schnell beantworten kann. Wir arbeiten daran. Wir sind für jede Anregung dankbar. Das kann man dann auch ausweiten auf andere Fragen der Patienteninformation.

Frau Professor Dr. Henneberg und Herr Dr. Marx haben das Thema Patientenorganisationen und Finanzierung durch die pharmazeutische Industrie angesprochen.

Frau Professor Henneberg hat betont, man solle die Patientenorganisationen nicht verteufeln. Wenn jemand den Eindruck gehabt haben sollte, dass ich sie generell verteufele, dann ist dieser Eindruck sicherlich falsch. Ich habe mit vielen Patientenorganisationen gut zusammengearbeitet. Ich bin beispielsweise auch Schirmherr der Morbus Gaucher Gesellschaft. Ich weiß, dass es manchmal notwendig ist, bestimmte Dinge von der Industrie finanzieren zu lassen. Das ist an sich nichts Schlechtes. Wenn es sich allerdings nur um eine einzige Firma handelt, wird das Abhängigkeitsverhältnis sehr groß. Es muss natürlich auch Transparenz gegeben sein.

Wir arbeiten gemeinsam mit Kommissar Dalli an einem Modell, mit dem wir versuchen wollen, die Patientenorganisationen in Europa besser zu unterstützen, und zwar durch eine zum Teil völlig unabhängige Finanzierung. Wenn die Industrie einen Beitrag leistet, soll die Industrie im Einzelfall aber nicht darüber entscheiden, was eine Organisation machen darf. Vielleicht schalten wir einen Pool vor, damit die Unabhängigkeit einer Organisation von einer einzigen Firma sichtbar wird. Anderenfalls ist es auch bei gutem Willen so, dass das zum Sprachrohr wird.

Herr Dr. Scholz hat die Gefahr des Nichtstuns vor lauter Angst gegenüber Haftungsansprüchen angesprochen. Das scheint mir ein zentraler Punkt zu sein, den wir in der Argumentation ganz deutlich unterstreichen müssen. Das hat in Europa dazu geführt, dass wir eben keine Umkehr der Beweislast im europäischen Recht haben wollen.

Es gibt einzelne Länder, die das ansatzweise versucht haben. Sie hatten dann aber auch die Probleme, die ich angesprochen habe. Ich möchte nochmals unterstreichen: Den Patienten ist nicht geholfen, wenn man durch eine zu starke Haftungsregelung am Ende dann der bessere Arzt ist, wenn man gar nicht handelt. Das ist sicherlich ein ganz wichtiger Punkt, der noch nicht in alle Köpfe Eingang gefunden hat.

Herr Dr. Mälzer hat das Thema Freizügigkeit angesprochen und gesagt: Im Moment gibt es die Finanzierung medizinischer Leistungen im Ausland bei Notfällen. Das ist richtig. Die Richtlinie, über die ich gesprochen habe, will genau das herbeiführen, was Herr Dr. Mälzer fordert, nämlich dass beispielsweise ein Patient, der in Großbritannien über ein Jahr lang auf einen notwendigen Eingriff, beispielsweise eine Hüft-endoprothese, warten muss, dies demnächst in Deutschland oder in einem anderen europäischen Land erledigen lassen kann und das britische Gesundheitssystem dafür bezahlt. Das wurde von der Europäischen Kommission vorgeschlagen.

(Beifall)

Das ist vom Europäischen Parlament unterstützt worden. Nun brauchen wir die Zustimmung des Ministerrats. Deutschland ist dafür, die europäischen Ärzte sind dafür. Ich unterstütze deshalb den Antrag, den Herr Dr. Mälzer eingebracht hat. Allerdings bitte ich darum, ihn zu präzisieren. Wie beim Thema Organspende sollte man nicht generell die europäischen Gremien ansprechen, sondern diejenigen, die im Moment noch blockieren. Das sind diejenigen Mitgliedstaaten im Ministerrat, die das noch nicht unterstützt haben.

Ein Aufruf an das Europäische Parlament und die Europäische Kommission ist also nicht erforderlich. Hier kann man sagen: Es sind die richtigen Beschlüsse gefasst worden. Der Aufruf muss sich an die Mitgliedstaaten richten, die dieses im Moment blockieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Kollege Liese.

Meine Damen und Herren, wir haben nun 12.30 Uhr. Normalerweise steht jetzt die Mittagspause bis 14 Uhr an. Es sind ganz frische Anträge zum Thema eingetroffen. Ich habe mit Frank Ulrich Montgomery gesprochen und mache folgenden Vorschlag: Wir drucken diese Anträge noch um und legen sie Ihnen auf Ihren Platz. Herr Montgomery hält sein Schlusswort um 14 Uhr, wenn wir wieder zusammenkommen. Anschließend treten wir in die Abstimmung über die Anträge zum Tagesordnungspunkt IV ein. Anschließend schließen wir den Tagesordnungspunkt I ab. Daran anschließend rufen wir das Thema Versorgungsforschung auf.

Sind Sie damit einverstanden?

(Beifall)

– Vielen Dank. Dann machen wir jetzt eine Pause bis 14 Uhr.

2. Tag: Mittwoch, 12. Mai 2010
Nachmittagssitzung

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Meine Damen und Herren! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Wir hatten ja vor der Mittagspause vereinbart, dass wir jetzt das Schlusswort von Frank Ulrich Montgomery hören. Er wird auch gleich auf die Anträge eingehen und sie Ihnen vorstellen. Anschließend werden wir in die Abstimmung eintreten. Bitte, Herr Montgomery.

© Bundesärztekammer 2010