TOP V: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 14. Mai 2010, Vormittagssitzung

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Jetzt wechseln wir zu dem prickelnden Thema „Transplantationsmedizin“. Dazu liegt der Antrag V-59 vor:

Der 113. Deutsche Ärztetag befürwortet ein gleichzeitiges, zweigleisiges Vorgehen zur Optimierung der Organspende. Neben der Intensivierung der bereits eingeleiteten strukturellen, organisatorischen und finanziellen Maßnahmen muss eine zeitnahe neue gesetzliche Regelung im Sinne der Widerspruchslösung angestrebt werden.

Widerspruchslösung bedeutet, dass man – wie in Österreich – nicht mehr gefragt wird, sondern sich von vornherein selbst erklären muss, dass man nicht Organspender sein möchte.

Gibt es eine Gegenrede? – Frau Dr. Wenker.

Dr. Wenker, Vorstand der Bundesärztekammer: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine rein formale Gegenrede. Ich bitte Sie, diesen Antrag an den Vorstand zu überweisen. Warum? Hinsichtlich des Ziels ist der Antrag uneingeschränkt zu begrüßen, nämlich bei einem eklatanten Organmangel eine Förderung der postmortalen Organspende herbeizuführen. Ich denke, das müssten wir alle wollen. Ob der Weg über die Zustimmungs- oder die Widerspruchslösung gehen soll, wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Wir haben vor drei Jahren auf dem Deutschen Ärztetag in Münster einen Antrag an den Vorstand überwiesen, der lautet:

Die Bundesärztekammer wird um Prüfung der Vor- und Nachteile einer gegebenenfalls modifizierten Widerspruchslösung zur Organspende gegenüber der geltenden erweiterten Widerspruchslösung gebeten.

Antragsteller war unter anderem der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Herr Dr. Windhorst. Herr Dr. Windhorst ist ad personam in der Ständigen Konferenz „Organtransplantation“ bei der Bundesärztekammer und ist dort in einer Arbeitsgruppe zur Förderung der postmortalen Organspende.

Das heißt, das Thema wird dort intensiv diskutiert. Es gibt naturgemäß bei dieser ethisch sehr schwierigen Situation einen längeren Abstimmungsprozess. Aber das Thema ist bereits dort, wohin es gehört. Insofern wäre es gut, wenn Sie diesen Antrag ebenfalls dorthin überweisen würden. Dann können wir damit weiter umgehen.

(Vereinzelt Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Das ist ein Überweisungsantrag. – Gibt es eine Verteidigungsrede zu diesem Antrag? – Bitte schön.

MD Dr. Breu, Bayern: Ich bin der Antragsteller. Ich spreche natürlich gegen die Vorstandsüberweisung. Sie haben gerade gehört: 2007 haben wir uns mit diesem Thema auseinandergesetzt. Damals hat der Nationale Ethikrat in seinem Zehnjahresresümee herausgefunden, dass es zwei Gründe gibt, warum wir so wenig Organspender haben. Der eine Grund sind rein organisatorische Gründe, der andere Grund ist ganz klar die derzeit bestehende strenge gesetzliche Regelung, nämlich die erweiterte Zustimmungsregelung.

Schauen Sie einmal, was in den letzten Jahren alles passiert ist. Es ist sehr viel Geld in das System gesteckt worden. Es gab Motivationskampagnen in den Krankenhäusern. Wir haben die Strukturen verbessert, aber trotzdem nahm die Zahl der Organspenden von 2007 mit 4 170 auf 3 890 in 2009 deutlich ab.

Es gibt Verlaufsstudien aus Österreich, Portugal und Singapur. Überall dort, wo die Widerspruchsregelung eingeführt wurde, sind die Organspenderzahlen deutlich gestiegen. In Europa gibt es fünf Länder, die sich eine erweiterte Zustimmungsregelung leisten so wie wir. Trotz aller Bestrebungen sind wir weit von den Spenderraten der elf weiteren europäischen Länder mit Widerspruchsregelung entfernt.

Wir beschäftigen uns intensiv damit. Das Bundesgesundheitsministerium hat zwei Jahre geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Konsens besteht. Die Länder verhalten sich uneinheitlich. Selbst die DSO hat eine uneinheitliche Meinung. Auch unsere Ärztekammer prüft in der Ständigen Konferenz seit zwei Jahren, wie es weitergehen kann.

Jeden Tag sterben drei Menschen, weil wir nicht genügend Organspenderausweise haben. Ich glaube nicht, dass wir Ärzte es uns noch länger leisten können, hier zu warten. Deswegen bitte ich Sie, meinem Antrag zuzustimmen.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank, Herr Kollege Breu. – Formal ist die Überweisung beantragt. Darüber stimmen wir ab. Wer möchte der Überweisung zustimmen? – Wer ist gegen Überweisung? – Das sind mehr. Ich frage: Wer ist für den Antrag 59? – Wer ist gegen den Antrag 59? – Das Erste war die deutliche Mehrheit. Damit ist der Antrag angenommen.

(Beifall)

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