TOP I: Forderungen und Vorschläge der Ärzteschaft für die Gesundheitsreform 2003

Dienstag, 18. Februar 2003

Berlin, Axica Kongress- und Tagungszentrum, Nachmittagssitzung

Dr. Gitter, Bremen:

Frau Vizepräsidentin! Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Man liest und hört immer wieder, hier säßen nur Funktionäre, die ihre eigenen Interessen verteidigen. Das tue ich nicht. Ich bin Mutter einer siebenjährigen Tochter und Oberärztin in einer kinderchirurgischen Klinik. Ich bin im Anschluss an meinen regulären Tagesdienst - den Nachtdienst hat freundlicherweise ein Kollege übernommen - nach Berlin gefahren, um hier eine Funktionärstätigkeit wahrzunehmen. Ich empfinde die eben beschriebenen Behauptungen als diffamierend.

(Beifall)

Ich möchte klarstellen, was wir meinen, wenn wir von überbordender Bürokratie sprechen. Ich habe hier drei Bücher, die mittlerweile zur wichtigsten Fachliteratur von Krankenhausärztinnen und -ärzten in Deutschland geworden sind. Es handelt sich um die „Deutschen Kodierrichtlinien“, die „Richtlinien für die Kodierung von Operationen“ und die „Richtlinien für die Kodierung von Diagnosen“. Das muss jeder deutsche Krankenhausarzt beherrschen und im täglichen Leben anwenden. Auf diese Weise werden pro Arzt und Tag 30 bis 60 Minuten verschwendet. Diese Bürokratie dient der Patientenversorgung überhaupt nicht.

(Beifall)

Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, möchte ich einiges zitieren, damit verstanden wird, was ich meine. In den „Deutschen Kodierrichtlinien“ heißt es unter „Allgemeine Kodierrichtlinien für Krankheiten“:

Die Auflistung der Diagnosen bzw. Prozeduren liegt in der Verantwortung des behandelnden Arztes. Vor der Kodierung jeglicher aufgezeichneter Diagnose bzw. Prozedur müssen die Informationen anhand der Krankenakte nachgeprüft werden ... Der behandelnde Arzt ist verant­wort­lich für ... die Klärung von Diskrepanzen zwischen Un­ter­suchungs­befunden und klinischer Dokumentation.

Ich könnte seitenweise so fortfahren. Unter der Überschrift: „Sich anbahnende oder drohende Krankheit“ heißt es:

Wenn eine drohende oder sich anbahnende Krankheit in der Krankenakte dokumentiert, aber während des Krankenhausaufenthalts nicht aufgetreten ist, muss in den ICD-10-Verzeichnissen (s. a. DKR D013a Im Systematischen Verzeichnis verwendete formale Vereinbarungen (Seite 25) und DKR D014a Im Alphabetischen Verzeichnis und im ICD-10-Diagnosenthesaurus verwendete formale Vereinbarungen (Seite 29)) festgestellt werden, ob die Krankheit dort als sich „anbahnend“ oder „drohend“ unter dem Hauptbegriff oder eingerückten Unterbegriff aufgeführt ist.

Hier sind die Rationalisierungsreserven im Gesundheitswesen!

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe,
Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Frau Gitter. Es geht doch nichts über das lebendige Beispiel. Da kann man theoretisch so viel reden, wie man will. - Wir hören nun Herrn Mehmet Gövercin. Er wird uns als geladener Gast über einen Arbeitstag aus der Sicht eines Arztes im Praktikum berichten. Bitte schön.

© 2003, Bundesärztekammer.