TOP I: Forderungen und Vorschläge der Ärzteschaft für die Gesundheitsreform 2003

Dienstag, 18. Februar 2003

Berlin, Axica Kongress- und Tagungszentrum, Nachmittagssitzung

Dr. Dehnst, Westfalen-Lippe:

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal auf die Qualität in der Medizin zu sprechen kommen. In der Ärzteschaft wurden insbesondere unter Federführung der Selbstverwaltungsstrukturen Qualitätssicherungsmodelle und Qualitätsmanagement­werk­zeuge entwickelt und gelebt, lange bevor die Gesetzgebung auf diese Themen aufmerksam wurde. Mit Stolz dürfen wir feststellen, dass Qualitätsmana­ge­ment­instrumente wie zum Beispiel der Regelkreis des TDCA-Zyklus schließlich sogar Eingang in die Gesetzgebungsstrukturen fanden.

An der mangelhaften, teils satirischen Ausführung des politischen Handwerks hat dies leider nichts geändert, wie die verlorenen Jahre zeigen, in denen Gesundheitspolitiker eine suffiziente und zukunftsfähige Gesundheitsstrukturreform nicht auf den Weg brachten, und wie die Schludrigkeit zeigt, mit der die als Gesundheitsreform 2000 bezeichnete Gesetzesvorlage verabschiedet werden sollte und am 4. Novem­ber 1999 trotz Unterbrechung der Bundestagsdebatte als unvollständiger Gesetzes­text beschlossen wurde.

In dieser Tradition schlägt die Bundessozialministerin ein Deutsches Zentrum für Qualität in der Medizin als Eckpunkt einer Gesundheitsstrukturreform vor, gerade so, als gäbe es unter der Ärzteschaft nicht eine lange Tradition des Bemühens um Qualität in der Medizin unter Ärztinnen und Ärzten, von Theodor Billroth bis zu modernen Qualitätssicherungs- und Qualitätsmanagementmodellen; als gäbe es nicht die AWMF, die AQS, die ÄZQ, die BQS, die KTQ, die Nationalen Leitlinienprogramme der Bundesärztekammer, die GQMG; als gäbe es nicht Hunderte von Qualitätszirkeln niedergelassener und in der stationären Versorgung tätiger Ärzte; als gäbe es nicht Qualitätsmanagementmodelle mit Zertifizierungs­verfahren für die ambulante und die stationäre Versorgung, die auch gelebt werden.

Ich sage dem Zentrum, sollte es tatsächlich institutionalisiert werden, das erfolgreiche Scheitern voraus. Es wird erfolgreich sein, weil es erfolgreich sein muss. Alles andere können sich die politischen Urheber nicht erlauben. Es wird scheitern, weil es als Instrument der Mangelverwaltung das Qualitätsmanagement zur Sparmaßnahme degradiert. Es wird scheitern, weil wir in Zeiten einer überbordenden Verwaltung leben, in denen Kodieren und Dokumentieren wichtiger sind, als zu diagnostizieren und zu therapieren. Es wird scheitern, weil die Qualitätssicherung eine innerärztliche Aufgabe ist, die einen freien Raum benötigt, eine Zone des Vertrauens benötigt und frei sein muss von Staatsdirigismus.

Es wird scheitern, weil es hier einen Widerspruch gibt zwischen Intention und Organisationsform. Es wird scheitern, weil die Politik die Effizienz bestehender Systeme unterminimiert und zerstört, indem sie in diese besetzten Räume eindringt. Es wird gleichzeitig Dilettantismus symbolisieren, weil die Qualität nicht verbessert werden wird und weil die medizinische Versorgung auch ökonomisch nicht verbessert werden wird.

Enden möchte ich nicht ohne den Hinweis, dass ich im Übrigen der Meinung bin, dass der Arzt im Praktikum abgeschafft werden muss: ceterum censeo medicum in practicum esse abolendum.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe,
Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Herr Kollege Dehnst. - Bevor der nächste Redner das Wort erhält, hat das Wort zur Geschäftsordnung der Kollege Krömer aus Nordrhein. Bitte schön.

© 2003, Bundesärztekammer.