Eröffnungsveranstaltung

Dienstag, 19. Mai 1998, 15.00 Uhr

Gürzenich der Stadt Köln
(Musikalische Umrahmung: Ursula Schoch)

Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Ärztekammer Nordrhein:

Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr geehrten Herren! Der diesjährige 115. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie wurde in der Staatsoper Unter den Linden in Berlin Ende April musikalisch umrahmt vom elfköpfigen Blechbläserensemble der Berliner Philharmoniker, die nicht etwa Militärmusik, sondern weihevolle und festliche Musikbeiträge darboten. Kurz zuvor hat die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin anläßlich der Eröffnung ihrer 104. Tagung in Wiesbaden das Bläserensemble Amade, das aber fast nur mit Holzbläsern besetzt ist, Harmoniemusik aufführen lassen. Ich finde, beide Gesellschaften haben damit den jeweils für sie richtigen Ton getroffen.

Ich hoffe sehr, daß Sie dies auch von der soeben verklungenen Chaconne aus der II. Partita d-Moll für Violine solo von Johann Sebastian Bach, in einmaliger Weise dargeboten von Frau Ursula Schoch - sie ist auf dem Wege zur Konzertmeisterin -, im Hinblick auf die Eröffnungsveranstaltung des 101. Deutschen Ärztetages sagen werden, etwa in dem Sinne, daß die deutsche Ärzteschaft mit einer Stimme spricht, wobei wir sicherheitshalber aber ein Musikstück gewählt haben, das gespickt ist mit Doppelgriffen.

(Beifall - Heiterkeit)

Denn eine einheitliche Meinung innerhalb der deutschen Ärzteschaft zu allen Themen kann es nicht mehr geben. Was wir aber erreichen müssen, ist ein überwiegender Konsens zu den verschiedenen Themenfeldern, damit die Stimme der deutschen Ärzteschaft im politischen und gesellschaftlichen Konzert nicht untergeht. Das gilt insbesondere für die Grundlagen unseres Berufes sowie hoffentlich auch noch lange für ein einheitliches Berufsbild und vor allem für die ethischen Normen dieses Berufsbildes. Die Arbeit in unseren Selbstverwaltungskörperschaften, freien Verbänden, wissenschaftlichen Gesellschaften und Berufsverbänden ist ja in den letzten Jahren zunehmend politischer, teils auch gewollt politisierter geworden, was notwendigerweise immer formalisiertere Entscheidungs- und Administrationsprozesse zur Folge hat. Ich vermute, daß dieser heute beginnende 101. Deutsche Ärztetag, insbesondere nach dem Ablauf der Vorveranstaltungen, davon eine besonders augenfällige Kostprobe abgeben wird.

So darf ich Sie alle sehr herzlich im Namen der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte, unserer nordrheinischen Ärztekammer und des Kammervorstandes hier in Köln im - etwas anders - wiederhergerichteten Gürzenich willkommen heißen. - Diejenigen, die es von früher kennen, wissen, daß an dieser Stelle vorher kein Vorhang war, sondern eine sehr schöne Orgel.

Köln ist eine Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern, darunter 170 000 Migrantinnen und Migranten aus mehr als 185 Ländern dieser Erde. Das hat mir Dr. Mitrenga beigebracht, unser örtlicher Kammervorsitzender. Ich finde, das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: unter einer Million Einwohnern 170 000 Menschen aus 185 Ländern der Welt, die hier leben.

Wie Sie wissen, liegt Köln - ich empfinde das jedenfalls so - im Herzen einer mehr als zehn Millionen Einwohner umfassenden Rhein-Ruhr-Metropole mit einem Wissenschafts- und Kulturangebot, welches sich mit dem jeder der großen Ballungsräume und Weltstädte messen kann. Unsere ärztlichen Körperschaften und Verbände sind damit keineswegs irgendwo in der Provinz, sondern in einem Schmelztiegel voller Kreativität beheimatet.

Wie immer, so darf ich mir auch dieses Jahr erlauben, einige Damen und Herren persönlich willkommen zu heißen, obwohl sie alle in dem Heft aufgeführt sind, das auf Ihren Sitzen ausliegt. Ich kann nicht alle, die in diesem Heft stehen, besonders begrüßen, will es aber bei einigen tun, weil es nicht selbstverständlich ist, daß sie uns die Ehre ihrer Anwesenheit geben.

An erster Stelle begrüße ich den zum sechsten Mal in Folge zu uns gekommenen Bundesgesundheitsminister und Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Herrn Horst Seehofer. Sehr geehrter Herr Bundesminister, herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich möchte Sie nicht nur willkommen heißen, sondern Ihnen auch gratulieren. Vielleicht wissen es noch nicht alle, daß Sie in dieser Woche der am längsten amtierende Bundesgesundheitsminister seit Schaffung dieses Amtes - das ist nicht ab 1945 zu rechnen, denn einige Zeit haben dieses Amt andere mitgemacht - sind. Dazu gratulieren wir sehr herzlich, denn das ist eine Kunst; das muß man sehen.

(Beifall)

Als weitere Abgeordnete unseres Bundestages darf ich willkommen heißen: Herrn Dr. Hans-Hinrich Knaape,

(Beifall)

Herrn Wolfgang Lohmann, der kommen will, aber signalisiert hat, daß es ein paar Minuten später werden könnte - das ist es offenbar geworden -, und natürlich Herrn Dr. Dieter Thomae, den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Weil ich ihn eben entdeckt habe und er so viele Male bei uns war, heiße ich auch Herrn Cronenberg, ehemaliger Vizepräsident des Deutschen Bundestages, herzlich bei uns willkommen. Wir freuen uns, daß Sie dieses Jahr wieder hier sind. Das gilt auch für unseren Kollegen Dr. Becker, ebenfalls früherer Bundestagsabgeordneter. Beide sind uns herzlich willkommen.

(Beifall)

In Vertretung des leider doch im letzten Moment verhinderten Oberbürgermeisters der Stadt Köln, Herrn Rechtsanwalt Norbert Burger, ist - wie freundlicherweise schon zu unserem 50. Geburtstag im vergangenen Oktober - Frau Bürgermeisterin Renate Canisius bei uns erschienen. Herzlich willkommen, Frau Bürgermeisterin!

(Beifall)

Wir bedanken uns auch für die freundliche Einladung zum anschließenden Empfang hier im Hause.

Für die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen war an sich Herr Minister Horstmann angekündigt. Er konnte leider nicht zu uns kommen, weil politische Termine ihn daran gehindert haben. Wir freuen uns sehr, als seine Vertretung Herrn Ministerialdirigenten Dr. Sendler begrüßen zu können. Sie sprechen ein Grußwort zu uns, und wir freuen uns sehr darauf. Herzlich willkommen, Herr Dr. Sendler!

(Beifall)

Vielleicht darf ich einstweilen mitteilen: Wir werden uns auf diesem Ärztetag schwerpunktmäßig auch mit dem Themenkomplex Arzt und Krankenhaus befassen. Wir hoffen sehr, daß es uns durch gemeinsames Bemühen gelingt - hier erinnere ich an das nordrhein-westfälische Novellierungsverfahren zu unserem Krankenhausgesetz -, die Strukturverantwortung der Ärztekammern, die, denke ich, unbestritten auch für den Krankenhausbereich gilt, durch eine angemessene Berücksichtigung in der Krankenhausplanung deutlich machen zu können.

Außerdem darf ich sehr herzlich Gäste aus anderen Ländern bei uns willkommen heißen, insbesondere die Damen und Herrenhierhier hier hier hier Vertreter der zahlreichen ausländischen Ärzteschaften. Wie schon in vielen Jahren zuvor, ist bei uns der Generalsekretär emeritus des Weltärztebundes, Träger des Ehrenzeichens der deutschen Ärzteschaft und Träger der Paracelsus-Medaille, Herr Dr. André Wynen aus Belgien.

(Beifall)

Ferner ist der jetzt amtierende Generalsekretär des Weltärztebundes, Herr Dr. Delon Human, zum erstenmal bei uns. Das liegt daran, daß er das Amt gerade erst übernommen hat. Er kommt aus Südafrika, arbeitet aber in der Zentrale des Weltärztebundes in der Nähe von Genf. Herzlich willkommen, Herr Dr. Human!

(Beifall)
 
Anlaß zu besonderer Freude ist das nunmehr zehnjährige Bestehen eines Kooperationsvertrages zwischen dem Verband der Ungarischen Medizinischen Gesellschaften und der Bundesärztekammer, der somit noch vor dem - bekanntlich in Ungarn begonnenen - Abriß des Eisernen Vorhanges geschlossen wurde und unverändert hervorragend funktioniert. Aus diesem Anlaß ist der Präsident dieses Verbandes mit einer Delegation der Ungarischen Medizinischen Gesellschaften bei uns. Ich begrüße sehr herzlich Herrn Professor Dr. Péter Sótonyi.

(Beifall)

Professor Sótonyi ist übrigens zugleich Dekan der Medizinischen Fakultät der renommierten Semmelweis-Universität in Budapest.

Sehr herzlich willkommen heiße ich den Ehrenpräsidenten dieses 101. Deutschen Ärztetages, den langjährigen Präsidenten unserer Schwesterkammer in Westfalen-Lippe, Herrn Dr. Wilhelm Baldus.

(Beifall)

Vielleicht ist es nicht von ungefähr, daß nach dem Ehrenpräsidenten des 99. Deutschen Ärztetages, Herrn Professor Dr. Bourmer, der unter uns ist und den ich herzlich willkommen heiße,

(Beifall)

und dem Ehrenpräsidenten des 100. Deutschen Ärztetages, Herrn Dr. Gerhard Friedrich Hasse, der gleichfalls heute bei uns angemeldet ist, zum drittenmal in Folge ein Chirurg Ehrenpräsident eines Deutschen Ärztetages ist. Dies könnte darauf schließen lassen, daß Chirurgen eben doch besonders engagierte Leute sind, die nicht nur gerne, sondern auch sehr überzeugend Hand anlegen - im wahrsten Sinne des Wortes.

Wir haben zudem die Ehre der Anwesenheit von Trägern unserer höchsten Auszeichnung, der Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft, auch derjenigen, die sie heute verliehen bekommen werden, mit ihren Familien. Ihnen allen sage ich ein herzliches Willkommen. Besonders erwähnen darf ich in diesem Zusammenhang das Ehrenmitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer, Herrn Professor Dr. Hans-Joachim Sewering. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Unter uns begrüße ich auch sehr herzlich den Ersten Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, zugleich Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, der, wie in jedem Jahr, seine schwere Sitzung, nämlich die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, schon hinter sich hat. Ich war dabei und weiß, wie es da gewesen ist. Wir freuen uns sehr, daß Sie hier sind, Herr Dr. Schorre,

(Beifall)

und freuen uns über die in der Vergangenheit, in der Gegenwart und sicherlich auch in der Zukunft gedeihliche und auf Konsens ausgerichtete Zusammenarbeit zwischen unseren Organisationen.

Für die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen in öffentlichen Ämtern und im Verbandswesen darf ich zum einen Herrn Generalarzt Dr. Häfner vom Generalstab der Bundeswehr herzlich willkommen heißen

(Beifall)

und zum anderen den Präsidenten des Bundesverbandes der Freien Berufe, Herrn Dr. Ulrich Oesingmann.

(Beifall)

Schließlich begrüße ich Sie alle, meine sehr verehrten Damen und meine Herren Delegierten des 101. Deutschen Ärztetages, sowie die Mitglieder des Vorstandes der Bundesärztekammer mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages an der Spitze, Herrn Dr. Dr. h. c. Karsten Vilmar. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Lieber Herr Präsident, heute eröffnen wir - wenn wir die beiden außerordentlichen Versammlungen 1978 und 1992 nicht mitrechnen, denn die haben keine Nummer bekommen - den 21. Ärztetag unter Ihrem Vorsitz. Wir gratulieren Ihnen dazu besonders, und wir sind sicher, daß wir noch eine Steigerung des Geschicks in der Verhandlungsführung, besonders angesichts der Schwierigkeit der auf diesem Ärztetag anstehenden und zu verhandelnden Themen, erleben werden.

Meine Damen und Herren, im vergangenen Jahr haben wir nicht nur den 100. Deutschen Ärztetag in Eisenach erlebt, sondern am 17. Oktober in diesem Raum auch die Feier zum 50. Geburtstag der Bundesärztekammer. Angesichts der erstmals vor drei Jahren ausgerufenen Vorfahrt für die Selbstverwaltung haben wir uns folgerichtig mit diesem Thema herausgehoben beschäftigt. Dies taten wir nicht etwa nur im Rahmen einer inneren Selbstbetrachtung, sondern auch, indem wir uns durch den juristischen Wissenschaftler, Professor Dr. Jochen Taupitz von der Universität Mannheim, sozusagen einen Spiegel haben vorhalten lassen. Einen der Kernsätze seines Vortrages darf ich hier zitieren, weil er uns instand setzt, durch einen Soll-Ist-Vergleich die Positionierung unseres Berufes im politischen und gesellschaftlichen Koordinatensystem vorzunehmen. Er lautet - für die freien Berufe insgesamt gemeint -:

Die Professionen schließen gewissermaßen einen "Vertrag" mit der Gesellschaft, nach dem Autonomie in der Berufsausübung, Freiheit von sozialer Kontrolle durch Laien, Schutz gegen unqualifizierten Wettbewerb, hohes Einkommen und ein entsprechendes Prestige gegen kompetente Leistung und das glaubwürdige Versprechen der Selbstkontrolle eingetauscht werden. Individuell und kollektiv durch ihre Verbände sichern die Professionen den Klienten und der Gesellschaft Fachkompetenz und Integrität zu und verweisen auf Ausbildung und sorgfältige Auswahl ihrer Mitglieder, auf formelle und informelle Beziehungen zwischen Kollegen, auf die Bindung der Professionsangehörigen an bestimmte, von ihnen entwickelte berufsethische Normen und Standards und garantieren die Ahndung von Verstößen gegen diese Normen durch selbst durchgeführte Ehrengerichtsverfahren. Dieser stillschweigende "Vertrag zwischen Gesellschaft und Berufsgruppen" löst im Modell professioneller Autonomie das Kontrollproblem. Soweit das Zitat.

Betrachten wir die Elemente dieses Satzes und fragen dann nach der jeweiligen Stimmigkeit, sind wir wahrscheinlich einigermaßen betroffen, da beide Vertragspartner, also wir als Ärzteschaft, aber auch die Gesellschaft, nicht mehr alle Teile ihrer Versprechen erfüllen dürften.

Wie ist es zum Beispiel mit der Autonomie in der Berufsausübung? Besteht nicht immer mehr die Gefahr, daß Ärztinnen und Ärzte Vollzugsgehilfen von Wünschenden bei der Erbringung von qualitätsgesicherten und überprüfbaren Dienstleistungen mit Haftungsanspruch des Vertragspartners bei sogenannter Schlechterfüllung werden? Haben wir wirklich noch Freiheit von sozialer Kontrolle durch Laien, und sind wir angesichts der Auseinandersetzung um Schulmedizin und sogenannte Alternativ- oder Komplementärmedizin, ambulanter oder stationärer Leistungserbringung und angesichts der ärztlichen Überbevölkerung wirklich vor unqualifiziertem Wettbewerb geschützt?

Das Ärzten immer wieder zugedachte hohe Einkommen ist für die meisten Ärztinnen und Ärzte überhaupt kein Thema. Es betrifft nur einen kleinen Prozentsatz der ärztlichen Gesamtpopulation, wird aber völlig verfehlt ungeprüft auf alle Ärztinnen und Ärzte ausgedehnt.

Was das Prestige betrifft: Der Arztberuf hat einen hohen Prestigewert in der Meinungsskala der Bevölkerung. Ob wir in diesem Beruf Handelnden ebenfalls ein derartiges hohes Prestige besitzen, muß ich aber leider bezweifeln. Unsererseits sollen wir der Gesellschaft mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln Fachkompetenz und Integrität aller Mitglieder unseres Berufes zusichern, auf eine sorgfältige Ausbildung und besonders auch eine sorgfältige Auswahl unserer Kollegen achten und berufsethische Normen und Standards garantieren, notfalls mit Sanktionen. Das tun wir gerne und nach bestem Wissen und Gewissen. Gerade wir in den Selbstverwaltungskörperschaften ehrenamtlich und hauptamtlich Tätigen wissen aber, daß dies von Jahr zu Jahr schwieriger wird, gerade wegen der Quantität und der Selektion unseres ärztlichen Nachwuchses. Seit 1977 weisen wir auf die Gefahren einer drohenden, seit 1983 der real eingetretenen Probleme der ärztlichen Überbevölkerung hin. Die gemessene Arbeitslosigkeit unter Ärztinnen und Ärzten liegt jetzt bei etwa 10 000 Personen, die verdeckte Arbeitslosigkeit, beispielsweise durch Pseudoeinstellungen oder nicht vergütete Überstunden und andere Dinge, liegt mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich über dem Doppelten.

Zumindest was die Verbesserung der Ausbildung unserer Medizinstudentinnen und Medizinstudenten an den medizinischen Fakultäten unserer Universitäten und Hochschulen angeht, hofften und hoffen wir noch immer auf eine gewisse Verbesserung durch eine Novelle der ärztlichen Approbationsordnung. Sie könnte schon seit vielen Monaten in Kraft sein, wenn nicht unerwartete Turbulenzen dazu geführt hätten, den Entscheidungsprozeß aufzuhalten. Allenthalben wird neuerdings in der Gesundheitspolitik wieder vom Versorgungsbedarf unserer Bevölkerung gesprochen. Das ist im Prinzip gut so. Wahrscheinlich wird er aber wohl mehr oder weniger politisch festgelegt werden müssen, weil er kaum objektiv gemessen werden kann.

Es ist aber doch sehr die Frage, ob es wirklich nötig ist, daß in unserem Land auf 290 Menschen ein berufstätiger Arzt oder eine berufstätige Ärztin kommt. Verminderung der Quantität zur Hebung der Qualität bei der ärztlichen Ausbildung - dafür plädiere ich, und ich glaube, da bin ich mit Ihnen einig.

Der Prorektor der Universität zu Köln, Herr Professor Erdmann, hat unlängst im Rahmen eines Begrüßungsvortrages hier in Köln die Lehr- und Studierbedingungen von Harvard in Massachusetts und der Uni Köln verglichen, weil uns ausländische Universitäten immer wieder als vorbildlich hingestellt werden. Die Zahlen sind deprimierend. In Harvard studieren pro Jahr 143 Medizinstudenten, in Köln 436. In Harvard gibt es dafür 1 400 professionelle Lehrer, in Köln knapp 400. In Köln gibt es 1 500 Betten, in denen - theoretisch - Patienten liegen könnten, die für die Lehre geeignet sind, in Harvard 4 000. Um es noch einmal in Relationen zu sagen: Studentenverhältnis Harvard zu Köln: 1 : 3, Lehrerverhältnis Harvard zu Köln: 3,5 : 1, Bettenrelation Harvard zu Köln: 3 : 1.

Wir müssen fordern, daß die Ausbildungssituation in der Medizin zum einen durch die Novellierung der Approbationsordnung verbessert wird. Hinzu kommen muß aber zum anderen die Forderung, die Zahl der Medizinstudenten in Deutschland realitätsbezogen und qualitätsorientiert auszurichten. Diese Forderung richtet sich nunmehr an den Bundesrat, speziell an die Kultusministerkonferenz der Bundesländer. Diese zögern, der Novelle zuzustimmen, weil sich aus der beabsichtigten Verbesserung der Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses eine relative Verteuerung des Studiums des einzelnen Medizinstudenten ergebe. Also doch Quantität vor Qualität? In der Bildungspolitik eine reichlich ungewöhnliche Maxime.

Wir bitten unsere Kultusministerinnen und Kultusminister sehr herzlich, gerade unter qualitativen Gesichtspunkten zum Beispiel die eben genannten Vergleichszahlen von Harvard und Köln zur Kenntnis zu nehmen und auszuwerten. Die achte Novelle der Approbationsordnung ist ohnehin noch längst nicht der große Wurf in Richtung einer Modernisierung des Medizinstudiums in Deutschland. Dieser wird hoffentlich in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages folgen.

Mit diesem ganz konkreten Appell darf ich Sie zu unserem Ärztetag nochmals sehr herzlich begrüßen und uns gemeinsam einen konstruktiven, erfolgreichen und möglicherweise sogar harmonischen 101. Deutschen Ärztetag wünschen.

Vielen Dank.

(Beifall)