Arbeitstagungen des Plenums

1. Tag: Mittwoch, 20. Mai 1998

Diskussionsverlauf - Nachmittagssitzung

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir setzen unsere Beratungen fort. Wir haben die Probleme des Initiativprogramms diskutiert und durch die Mittagspause eine gewisse Zäsur vorgenommen. Wir hatten den Antrag 1, den Leitantrag des Vorstands, zurückgestellt, weil die Anträge 1 a und 1 b noch nicht vorlagen, sowie den Antrag 2 mit dem ergänzenden Antrag 2 a. Von Pressevertretern wurde mir signalisiert, wenn wir nicht bis 15 Uhr zu einer Beschlußfassung kommen, ist für heute keine Berichterstattung mehr möglich. Ich glaube, wir machen uns sehr viel an Öffentlichkeitsarbeit kaputt, wenn wir diese im Grunde ausdiskutierten Anträge nicht gleich bescheiden, wodurch eine sofortige Berichterstattung nicht mehr gewährleistet wäre.

(Beifall)

- Dem Beifall entnehme ich, daß Sie damit einverstanden sind.

Ich bitte Sie, den Antrag I-1 zur Hand zu nehmen. Dazu liegen die Änderungsanträge 1 b und 1 a vor. Wir kommen, wie üblich, zunächst zu den Änderungsanträgen. Der Änderungsantrag auf Drucksache Nr. I-1 b zielt darauf ab, auf Seite 2 Punkt 2 zu ergänzen:

Dieser Katalog muß die medizinisch optimale Versorgung umfassen. Ein medizinisch zu begründender Unterschied zwischen ausreichender und optimaler Versorgung existiert nicht. Antragsteller ist Herr Dietrich aus Bayern. Haben Sie es alle? - Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über diesen Änderungsantrag. Wer wünscht dem zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Letzteres ist die Mehrheit. Enthaltungen? - Bei etlichen Zustimmungen und etlichen Enthaltungen ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache Nr. I-1 a. Antragstellerin ist Frau Jacoby aus Berlin. Auf Seite 2 soll der dritte Absatz folgendermaßen geändert werden:

Jedem Patienten/jeder Patientin steht unabhängig vom Zahlungsvermögen und von der Krankenversicherungsform die medizinische Versorgung zu, die medizinisch notwendig ist. Haben Sie es? - Ja. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Das müssen wir auszählen. Ich frage also noch einmal: Wer wünscht dem Antrag 1 a zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Wenige Enthaltungen. Dann ist dieser Antrag mit 114 gegen 64 Stimmen angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den so veränderten Antrag auf Drucksache Nr. I-1. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Das ist sicher die große Mehrheit. Wer ist dagegen? - Einzelne Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch einzelne Enthaltungen. Dann ist der Antrag mit großer Mehrheit in der geänderten Fassung angenommen.

Wir kommen zum Antrag I-2. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Drucksache Nr. I-2 a von Frau Jacoby vor. Danach soll in Punkt 7 der Text folgendermaßen ergänzt werden:

... und spricht sich gegen eine weitere Privatisierung kommunaler Krankenhäuser aus, die sie zu einer betriebswirtschaftlichen Orientierung und damit Profitorientierung führen wird und somit der Patientenversorgung schadet. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Letzteres ist die Mehrheit. Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag mit Mehrheit bei etlichen Gegenstimmen und Enthaltungen abgelehnt.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den unveränderten Antrag auf Drucksache Nr. I-2. Wer wünscht dem zuzustimmen? - Das ist die große Mehrheit. Wer ist dagegen? - Ich sehe niemanden. Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen. Dann ist der Antrag mit großer Mehrheit ohne Gegenstimmen angenommen.

Dann liegt noch auf Drucksache Nr. I-21 ein Antrag von Herrn Lob vor, der aber erhebliche finanzielle Konsequenzen hat und die Probleme und die Zuständigkeit des Ständigen Ausschusses der Ärzte der Europäischen Union betrifft. Wir haben dort bereits die Möglichkeit, einen Europäischen Ärztetag durchzuführen, geprüft. Ich wäre dankbar, wenn wir diesen Antrag dem Vorstand überweisen könnten, damit er es weiter prüfen kann. Sind Sie einverstanden, Herr Lob? - Herr Lob ist mit der Vorstandsüberweisung einverstanden. Wer stimmt der Vorstandsüberweisung zu? - Das ist die große Mehrheit. Wer ist gegen Vorstandsüberweisung? - Einzelne. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Dann ist der Antrag mit großer Mehrheit an den Vorstand überwiesen. Wir werden uns im Ständigen Ausschuß dafür einsetzen. Es wäre schön, wenn es realisierbar wäre. Das muß man genau prüfen.

Damit haben wir die Berichterstattung sichergestellt. Sie wird hoffentlich auch erfolgen. Wenn nicht, liegt es jedenfalls nicht an uns.

Wir setzen jetzt die Diskussion über das Initiativprogramm fort. Nächster auf der Rednerliste ist Herr Hoffert aus Berlin. Bitte, Herr Hoffert.

Dr. Hoffert, Berlin:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Zeiten der Neuorientierung und Umstrukturierung gehen die Emotionen hoch, auch deshalb, weil keine Berufsgruppe ihre künftige Position im neuen System kennt. Wir hier kennen die politischen Hintergründe; die Kollegen draußen an der Basis verstehen die Welt nicht mehr. In der letzten Ausgabe der "Medical Tribune" gab es die Zuschrift eines Landarztes aus Brandenburg, in der es heißt: Junge Kollegen sind lieber arbeitslos als Landarzt. Dieser Kollege würde gern mit 67 Jahren seine Praxis abgeben, aber er findet keinen Nachfolger. Die KV Brandenburg hat zehn Praxen für Allgemeinmedizin ausgeschrieben, davon vier dringend. Aber es stehen keine jungen Kollegen für die Praxisübernahme bereit.

Dieser Kollege wird nach dem neuen Gesetz mit 68 Jahren seine Praxis abgeben müssen, und die Praxis wird nicht neu besetzt.

Aber die Politik wird nicht zusehen, wenn Landarztpraxen nicht mehr besetzt werden. Wir brauchen jährlich 1500 Allgemeinmediziner, um die Nachfrage decken zu können. Weniger als 400 pro Jahr werden ausgebildet. Wer den Bedarf nicht sieht, aus welchen Gründen auch immer, handelt aus meiner Sicht nicht redlich. Es geht schon lange nicht mehr darum, einer bestimmten Berufsgruppe auf die Beine zu helfen, sondern es geht darum, fachärztliche Arbeitslosigkeit abzuwenden.

Vielen Dank.

(Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster Redner bitte Herr Koch, Baden-Württemberg.

Dr. Koch, Baden-Württemberg:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zum Antrag I-5 von Herrn Kunze. Herr Kunze, ich bin jetzt 20 Jahre Mitglied dieses Hohen Hauses. Ich habe von Ihnen noch nie etwas Positives über die Allgemeinmedizin gehört.

(Beifall)

Auf dem 99. und dem 100. Deutschen Ärztetag hat sich dieses Hohe Haus Gott sei Dank für die Allgemeinmedizin entschieden. Sie mußten das wohl schmerzhaft ertragen. In dem Antrag sehe ich den letzten Versuch Ihrerseits, die Allgemeinmedizin aus den deutschen Landen zu kippen. Wohlgemerkt: letzter Versuch.

In Ihrem Antrag geben Sie eine Wertung des Initiativprogramms der Gesundheitsministerkonferenz ab, indem die qualitativen und quantitativen Mängel in der Allgemeinmedizin angesprochen werden. Das nehmen Sie zum Anlaß, doch noch Ihr Ziel zu erreichen. Das Quantitätsproblem wollen Sie durch Wegfall der Niederlassungssperre lösen. Damit nehmen Sie billigend in Kauf - das halte ich für ganz schlimm -, daß qualitätsmäßig schlecht ausgebildete Allgemeinärzte in die Praxis gehen. Und das sagt ein Arzt hier

vor dem Deutschen Ärztetag! Man muß sich auf der Zunge zergehen lassen, was das bedeutet.

(Beifall)

Jetzt beginnt Ihre Hinterhältigkeit, Ihre List: Durch Ihre große Anzahl der dann zur Verfügung stehenden Allgemeinmediziner gibt es in der Praxis kein Auskommen mehr, denn der Punktwert sinkt deutlich. Das bedeutet selbstverständlich, daß kein Weiterbilder mehr in der Lage ist, Allgemeinmediziner weiterzubilden. So schließt sich der Kreis, und am Schluß haben Sie tatsächlich Ihr Ziel erreicht, daß die Allgemeinmedizin gestorben ist. Das, meine Damen und Herren, darf nicht geschehen, dagegen müssen wir uns wehren!

(Beifall)

Deswegen bitte ich Sie, das Initiativprogramm anzunehmen und den Antrag I-5 von Herrn Kunze mit überwältigender Mehrheit abzulehnen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Koch. - Als nächster Redner bitte Herr Busch, Westfalen-Lippe.

Dr. Busch, Westfalen-Lippe:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Koch, ich möchte mich als Internist und ambulant tätiger Arzt dagegen verwahren, daß Sie sich hier vor den Deutschen Ärztetag hinstellen und alle bislang nicht fünfjährig weitergebildeten Allgemeinmediziner als schlechte Ärzte beschimpfen und damit Meinungsmache betreiben.

(Beifall)

Ich möchte zum Kern der Sache kommen. Es geht um die fünfjährige Weiterbildung in der Allgemeinmedizin. Wir haben einen entsprechenden Beschluß vor einem Jahr gefaßt. Weder die Vertreter des Marburger Bundes noch andere hier im Saal sind so undemokratisch, dieses Ziel jetzt nicht in die Tat umsetzen zu wollen. Aber die Umsetzung stellt das Problem dar.

Hier wird mit sehr viel Unwahrheiten und Halbwahrheiten gearbeitet. Wenn ich höre, daß Frau Hauenstein und andere sagen, es würden neue Stellen geschaffen, jeder, der dieses Initiativprogramm kritisch hinterfrage, gefährde 7000 neue Arbeitsstellen, dann muß ich entgegnen: Es gibt diese 7000 neuen Stellen überhaupt nicht, sondern es handelt sich laut dem Programm um umgewandelte Stellen. Sagen Sie doch die Wahrheit! Werfen Sie Herrn Montgomery nicht vor, er tue nichts gegen die Arbeitslosigkeit junger Ärzte. So kann man doch nicht argumentieren.

(Beifall)

Es kommt mir etwas seltsam vor, daß wir hier heute einen Beschluß fassen sollen, das Initiativprogramm zu unterstützen, während es von der anderen Seite überhaupt keine konkreten Zusagen gibt. Sehr viele Dinge sind noch ungeklärt. Es handelt sich um schöne Absichtserklärungen. Ich kann doch auch nicht ein Auto kaufen und vergessen, bei der Bestellung die Farbe und den Kaufpreis zu fixieren.

Wir wollen doch nur erreichen, daß uns die Vertragsparteien auf der anderen Seite definitiv sagen: Das haben wir beschlossen, jenes sind die Bedingungen, dieses können wir Ihnen vorschlagen und auch zusagen. Dann sind wir bereit, diese Kröte, wie ich formulieren möchte, zu schlucken und dem zuzustimmen. Das kann aber nicht auf Versprechungen hin ins Blaue hinein geschehen. Kein Mensch wird einen Blankoscheck ausstellen, ohne zu wissen, was letztendlich herauskommt.

Meine Damen und Herren, die 320 Millionen DM haben wir noch lange nicht. Ich bin gespannt, wie rechtlich umgesetzt werden soll, daß die Krankenkasse die Weiterbildung finanziert.

Vielen Dank.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke sehr. - Als nächster Redner bitte Herr Mangold, Baden-Württemberg.

Prof. Dr. Mangold, Baden-Württemberg:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Baden-Württemberg hat einen Ersatzbedarf von 200 Allgemeinärzten pro Jahr. Dem stehen im Jahr 1996 98 Weiterbildungsabschlüsse durch Fachgespräch gegenüber. Im vergangenen Jahr war die Zahl ähnlich. Das war für uns in Baden-Württemberg ein Signal dafür, daß eine Förderung der Allgemeinmedizin dringend erforderlich ist.

Wir haben als erstes versucht, in Baden-Württemberg zu eruieren, wieviel Kollegen überhaupt bereit sind weiterzubilden, und zwar sowohl in der Praxis als auch in der Klinik. Wir haben 1300 befugte Allgemeinärzte angeschrieben und etwa 500 befugte Chefärzte der Chirurgie, der Inneren Medizin und der Pädiatrie. Wir hatten einen Rücklauf von 60 Prozent. Davon waren 90 Prozent bereit, auch in Zukunft weiterzubilden. Das war für mich ein erstaunliches Ergebnis.

Es kam auch heraus, daß von den 1300 Allgemeinärzten ein großer Teil bereit ist, Weiterbildungsassistenten bis zu einem gewissen Grade selbst zu finanzieren. Die Schwankungsbreite lag zwischen 0 und 6000, der Durchschnitt lag bei 2000.

Es zeigte sich damit, daß ein häufiger Hemmschuh für die Weiterbildung in der Praxis die fehlende oder ungenügende Finanzierung darstellt. Das war für mich eine ganz wichtige Erkenntnis. Nun haben wir erstmals die Möglichkeit, über dieses Initiativprogramm alle Beteiligten auf Bundes-, aber auch auf Landesebene an einen Tisch zu bringen und hier eine Finanzierung zu gewährleisten. Es kann doch nicht anders sein, als daß wir dem unbedingt zustimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Schönen Dank. - Bevor der nächste Redner das Wort erhält, möchte ich Ihnen mitteilen, daß wir die vorliegenden Anträge sortiert haben, und zwar in vier Gruppen: Annahme, Ablehnung, konditionierte Annahme, Modifikationen. Zur Gruppe der Annahme gehören die Anträge 23 und 4 d. Zur Gruppe der Ablehnung gehören die Anträge 14, 6, 8 und 15. Zur Gruppe der konditionierten Anträge gehören die Anträge 22, 25, 4, 4 b und 4 c. Zur Gruppe der Modifikationen gehören die Anträge 5, 5 a, 7, 16, 13, 24, 27 und 28.

Als nächster Redner bitte Herr Windhorst, Westfalen-Lippe.

Dr. Windhorst, Westfalen-Lippe:

Verehrte Damen und Herren! Ich hatte gehofft, daß die Intervention von Herrn Professor Hoppe vor der Mittagspause etwas mehr Ruhe in die Diskussion bringt. Ich hatte auch gehofft, daß uns die postprandiale Phase mehr innere Ruhe brächte. Ich bin über die Ausführungen des Kollegen Koch sehr enttäuscht. Ich hatte auch gehofft, daß die Ausführungen von Herrn Weigeldt ein Unikat sind und wir uns nicht mehr auf dieser Ebene unterhalten.

(Zustimmung)

Ich kann nur darum bitten, Herr Koch, daß wir zu einer vernünftigen Streitkultur zurückfinden. Wir entscheiden über ein Initiativprogramm, das sicherlich sehr wichtig ist. Wir stehen zu den fünf Jahren. Ich hoffe, daß es darüber keine Diskussion mehr gibt.

Wir stehen auch zu den Beschlüssen von Eisenach. Sehr viel besser formuliert - sowohl im Antragstext als auch in der Begründung - war damals der Antrag IV-13. Wir vom Marburger Bund sind zu Kompromissen bereit. Ich bitte Sie, den Antrag I-24 durchzulesen. Was tun wir, wenn das Ganze doch den Bach heruntergeht? Was tun wir, wenn die Unkenrufe Realität werden? Wir lassen die Kollegen im Regen stehen; sie können sich nicht für eine Alternative entscheiden. Das kann doch nicht unser Ziel sein. Der Deutsche Ärztetag kann doch nicht von vornherein unsere Kollegen in eine möglicherweise vorhandene Sackgasse führen, aus der sie nicht mehr herauskommen, ohne Zeit verloren zu haben.

(Beifall)

Im europäischen Rahmen gesehen kommen unsere Kollegen sowieso in einem relativ hohen Alter in die Praxis.

Ich bitte Sie, dem Antrag I-24 zuzustimmen. Der Herr Präsident hat diesen Antrag eben in die Gruppe derjenigen Anträge eingereiht, bei denen Modifikationen möglich sind. Dieser Antrag stellt die einzige Möglichkeit dar, aus dem Ja von Eisenach ein Ja für die Kollegen zu machen, die das hinterher praktikabel umsetzen wollen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Windhorst. - Als nächste Rednerin bitte Frau Mehlhorn, Thüringen.

Dr. Mehlhorn, Thüringen:

Meine Damen und Herren! Ich bin Allgemeinmedizinerin und auch Weiterbildungsleiterin. Ich freue mich über das Initiativprogramm, auch wenn es Probleme aufwirft. Ich bitte Sie, diesem Initiativprogramm zuzustimmen, damit mit der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin überhaupt fortgefahren werden kann. Wir haben vor einigen Jahren die dreijährige Weiterbildung beschlossen, letztes Jahr die fünfjährige Weiterbildung. Wir haben den Auftrag der Gliederung in die hausärztliche und die fachärztliche Medizin. Wir haben keine Allgemeinmediziner. Wir haben Weiterbildungsstellen, aber keine entsprechende Finanzierung.

Wenn wir nicht den Mut haben, dem Initiativprogramm zuzustimmen, wird die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin zumindest in Thüringen sterben. Das möchte ich unterstreichen. Wie ich gehört habe, ist es in den anderen neuen Bundesländern nicht anders. In Bayern fehlen vielleicht Arbeitsstellen, weil sich keine Allgemeinmediziner niederlassen können, wie Herr Professor Kunze ausführte. In Thüringen könnten sie sich niederlassen. 38 Prozent der Stellen in den neuen Bundesländern sind frei. Will man aber nach Thüringen kommen? Will man in ein anderes Land gehen? Die Kolleginnen und Kollegen bleiben in der Klinik, weil sie dort einen sicheren Arbeitsplatz und möglicherweise auch ein sicheres Einkommen haben.

Ich bitte Sie, weiterhin um eine Anschlußfinanzierung zu kämpfen, aber heute dem Initiativprogramm zuzustimmen.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Frau Mehlhorn. - Nur zur Information: Es liegen derzeit 40 Wortmeldungen vor. Wenn wir drei Minuten Redezeit zugrunde legen, kommen wir auf eine Diskussionszeit von zwei Stunden.

Das Wort hat jetzt Herr Kaiser, Westfalen-Lippe.

Dr. Kaiser, Westfalen-Lippe:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung vorab zu meiner Vorrednerin: Die Ärzte in der Weiterbildung haben im Krankenhaus nicht unbedingt einen sicheren Arbeitsplatz, sondern, wie Sie wissen, in der Regel einen befristeten Arbeitsvertrag. Dieser Vertrag läuft nach drei bis fünf Jahren aus.

Im Laufe der Diskussion wurde festgestellt, daß wir zwar eine Reihe von weitergebildeten Allgemeinärzten haben, daß aber in bestimmten Gegenden oder bestimmten Orten Praxen von Allgemeinmedizinern nicht besetzt werden können. Das kann eine Reihe von Gründen haben. Das muß nicht unbedingt daran liegen, daß die betreffenden Kolleginnen und Kollegen nicht dorthin wollen. Es wäre eine Aufgabe für die KVen, einmal zu evaluieren, wo die Gründe liegen. Es wäre interessant, wenn man wüßte, ob es auf der Ebene der KBV eine wissenschaftlich fundierte Untersuchung gibt, was fertig ausgebildete Allgemeinmediziner davon abhält, in die niedergelassene Praxis zu gehen. Warum tun sie das? Warum gehen sie nicht dorthin? Könnte vielleicht die KV selbst etwas dazu beisteuern, um die Attraktivität der Niederlassung in einer Allgemeinpraxis zu erhöhen?

Wenn ich lese, daß es quasi Stillegungsprämien gibt, um Praxen von Allgemeinmedizinern nicht wieder zu besetzen, dann halte ich das für einen Vorgang, der den verfolgten Zielen ins Gesicht schlägt.

Meines Erachtens waren in der bisherigen Diskussion zwei Diskussionsbeiträge sehr wichtig, nämlich die Beiträge von Herrn Hege und von Herrn Hoppe. Beiden Ausführungen läßt sich meines Erachtens entnehmen, daß die Kassen und die anderen Vertragspartner durchaus bereit sind, die Giftzähne, die wir in diesem Initiativantrag sehen, zu beseitigen. Diese beiden Punkte sind, daß es kein Primärarztsystem geben und daß die Weiterbildungskompetenz der Ärztekammern nicht angetastet werden soll. Herr Hoppe hat ausdrücklich gesagt, daß ihm von Vertretern der Kassen erklärt worden sei, daß sie damit einverstanden sind.

Wir sind für das Initiativprogramm, wollen aber möglichst die Giftzähne gezogen haben. Jetzt stellt sich nur noch die Frage, wie man das verpackt, wie man verhandelt, wie man es formuliert. Es ist offensichtlich nicht so, daß die Vertragspartner nicht bereit sind, etwas zu ändern. Ich meine, das war auch den etwas verklausulierten Ausführungen von Herrn Hege zu entnehmen. Wir haben Verhandlungsspielraum und können unter dieser Prämisse die entsprechenden Zusatzanträge verabschieden.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Kaiser. - Als nächster Redner bitte Herr Lob, Bayern.

Prof. Dr. Lob, Bayern:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es ungemein bedauerlich, daß wir hier bereits unterhalb der Gürtellinie diskutieren und einzelne Kollegen diffamiert werden. Wir sollten voneinander annehmen, daß wir guten Willens sind. Wir sollten auch die Gegenargumente akzeptieren, um am Ende vielleicht zu einem Konsens zu gelangen.

Mein Antrag I-14 bringt die Sorge zum Ausdruck, daß wir unsere Rechte praktisch verkaufen, daß wir den Staat in ein originäres Recht der Landesärztekammern einbinden, nämlich bei der Weiterbildung direkt strukturell mitzureden. Heute wollen wir vom Staat Weiterbildungsstellen für die Allgemeinmedizin - das ist auch gut so -, aber morgen bekommen wir vom Staat gesagt, diese und jene Stellen brauchten wir nicht.

Ich habe neulich auf einem amerikanischen Orthopädenkongreß ein Papier der Clinton-Regierung in die Hand bekommen, wonach den Krankenhäusern 100 000 Dollar pro nicht weitergebildeten Arzt angeboten werden. Die Eliminierung der Weiterbildungsstellen bringt dem Krankenhaus also Geld. So etwas wollen wir nicht.

Ich habe die große Sorge, daß der Staat in der Weiterbildung mitregiert, wenn wir die Tür auch nur einen Spalt weit öffnen. Dann werden wir selber bald nichts mehr zu sagen haben.

Wir suchen Kompromisse. Der Antrag 4 b von Herrn Holfelder geht in eine solche Richtung. Wir könnten uns wohl alle darauf einigen, daß wir keine strukturellen Veränderungen wollen, die über die Weiterbildung zum Allgemeinmediziner erkauft würden. Insbesondere darf das originäre Recht der Ärztekammern im Hinblick auf die Durchführung der Weiterbildungsordnung nicht angetastet werden. Eine wesentliche Forderung, von der wir nicht abgehen sollten und nicht abgehen können, lautet: Es darf über diese Hintertür nicht zu einem Primärarztmodell kommen.

Ich bitte Sie, stimmen Sie dem Antrag 4 b zu. Ich glaube, er wäre konsensfähig.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Lob. - Als nächster Redner bitte Herr Kütz, Bremen, zur Geschäftsordnung.

Dr. Kütz, Bremen:

Ich möchte den Antrag stellen, die Debatte zu beenden. Ich gebe folgende Begründung: Wir haben etwa 35 Redner angehört. Die Argumente sind weitgehend ausgetauscht. Ich sehe nicht, daß sich bei einer Fortsetzung der Diskussion die quantitativen Verhältnisse zwischen den beiden unterschiedlichen Positionen verändern würden. Der Ärztetag würde gegenüber der Öffentlichkeit nicht gerade seine Beschlußfreudigkeit dokumentieren, wenn er jetzt noch, wie angekündigt wurde, 40 weitere Redner zu Wort kommen ließe.
 

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Kütz. - Gibt es dazu eine Gegenrede? - Bitte, Herr Henke.

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer:

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Im Kern könnte man dem Antrag zustimmen. Es gibt aber Anträge, zu denen überhaupt noch nicht gesprochen wurde. Zum Teil werden jetzt noch Anträge verteilt. Ich habe gerade den Antrag I-27 von Herrn
Mitrenga auf den Tisch bekommen, der fordert, daß die Bereitstellung der benötigten Stellen in den Krankenhäusern nicht unter Akzeptanz der Mechanismen der Pflegesatzverhandlungen erfolgen soll, sondern daß die vereinbarten Mittel zusätzlich zu den Budgets gewährt werden müssen. Die Begründung bezieht sich auf eine Rücksprache mit den Vertretern der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des AOK-Bundesverbands.

Weil ich denke, daß wir zumindest zu den Anträgen, zu denen noch nicht in der Sache vorgetragen und diskutiert wurde, eine Begründung ermöglichen sollten, halte ich einen Beschluß, die Debatte zu beenden, für schwierig. Den Antrag, der mir am wichtigsten war, habe ich jetzt erwähnt.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Das hat aber niemand gemerkt, Rudolf!

(Heiterkeit)

Wir kommen zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag von Herrn Kütz auf Schluß der Debatte. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Das müssen wir auszählen, damit sich keine Legenden bilden; dieses Thema ist so sensibel und emotional belastet.

Ich frage also noch einmal: Wer ist jetzt für Schluß der Debatte zu diesem Punkt? - Wer ist gegen Schluß der Debatte? - Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen. Dann ist mit 122 gegen 91 Stimmen Schluß der Debatte beschlossen.

Wir kommen jetzt also zur Abstimmung über diesen Komplex. Die weitestgehenden Anträge sind diejenigen, die auf eine bedingungslose Annahme bzw. auf eine bedingungslose Ablehnung hinauslaufen. Wer ablehnt, kann nicht hinterher zustimmen. Dasselbe gilt natürlich umgekehrt. Der dritte Komplex umfaßt die konditionierte Annahme.

Jetzt bitte Herr Huttel, Hessen, zur Geschäftsordnung.

Dr. Huttel, Hessen:

Der Antrag 28 liegt uns noch nicht vor. Wir können also noch keinen Überblick über alle Möglichkeiten der Abstimmung haben. Ich denke, wir sollten noch auf den Antrag 28 warten.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Das ist ein Antrag von Herrn Professor Wildmeister. Er lautet:

Der 101. Deutsche Ärztetag stellt fest, daß mit der Annahme des Sofort-Initiativprogramms zur Umsetzung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin keine Veränderung des Tätigkeitsumfanges fachärztlicher Gebiete, ggf. einschließlich ihrer Schwerpunkte oder fakultativen Weiterbildungen, auf der Grundlage des jeweils gültigen Weiterbildungsrechtes, verbunden ist. Insbesondere darf § 76 SGB V - freie Arztwahl - nicht tangiert werden. Das ist kein Antrag, der direkt zur Meinungsbildung über das Initiativprogramm erforderlich ist. Wir können diesen Antrag insoweit zum Schluß, wie auch immer wir uns entschieden haben, behandeln. Ist der Antrag bis dahin noch nicht verteilt, wird er noch einmal verlesen. Können Sie sich damit einverstanden erklären?

(Zustimmung)

- Gut. - Jetzt bitte Herr Henke zur Geschäftsordnung.
 

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer:

Der Antrag zur Geschäftsordnung lautet, eine Erklärung zu bekommen, wie mit denjenigen Anträgen verfahren wird, die den Text des Antrags 4 ändern möchten. Das sind beispielsweise die Anträge 4 b von Herrn Dr. Holfelder und 4 c von Herrn Dr. Flenker, Herrn Dr. Everz und Frau Dr. Auerswald. Es ist die Frage, ob wir jetzt im Grunde mehrere Anträge vorliegen haben, die gewissermaßen den kompletten Text des Antrags 4 plus diese Sätze behandeln, mit denen wir uns nacheinander beschäftigen und uns eine Meinung bilden. Ich habe in der Diskussion den Eindruck gewonnen, daß ein gewisser Schlüssel für den Ärztetag darin liegen könnte, den Text so zu verändern, daß der Text von Herrn Holfelder im Grunde in den Antrag 4 integriert wird.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Ich denke, es wäre zweckmäßig, wenn Herr Schirmer das Prozedere des Abstimmungsprozesses erklärt. Es geht zunächst um Vollbart oder glatt rasiert. Wenn man beides nicht will, muß man beides ablehnen, denn nur dann hat man noch die Chance, über einen Schnurrbart zu entscheiden.

(Heiterkeit)

Bitte, Herr Schirmer.

Schirmer, Justitiar der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anträge sind in drei große Gruppen einzuteilen. Die erste Gruppe ist für vorbehaltlose Annahme, die zweite Gruppe für Ablehnung, die dritte Gruppe für konditionierte Annahme.

Was den Antrag 4 angeht, müßte, bevor man über den Antrag 4 abstimmt, über die Anträge 4 a, 4 b und 4 c als Änderungsanträge abgestimmt werden.

Der Antrag 4 d stellt den Antrag des Vorstands auf den Kopf. Er würde nämlich dazu führen, daß vorbehaltlos angenommen wird. Deswegen haben wir vorgeschlagen, daß er ebenso wie der Antrag 23 in der Gruppe "Annahme" abgestimmt wird. Der Antrag wäre mit der Annahme des Antrags 23 angenommen; lehnen Sie das ab, braucht man ihn bei 4 nicht mehr zu behandeln. Das ist etwas schwierig aus dem Antrag selber herauszulesen.

Wenn Sie das als zu schwierig ansehen, könnte man das insgesamt beim Antrag 4 mitbehandeln. Man muß nur aufpassen, daß man sich nicht widerspricht.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Das wäre auch nicht das erste Mal, daß man sich in der Beschlußfassung widerspricht.

(Zuruf)

- Der Antrag auf Drucksache Nr. I-23 von Herrn Dietz wird zurückgezogen.

(Beifall)

Zur Geschäftsordnung jetzt bitte Herr Bicker.

Bicker, Nordrhein: 

Es hat sich halbwegs erledigt, Herr Präsident. Mir lag daran, daß wir, bevor wir generell über die Annahme abstimmen, die Konditionen festlegen. Vielleicht erleichtert dies die Abstimmung über eine Annahme oder Ablehnung. Dadurch, daß der Antrag 23 zurückgezogen ist, erübrigt sich das. Wir sollten die konditionierten Anträge vor den Anträgen abstimmen, die auf Ablehnung hinauslaufen.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Zur Geschäftsordnung jetzt bitte Herr Windhorst.

Dr. Windhorst, Westfalen-Lippe:

Der Antrag 4 b von Herrn Holfelder und der Antrag 24 sollten als Konditionalanträge mit in den Antrag 4 des Vorstands integriert werden.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. Der Antrag 4 gehört zur Gruppe der konditionierten Anträge. Dazu gibt es die Änderungsanträge 4 a, 4 b, 4 c und nunmehr auch 4 d.

Dr. Windhorst, Westfalen-Lippe:

Wir sollten den Antrag 24 mit in diese Serie aufnehmen, weil das dem Vorstandsantrag hinzugefügt werden sollte.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. Es ist eine Spezialität zur Anrechnungsfähigkeit. Herr Windhorst, wir können das Initiativprogramm nicht verändern. Wir müssen es jetzt nicht bei der Grundsatzfrage klären; wir können nachher noch einmal darauf zurückkommen.

Durch die Rücknahme des Antrags 23 haben wir die Gruppe der Anträge, die auf eine bedingungslose Annahme hinauslaufen, erledigt.

Der Antrag 4 d wird im Zusammenhang mit Antrag 4 behandelt.

Wir müssen uns nun mit den Anträgen beschäftigen, die auf eine Ablehnung hinauslaufen. Das sind die Anträge 14, 6, 8 und 15. Darüber wollen wir jetzt abstimmen.

(Zuruf)

- Ich höre gerade, daß der Antrag auf Drucksache Nr. I-24 zurückgezogen wird. Jeder zurückgezogene Antrag erleichtert das Geschäft.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-14 von Herrn Lob.

(Zuruf)

- Der Antrag ist zurückgezogen. Das geht ja hier wie das Brezelbacken!

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-6 von Herrn Jonitz.

(Zuruf)

- Auch dieser Antrag ist zurückgezogen. Er läßt niemandem die Freude an der Abstimmung!

(Heiterkeit)

Das geht ja wirklich rasch.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-8 von Herrn Montgomery.

(Zuruf)

- Moment! Ich gucke schon, wer da ruft!

(Heiterkeit)

Herr Montgomery ist nicht da, aber das ist kein Grund, den Antrag zurückzuziehen.

(Erneute Heiterkeit)

Herr Montgomery hat sich zurückgezogen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag 8. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit. Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt.

(Beifall)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-15. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Ich sehe einzelne. Wer ist dagegen? - Das ist die große Mehrheit. Wer enthält sich? - Etliche Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt zur Geschäftsordnung Herr Kossow. Damit Ihr Blutdruck nicht steigt, jetzt lieber gleich zur Geschäftsordnung!

(Heiterkeit)

Dr. Kossow, Niedersachsen:

Herr Vilmar, Sie machen sich als Chirurg in diesem Fall zuviel Sorgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, daß wir beim nächsten Antragsblock über den Antrag 4 b abstimmen und die übrigen Anträge dieses Blockes bis auf den Grundantrag 4 an den Vorstand überweisen.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Eine Gegenrede.

N. N.: Es zeugt zwar von außergewöhnlichem taktischen Geschick, so vorzugehen, aber ich denke, daß wir uns als Souverän unser Abstimmungsrecht nicht nehmen lassen sollten.

(Beifall)

Wir haben teils mit heißem Herzen, teils mit kühler Überlegung die Problematik diskutiert. Jetzt müssen wir entscheiden. Folgen Sie bitte nur Ihrem Gewissen. Vergessen Sie bitte einen Augenblick, welchem Fach Sie zugehören.

Danke.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Das lassen wir jetzt einen Moment auf sich beruhen. Herr Schirmer wird, wenn wir zum Komplex 4 kommen, das noch einmal erläutern. Ich lasse über den Antrag von Herrn Kossow abstimmen, alle Anträge außer den Anträgen 4 und 4 b an den Vorstand zu überweisen. Wer wünscht ihm zu folgen? - Wenige. Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit. Wir gehen also der Reihe nach vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-22 von Herrn Thomas. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Das ist schwer zu entscheiden. Wir müssen das auszählen. Wir wollen keine Legenden haben.

Ich frage also noch einmal: Wer ist für den Antrag 22? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen. Der Antrag ist mit 131 gegen 85 Stimmen abgelehnt.

Jetzt bitte noch einmal Herr Schirmer zur Erläuterung, was es mit dem Antrag 25 und dem Antrag 4 und den dazugehörigen Änderungsanträgen auf sich hat, wo hier die Unterschiede liegen.

Schirmer, Justitiar der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte aus rechtlicher Sicht auf folgendes hinweisen. Antrag 25 begrüßt das Initiativprogramm und bittet darum, zunächst die Rechtsgrundlagen sicherzustellen. Das ist die Kondition. Der Antrag 4 des Vorstands enthält eine Kondition, die etwas anders gefaßt ist:

Diese Beschlußfassung erfolgt auf der Grundlage der im Initiativprogramm enthaltenen und noch zu schaffenden gesetzgeberischen Voraussetzungen zur dauerhaften Absicherung der fünfjährigen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin. Was die Änderungsanträge zum Antrag 4 angeht, so darf ich mir erlauben, auf folgendes hinzuweisen. Der Antrag 4 a enthält zwei Teile. Der erste Teil sagt aus, daß der Grundantrag zu akzeptieren ist, daß aber die sachfremden Strukturveränderungen wie Primärarztsystem und Beibehaltung der AiP-Phase abgelehnt werden. Das ist eine weitere Konditionierung inhaltlicher Art.

Der zweite Teil des Antrags 4 a enthält die Einfügung:

sobald die gesetzlichen Grundlagen für eine Finanzierung der fünfjährigen Weiterbildung in Allgemeinmedizin durch die GKV geschaffen worden sind Das bedeutet, daß ein Gesetz erlassen werden muß. Erst das Gesetz ermöglicht die Finanzierung. Für die Phase vor dem Gesetz wird im Grunde genommen das Initiativprogramm abgelehnt. Es gibt ja die rechtliche Möglichkeit, auch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes Geld zu geben.

Dieser Antrag enthält ähnliches wie der Antrag 4 a. Danach soll der Deutsche Ärztetag nach wie vor strukturelle Veränderungen ablehnen, die beispielsweise das Recht der Ärztekammern auf Regelung der ärztlichen Weiterbildung beschneiden oder den Einstieg in ein Primärarztsystem ermöglichen. Das ist eine inhaltliche Konditionierung.

Der Wunsch des Antrags 4 c lautet ähnlich:

Weitere strukturelle Elemente, die indirekt einer staatlichen Regelung der ärztlichen Weiterbildung und der Einführung eines Primärarztsystems den Weg ebnen, lehnt der 101. Deutsche Ärztetag ab. Die Annahme des Antrags 4 d würde bedeuten, daß der letzte Satz des Grundantrags des Vorstands gestrichen würde. Damit gäbe es keine Kondition. Damit wäre eine relativ vorbehaltlose Begrüßung des Initiativprogramms ausgesprochen. Der Antrag 4 d stellt die Kondition des Antrags des Vorstands ein bißchen auf den Kopf, indem diese einfach gestrichen werden soll.

Soviel zur Erläuterung.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Vielen Dank. - Jetzt bitte noch Herr Hoppe zur Klarstellung im Hinblick auf die AiP-Phase.

Prof. Dr. Hoppe, Vizepräsident:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Verhandlungen mit den Partnern habe ich größten Wert darauf gelegt - ich meine, das ist auch gelungen -, eine Festschreibung der AiP-Phase auf diesem Wege zu vermeiden. In dem Papier steht nämlich: solange sie existiert. Man kann in dem Papier aber nicht regeln, daß sie existiert bzw. nicht existiert. Das ist eine Angelegenheit der Bundesärzteordnung. Da ist vorgesehen, daß sie später abgeschafft werden soll. Solange es sie gibt, soll man sie natürlich nutzen. So ist es im Initiativprogramm niedergelegt.

Insofern geht der erste Teil des Antrags 4 a im Hinblick auf die AiP-Phase von falschen Voraussetzungen aus.

Das wollte ich klargestellt haben, damit man mir nicht vorwirft, ich hätte bei den Verhandlungen etwas unterlassen.

Danke schön.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. Es ist sehr wichtig, daß wir auch dieses wissen. - Wir kommen nun zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag auf Drucksache Nr. I-25 von Frau Gitter. Wer wünscht dem Antrag zuzustimmen? - Etliche. Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit. Wer enthält sich? - Einzelne Enthaltungen. Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zu dem Komplex des Antrags 4. Wir stimmen zuerst über die Änderungsanträge ab. Der Antrag auf Drucksache Nr. I-4 a enthält, wie Herr Schirmer erläutert hat, zwei Teile. Wer wünscht dem ersten Spiegelstrich zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der erste Spiegelstrich abgelehnt.

Wer ist für den zweiten Spiegelstrich in Antrag 4 a? - Wer ist dagegen? - Auch das ist die Mehrheit. Damit ist der gesamte Antrag 4 a mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen dann zu dem Antrag auf Drucksache Nr. I-4 b. Wer ist für diesen Antrag? - Das ist sicher die Mehrheit. Wer ist dagegen? - Etliche Gegenstimmen; das erste war die große Mehrheit. Wer enthält sich? - Einzelne Enthaltungen. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Der Antrag auf Drucksache Nr. I-4 c ist damit fast erledigt. Wenn man will, kann man trotzdem darüber abstimmen. Wer ist für diesen Antrag? - Wer ist dagegen? - Ich bin nicht sicher; das zählen wir aus. Beides zielt auf dasselbe ab. Dann haben wir zwei weitere Absätze. Dann haben wir es doppelt gemoppelt.

(Zuruf)

- Das ist die Erlösung: Der Antrag wird zurückgezogen.

(Beifall)

Es bleibt jetzt noch die Abstimmung über den Antrag auf Drucksache
Nr. I-4 d. Dadurch würde die Kondition gestrichen. Wer ist für diesen Antrag? - Einzelne. Wer ist dagegen? - Das ist die große Mehrheit. Wer enthält sich? - Einzelne. Dann ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-4, der vorhin von Ihnen um den Text aus dem Antrag 4 b ergänzt wurde. Wer ist für diesen Antrag in der geänderten Fassung? - Das ist sicher die große Mehrheit.

(Beifall)

Wer ist dagegen? - Etliche Gegenstimmen. Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen. Dann ist der Antrag mit großer Mehrheit in der veränderten Fassung angenommen. Ich glaube, damit haben wir einen wichtigen weiteren Schritt in dieser schwierigen Problematik geschafft.

Wir kommen jetzt zu den restlichen Anträgen: 5, 5 a, 7, 16, 13, 27 und 28. Der Antrag 24 war bereits zurückgezogen.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-5 a, der darauf abzielt, den Antrag 5 zu ändern. Wer wünscht dem Antrag
5 a zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Es mögen sich bitte alle an der Abstimmung beteiligen. Haben Sie alle Anträge zur Hand? - Gut. Ich frage noch einmal: Wer stimmt für den Antrag 5 a? - Gegenstimmen? - Das sollten wir auszählen; das ist doch das einfachste von der Welt.

Ich frage also noch einmal: Wer stimmt dem Antrag 5 a zu? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen. Der Antrag ist mit 106 gegen 87 Stimmen bei einzelnen Enthaltungen angenommen. Der Antrag 5 ist also um diesen Satz ergänzt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den so geänderten Antrag auf Drucksache Nr. I-5. Wer wünscht dem zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Das scheint die Mehrheit zu sein. Auch hier zählen wir. Man kann auch etwas erst verändern und es dann ablehnen; das ist alles möglich. Das macht die Sache immer wieder spannend. Ich glaube, die beiden Damen, die zählen, bekommen allmählich Kilometergeld.

Ich frage also noch einmal: Wer wünscht dem Antrag 5 zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen. Dann ist dieser Antrag mit 130 gegen 88 Stimmen abgelehnt.

(Beifall)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-7. Haben Sie ihn alle? - Dann kommen wir zur Abstimmung über diesen Antrag. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Ich bitte um mehr Beteiligung. Ich frage noch einmal: Wer ist für den Antrag I-7? - Wer ist dagegen? - Das scheinen dieselben Verhältnisse zu sein. Aber auch das zählen wir aus.

Ich frage also noch einmal: Wer ist für den Antrag I-7? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen. Dann ist der Antrag mit 142 gegen 74 Stimmen bei einzelnen Enthaltungen angenommen.

(Beifall)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-16. Haben Sie ihn alle? - Gut. Wer wünscht dem Antrag 16 zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Letzteres ist die Mehrheit. Wer enthält sich? - Einzelne Enthaltungen. Dann ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag auf Drucksache Nr. I-13. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Einzelne. Wer ist dagegen? - Das sind mehr. Wenn die Beteiligung ein bißchen größer wäre, wäre das besser zu erkennen. Ich frage also noch einmal: Wer ist für den Antrag I-13? - Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit.

(Widerspruch)

- Wird das angezweifelt? - Dann zählen wir auch hier. Beteiligen Sie sich bitte stärker.

Ich frage also noch einmal: Wer ist für diesen Antrag? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Etliche Enthaltungen. Der Antrag ist mit 124 gegen 59 Stimmen bei etlichen Enthaltungen angenommen. Während des Abstimmungsprozesses hat sich das Abstimmungsverhalten modifiziert; das will ich ganz wertfrei feststellen.

Wir kommen zum Antrag auf Drucksache Nr. I-27. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Das erste war die Mehrheit. Wer enthält sich? - Einige Enthaltungen. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-28. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Das ist wiederum schwer zu sagen. Wir müssen noch einmal zählen; das übt ja ungemein.

Ich frage noch einmal: Wer wünscht dem Antrag I-28 zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Etliche Enthaltungen. Dann ist der Antrag mit 129 gegen 79 Stimmen bei etlichen Enthaltungen angenommen.

(Zustimmung)

Damit haben wir diesen Komplex erledigt. Es gibt jetzt noch eine Reihe von Anträgen zu unterschiedlichen Gebieten. Es stellt sich aber folgende Frage: Wir haben auch noch den Tagesordnungspunkt Qualitätssicherung. Es ist zu fragen, ob wir diese Anträge nicht zweckmäßigerweise beim Tätigkeitsbericht behandeln, denn sonst zerhacken wir den Komplex Qualitätssicherung. Ich schlage Ihnen vor, daß wir diese Anträge beim Tätigkeitsbericht behandeln, damit wir heute zum Thema Qualitätssicherung kommen.

Dazu bitte Herr Dietrich, Bayern.

Dr. Dr. habil. Dietrich, Bayern:

Ich plädiere dafür, zumindest die Anträge, die sich mit der IGEL-Liste beschäftigen, hier zu behandeln. Sie gehören ausdrücklich in diesen Tagesordnungspunkt.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Wenn ich es richtig sehe, beziehen sich die Anträge 18 und 26 auf den IGEL-Katalog. Wünscht jemand dagegen zu sprechen? - Formal. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag von Herrn Dietrich, aus dem verbleibenden Konvolut die Anträge 18 und 26 jetzt zu behandeln. Wer wünscht diesem Geschäftsordnungsantrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Das erste war die Mehrheit.

Jetzt bitte noch Herr Mausbach.

Prof. Dr. Mausbach, Hessen:

Herr Präsident, ich hätte nichts dagegen, jetzt die Qualitätssicherung zu behandeln. Ich denke, die anderen Anträge, die gestellt worden sind, beziehen sich ausdrücklich auf den Tagesordnungspunkt Gesundheits- und Sozialpolitik. Man kann sie ohne weiteres anschließend an die Qualitätssicherung unter diesem Tagesordnungspunkt behandeln; schließlich haben wir sehr ausführlich über gesundheits- und sozialpolitische Weichenstellungen gesprochen. Es ist wohl legitim, das auch in diesem Zusammenhang zu tun.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Wünscht jemand Gegenrede? - Formal. Wer für die Behandlung hier ist, gebe bitte das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Das erste scheint die Mehrheit zu sein. Dann behandeln wir zunächst dieses gesamte Konvolut und müssen zusehen, wie wir nachher mit der Qualitätssicherung fertig werden.

Zum IGEL-Katalog liegen zwei Wortmeldungen vor. Als erster Redner bitte Herr Weisner.

Dr. Weisner, Vorstand der Bundesärztekammer:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Einige kurze Bemerkungen zum IGEL-Katalog. Ich bitte Sie herzlich, nicht der sehr durchsichtigen und sehr pharisäerhaften Öffentlichkeitsarbeit der Krankenkassen auf den Leim zu gehen. Der IGEL-Katalog beschreibt Leistungen, die nach heutigem Recht eindeutig nicht in der GKV angesiedelt sind.

(Beifall)

Bei einigen Leistungen würden wir es von der KBV her sogar begrüßen, daß sie in den Leistungskatalog aufgenommen werden. Die Krankenkassen aber mauern. Sie möchten das bisherige Verfahren auch weiterhin praktizieren. Sie möchten sich weiterhin aussuchen können, wann sie Kosten erstatten. Von daher stellt sich das Problem der unsolidarischen Ungleichbehandlung. Die Kassen erstatten die Kosten für Tätowierungen, die sich junge, dynamische Leute aus dem Ausland mitbringen. Ärmere, kranke Menschen sind als Kunden gar nicht gesucht. Mir haben Spitzenvertreter der Krankenkassen im persönlichen Gespräch gesagt: Inhaltlich gibt es da gar nichts zu diskutieren. Es ist ein sehr gelungener Schachzug gegen die Einkaufsstrategie der Krankenkassen. Ich bitte Sie, das dabei zu beachten.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Weisner. - Als nächster Redner bitte Herr Eisenkeil, Bayern.

Dr. Eisenkeil, Bayern:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Antrag 26 von Herrn Dr. Drexler und anderen ausdrücklich widersprechen. Ich bin der festen Überzeugung, daß die Kollegen, die den IGEL-Katalog in dem Sinne anwenden, wie Herr Weisner es soeben angesprochen hat, selbstverständlich ein soziales Gewissen haben. Alle Patienten werden so versorgt, wie es medizinisch richtig ist. Die Anwendung des IGEL-Kataloges bedeutet keine Abqualifizierung desjenigen Arztes, der ihn anwendet, in sozialer Hinsicht. Das möchte ich betonen.

(Beifall)

Die darüber hinausgehende medizinische Diagnostik und Therapie, wie sie in dem Antrag angesprochen ist, kann sehr wohl problematisch sein. Es ist unsere Aufgabe, Patienten von solchen Therapien oder Maßnahmen abzubringen. Wenn Leistungen erbracht werden, die nicht im gesetzlichen Katalog stehen, sind sie privatärztlich zu bezahlen.

Danke schön.

(Zustimmung)
 

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster Redner bitte Herr Kahlke, Hamburg.

Prof. Dr. Kahlke, Hamburg:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Antrag 18 gestellt. Ich will auf das, was Herr Theurich hier gesagt hat, nicht eingehen. Im Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten ist eine Veränderung dadurch eingetreten, daß jetzt nicht mehr primär von der ärztlichen Seite die erforderliche Entscheidung getroffen wird. Der Patient kommt mit einem Leiden, mit einer Krankheit, und die ärztliche Entscheidung betrifft die Frage, was dagegen zu tun ist. In dem Moment, da man sich zu einem Leistungserbringer macht und nicht die eigene Entscheidung gegeben ist, wird das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gefährdet. Wenn man erklärt, man könne zwar etwas tun, es sei aber nicht nötig, erwächst daraus eine gewisse Angst. Diese Situation ist so ähnlich wie bei den Beipackzetteln, bei denen die Patienten auf das geschaut haben, was ihnen die größte Angst machte.

Um gewisse Leitlinien im Zusammenhang mit der neuen Situation im Verhältnis zwischen Arzt und Patient zu erarbeiten, habe ich empfohlen, durch den Vorstand der Bundesärztekammer eine Kommission einzuberufen, in der sich klinische Wissenschaftler und Medizinethiker bemühen, im Zusammenhang mit dem IGEL-Katalog Leitlinien zu formulieren, damit festgestellt werden kann, was in diesem Katalog im Sinne von angst machend oder sogar krank machend gefährlich ist. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.

Danke.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Kahlke. - Als nächster Redner bitte Herr Holzborn, Nordrhein.

Dr. Holzborn, Nordrhein:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann einigermaßen befriedigt feststellen, daß es gelegentlich zum Erfolg führt, wenn man dicke Bretter lange genug bohrt. Dieser IGEL-Katalog ist ein Ergebnis des langen Bohrens von dicken Brettern. Auf dem Ärztetag in Dresden habe ich beispielsweise eine berufsgenossenschaftliche Absicherung von Sportverletzungen angeregt. Das hat zu einem Aufschrei geführt. Mittlerweile haben viele begriffen, daß das, was sportmedizinisch über den Krankenschein abgerechnet wurde, nun nicht mehr honoriert wird. Inzwischen ist dieses Werbeargument entfallen. Jetzt entdecken einige Kollegen, daß es eine ganze Menge anderer qualifizierter Leistungen gibt, die wir als niedergelassene Ärzte anbieten können. Es muß ja nicht die Sportmedizin sein. Das wollen wir uns per Einzelvertrag mit dem Patienten honorieren lassen, weil wir qualifizierte Arbeit leisten und die Patienten solche Leistungen nachfragen.

Alles in diese überstülpende Käseglocke zu packen, war schon damals falsch, und es ist heute noch genauso falsch. Wir wollen, daß die Patienten ausreichend betreut werden, wenn sie krank sind. Wenn sie aber nicht krank sind, sondern Zusatzleistungen wollen, die wir besser erbringen können als irgendwelche Tattoo-Studios oder Heilpraktiker, dann muß dafür gezahlt werden. Ich weiß nicht, ob man dafür eine wissenschaftliche Kommission benötigt.

Herr Mausbach, treiben Sie bitte keinen Keil zwischen Patient und Arzt. Die Patienten haben auch früher sehr genau gewußt, was sie aus dem System herausholen können. Das ist heute noch genauso. Ich verprelle den Patienten nicht, wenn ich ihm sage, daß er wie bisher die Leistung qualifiziert über die Versichertenkarte bekommt, während gewisse Leistungen genauso qualifiziert erbracht werden, aber eine andere Honorierungsform gefunden werden muß. Das kann der Patient auf anderem Wege selbst absichern.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke sehr. - Bei den Anträgen 18 und 26 ist ganz klar: Wo "IGEL" draufsteht, ist auch "IGEL" drin. Beim Antrag 19 steht das nicht drauf, ist aber drin. Wir müssen den Antrag 19 mit in diese Beratung einbeziehen.

Nunmehr hat Herr Rudat, Thüringen, das Wort. Bitte.

Dr. Rudat, Thüringen:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Igel ist ein nützliches, aber eben auch ein stachliges Tier. Genauso verhält es sich mit dem IGEL-Katalog. Es muß eine eindeutige Grenzziehung geben, wo der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung endet. Zumindest die niedergelassenen Kollegen wissen, daß diese Grenzziehung in der täglichen Praxis, aus welchen Gründen auch immer, sehr oft nicht eindeutig ist. In Zeiten des Honorarmangels, in Zeiten, in denen wir darüber klagen, daß immer mehr Leistungen in unsere gedeckelte Gesamtvergütung hineingedrückt werden, ist es zum einen legitim und zum anderen dringend erforderlich, daß klargestellt wird, wo die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung endet, so daß der Patient sein individuelles Begehren selbst finanzieren muß.

Herr Professor Kahlke, Ihre Argumentation und auch Ihre Intention, Gremien zu schaffen, um dies vielleicht noch zweifelsfreier zu gestalten, ehren Sie. Wenn Sie sich den IGEL-Katalog genau anschauen, stellen Sie fest, daß man einen derartigen Aufwand nicht betreiben muß. Im Grunde ist die Problematik ziemlich eindeutig.

Vielen Dank.

(Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster Redner bitte Herr Drexler, Hessen.

Dr. Drexler, Hessen:

Sehr geehrter Herr Vilmar! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Niemand bezweifelt, daß es Leistungen gibt, die außerhalb des GKV-Katalogs liegen, die wir qualifiziert erbringen können. Das ist nicht der Punkt. Die Frage ist vielmehr, ob hier nicht eine neue Qualität entsteht, ob hier nicht ein neues Element der Patientenversorgung eingeführt wird, und zwar von uns, indem der Aspekt des Geldes tatsächlich einen Keil zwischen Patient und Arzt treibt. Dies ist ein grundsätzliches Risiko, das man bedenken muß. Darum geht es in diesem Antrag.

Ich denke, daß der IGEL-Katalog etwas zu schnell und zuwenig bedacht gekommen ist. Das hätte im Gespräch zwischen den Krankenkassen und uns sehr sorgfältig bedacht werden müssen, auch hinsichtlich der Effekte, die so etwas gesundheitspolitisch erzeugt. Was bedeutet dieser Katalog für zukünftige Verhandlungen? Was wird sich an zusätzlichen finanziellen Aufwendungen ergeben für Leistungen, die später vielleicht aus dem GKV-Leistungskatalog gestrichen werden?

Wie ist bei präventiven Leistungen die Abgrenzung zwischen Patientenwunsch und medizinischer Notwendigkeit? Das hat man beim IGEL-Katalog und bei der Art, wie er publiziert wurde, zuwenig bedacht. Ich meine also, man sollte dieses zurückziehen. Hier ist meines Erachtens ein Votum der Ärzteschaft erforderlich. Sie sehen das möglicherweise anders. Damit wird man leben können. Ich denke, daß hier eine problematische Entwicklung auch hinsichtlich unserer ethischen Grundprinzipien begonnen hat, die so nicht hingenommen werden darf.

Danke.

(Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster Redner bitte Herr Dietrich.

Dr. Dr. habil. Dietrich, Bayern:

Nach dem SGB V sind wir gehalten, unsere medizinischen Maßnahmen nach dem Notwendigen, Zweckmäßigen und Ausreichenden auszurichten. Der IGEL-Katalog ist der Einstieg in die Praxis, das Notwendige und Ausreichende von dem zu trennen, was vielleicht optimal ist. Dieser Katalog ist ein Schritt in die Richtung, daß es zum einen eine ausreichende und notwendige Behandlung gibt, zum anderen eine optimale Behandlung, die aus der Tasche des Patienten zu bezahlen ist. Es ist unstrittig, daß es Leistungen gibt, die außerhalb des GKV-Katalogs liegen. Dafür gibt es Regelungen. Im Bundesausschuß wird verhandelt, was die Kasse zahlt und was sie nicht zahlt. Diese Institution gibt es schon lange.

Es ist nicht einzusehen, daß außerhalb dieser Institution die Ärzteschaft ohne Zusammenarbeit mit den Kostenträgern eine eigene Liste erstellt.

Herr Kahlke hat in seinem Antrag die sogenannten primärpräventiven Maßnahmen angesprochen. Ist es richtig, wenn ich eine symptomlose Carotis mit Ultraschall untersuchen und privat kassieren kann, während die Folgekosten, die falsch positiven Resultate mit allen Konsequenzen für den Patienten, die gesetzliche Krankenversicherung belasten? Es ist unethisch, eine nicht symptomatische Carotis mit Ultraschall zu untersuchen und den Patienten dafür zur Kasse zu bitten, ob nun über die Kasse oder privat. Hier ist der erste Einstieg, besonders zu berechnende Leistungen zu installieren.

Die Sportmedizin wird der nächste Bereich sein. Sie gehört per se noch nicht zum IGEL-Katalog. In der letzten Ausgabe des "Deutschen Ärzteblattes" wurde über sinnvolle präventive Maßnahmen nach einem Herzinfarkt berichtet. Sollen wir bei den Patienten, die wir auffordern, in Koronargruppen Sport zu treiben, die sich bei diesem Sport den Knöchel brechen, per IGEL-Katalog privat liquidieren? Das ist Unsinn! Sport ist eine gute Sache, und wenn dabei etwas passiert, muß die Allgemeinheit die Kosten tragen, denn die Gesellschaft profitiert schließlich auch von der Gesundheit, die sich durch das Treiben von Sport einstellt.

Wir sollten uns sehr davor hüten, den ersten Schritt zu einer Trennung zu tun zwischen dem, was wir für ausreichend betrachten - die sogenannte Kassenmedizin -, und dem, was optimal und gut für den Patienten ist, letzten Endes aber auch gut für das Portemonnaie des Arztes. Deswegen bitte ich Sie, diese Anträge anzunehmen.

(Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächste Rednerin bitte Frau Müller-Dannecker, Berlin.

Dr. Müller-Dannecker, Berlin:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche zum Antrag I-19, bei dem ich meine, daß er im Zusammenhang mit dem IGEL-Katalog diskutiert werden sollte, weil wir Transparenz sowohl für die Ärzteschaft als auch für die Patienten benötigen. Wir müssen begründen, warum bestimmte Leistungen finanziert werden, andere nicht. Da gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Diese Gründe müssen sowohl dem Patienten als auch dem Arzt klar sein.

Wenn wir den Eindruck erwecken, daß Leistungen nur erbracht werden, um das ärztliche Einkommen zu steigern, wenn der Patient nicht sicher sein kann, daß für ihn das Nutzen-Risiko-Verhältnis stimmt, ist der Patient ein Opfer und Nichtwisser. Wenn der Patient etwas von uns fordert, müssen wir ihm klarmachen, wie der Kenntnisstand ist, ob es vielleicht eine unwirksame Methode ist, ob wir die Erbringung der Leistung verantworten können. Ich bitte Sie um Prüfung, ob der Antrag I-19 unabhängig von der vielleicht etwas polemischen IGEL-Diskussion nicht der richtige Weg ist, und zwar sowohl für den Arzt als auch für den Patienten.

Danke schön.

(Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Frau Müller-Dannecker. - Als nächster Redner bitte Herr König, Hessen.

Dr. König, Hessen:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wundere mich, daß der IGEL-Katalog hier behandelt wird. Wir waren damals sehr froh, daß endlich definiert wurde, was Kassenleistung ist und was nicht. Der Patient kommt mit einer Wunschvorstellung in die Praxis, und wenn die Wunschvorstellung realisiert werden kann, muß sie bezahlt werden. Wenn ich mit dem Flugzeug unterwegs bin, komme ich unabhängig davon, in welcher Klasse ich fliege, ans Ziel. Wenn die Patientin in der gynäkologischen Praxis mehr Ultraschalleistungen fordert, können wir diese erbringen, aber dann muß die aufgewendete Zeit auch bezahlt werden. Deshalb ist der IGEL-Katalog zu befürworten. Wir verkaufen keine Ware, sondern wir bieten den Patienten unsere Leistungen an. Diese Leistungen müssen bezahlt werden. Das ist auch kein Abzocken. Liebe Kollegin, ich finde, es ist ganz schlimm, wenn Sie so etwas sagen. Die Patienten bezahlen bei den Heilpraktikern sehr viel Geld für Schnickschnack. Wir Ärzte bieten aber keinen Schnickschnack, sondern ärztliche Leistungen an. Dafür gibt es den IGEL-Katalog. Ich bin dafür, daß er respektiert wird.

Danke.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster Redner bitte Herr Koch, Baden-Württemberg.

Dr. Koch, Baden-Württemberg:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der IGEL-Katalog ist zunächst einmal das Problem der KBV; sie hat ihn in die Welt gesetzt. Die KBV hat die Emotionen auszuhalten. Ich bin sicher, daß sie dies tun wird.

Herr Kahlke, jetzt muß ich als stellvertretender Vorsitzender der Finanzkommission der Bundesärztekammer folgendes sagen. Immer dann, wenn es ums Geld geht, bin ich sehr hellhörig. Hinzu kommt, daß ich Schwabe bin. Wenn eine Kommission gefordert wird, deren Existenz nicht zwingend notwendig ist - das ist jedenfalls noch nicht ausdiskutiert -, dann sollten wir das bei der KBV ansiedeln. Deshalb bitte ich Sie, den Antrag 18 abzulehnen.

Danke.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster Redner bitte Herr Dieter, Baden-Württemberg.

Dr. Dieter, Baden-Württemberg:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Diskussion über den IGEL-Katalog stellt man immer wieder fest, daß die Inhalte dieses Katalogs sehr vermischt werden. Es gibt einerseits die Kosten für Krankheiten, die nicht durch die GKV versichert sind, weshalb diese Kosten auch nicht erstattet werden dürfen. Andererseits gibt es zunehmend Leistungen, die dem Patienten im Rahmen der Prävention angeboten werden. Ein Patient kommt beispielsweise zum Check-up und möchte auch ein Belastungs-EKG haben, ohne daß dafür eine medizinische Indikation vorliegt. Was geschieht in der Realität? Dieser Teil des Belastungs-EKG wird in die Kuration hineingedrückt.

Solange es ein Budget gibt, solange wir ausreichend, notwendig und zweckmäßig behandeln müssen, sollten wir dem mündigen Bürger die Möglichkeit geben, daß er dieses Belastungs-EKG bekommt, aber bitte nicht im Rahmen der gedeckelten Honorare. Deshalb bitte ich Sie dringend, die Anträge 18 und 26 abzulehnen.

(Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster Redner bitte Herr Gudat, Nordrhein.

Dr. Gudat, Nordrhein:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße den IGEL-Katalog, weil man sich dort zum ersten Mal bemüht, eine saubere Trennung zwischen dem Notwendigen und dem nicht Notwendigen herbeizuführen. Ich kann beispielsweise nicht einsehen, daß sich jemand eine sehr teure Reise in die Tropen leistet, die für die erforderlichen Impfungen entstehenden Kosten aber der Versichertengemeinschaft auferlegen möchte. Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Ich bitte Sie, die Anträge 18 und 26 abzulehnen.

Danke.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Jetzt bitte Herr Bicker, Nordrhein.

Bicker, Nordrhein:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kahlke und Herr Drexler, Sie sprachen von Leistungen für die Primärprävention. Herr Drexler hat eben die koronare Sportgruppe im Zusammenhang mit Sekundärpräventionsleistungen angeführt. Warum soll man erst da ansetzen? Ist es nicht viel sinnvoller, Primärprävention zu betreiben, beispielsweise im Hinblick auf die Ernährung oder sportliche Tätigkeiten zur Verhinderung eines Infarkts? Ich plädiere dafür, den Antrag 18 abzulehnen, unabhängig vom IGEL-Katalog.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster bitte Herr Adam, Bayern.

Prof. Dr. Dr. Adam, Bayern:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Antrag 26 ist formuliert:

Das soziale Gewissen verlangt eine Versorgung aller Patienten ohne soziale und finanzielle Benachteiligung. Das ist sicher richtig. Aber was hat das mit der Aufstellung einer Liste zu tun, die in keinem Zusammenhang mit diesen sozialen Leistungen steht? Man kann nur feststellen, daß der Patient - vom Patienten hat hier noch keiner gesprochen - einen Anspruch darauf hat, zu erfahren, was außerhalb der üblichen Finanzierungsmöglichkeiten liegt. Schon das ist ein Grund für eine solche Liste.

Meine Damen und Herren, machen Sie sich einmal Gedanken über die zukünftige Lebenserwartung. Das Durchschnittsalter wird auf 100 Jahre und mehr steigen. Wer soll dann noch die sozialen Leistungen finanzieren, wenn wir jetzt nicht beginnen, über einen solchen Katalog das herauszunehmen, was wir nicht finanzieren können? Schon deshalb bitte ich Sie, die Anträge 26 und 18 abzulehnen.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke sehr. - Damit ist die Rednerliste abgearbeitet. Wir kommen zur Abstimmung über die Anträge 18, 19 und 26. Dazu liegt der Antrag von Herrn Herborn vor, diese Anträge an den Vorstand zu überweisen.

(Zurufe)

- Ich teile es ja nur mit. Sie können sich dazu ja eine Meinung bilden.

Sie können es gern selbst begründen, Herr Herborn. Bitte.

Dr. Herborn, Hessen:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht, daß morgen in der Zeitung steht, daß geldgierige Ärzte diesen Vorschlag abgelehnt oder ihm zugestimmt haben. Wegen dieses IGEL-Katalogs wird uns von der Presse sowieso ununterbrochen saurer Wein eingeschenkt. Wir werden sowieso wegen dieser blöden IGEL-Angelegenheit rund um die Uhr von allen Seiten befehdet. Wir sollten es uns leichtmachen und diese Anträge weder annehmen noch ablehnen. Wir sollten sie zur weiteren Beratung an den Vorstand überweisen. Dann kann uns der Vorstand auf dem nächsten Deutschen Ärztetag oder zwischendurch im "Deutschen Ärzteblatt" über die Ergebnisse der Beratungen unterrichten. Ich glaube, das ist die zweckmäßigste Lösung. Das wäre für die Darstellung nach außen für uns das beste.

Ich danke Ihnen.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Dazu noch eine Wortmeldung. Bitte.

Dr. Kapplan, Bayern:

Ich stelle hinsichtlich dieser drei Anträge den Antrag auf Nichtbefassung.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Dieser Antrag ist noch weitergehend. Es ist irgendwie delikat, daß wir hier eine halbe Stunde darüber diskutieren und anschließend sagen: Nichtbefassung. Aber der Antrag ist gestellt, und wir stimmen über ihn ab. Wer wünscht, nachdem wir so lange darüber diskutiert haben, sich nicht mit den Anträgen 18, 19 und 26 zu befassen? - Das sind etliche. Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit. Enthaltungen? - Wir befassen uns also mit diesen Anträgen.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-18. Es ist Vorstandsüberweisung beantragt. Darüber wird zunächst abgestimmt. Wenn wir den Antrag nicht an den Vorstand überweisen, müssen wir uns anschließend hier eine Meinung bilden. Wer wünscht Vorstandsüberweisung? - Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit. Dann bilden wir uns hier eine Meinung. Wer wünscht dem Antrag 18 zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit; etliche Zustimmungen. Wer enthält sich? - Dann ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir verfahren in derselben Weise mit dem Antrag auf Drucksache Nr. I-19. Auch hier zunächst die Frage: Wer wünscht Vorstandsüberweisung? - Wer ist dagegen? - Letzteres ist die Mehrheit. Die Vorstandsüberweisung ist abgelehnt. Wir kommen zur Meinungsbildung über diesen Antrag. Wer will dem Antrag 19 zustimmen? - Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit. Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen. Dann ist der Antrag bei zahlreichen Zustimmungen mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-26. Auch hier zunächst die Frage: Wer wünscht Vorstandsüberweisung? - Einzelne. Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit. Dann bilden wir uns hier eine Meinung. Wer wünscht dem Antrag zuzustimmen? - Etliche. Wer ist dagegen? - Das ist die große Mehrheit. Wer enthält sich? - Einige. Dann ist der Antrag ebenfalls abgelehnt.

Wir kommen nun zu den übrigen Komplexen. Zunächst bitte Herr Theurich aus Nordrhein zum AiP. Bitte.

Theurich, Nordrhein:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Den AiP gibt es immer noch, und deshalb muß ich Ihnen auch zumuten, mein Votum gegen den AiP anzuhören. Wir haben vor Jahren diese Kröte AiP schlucken müssen. Inzwischen modert sie schon im Bauch herum und bedarf der endgültigen Extraktion.

Der AiP hat den Engpaß bei den Weiterbildungsplätzen nicht beseitigen können, bis heute nicht. Zunächst haben wir das als kostenneutral betrachtet. Wir haben den approbierten Arzt durch drei AiPler ersetzt und haben somit zwei motivierte Ärzte von der Straße bekommen. Dann haben wir einen approbierten Arzt durch zwei AiPler ersetzt. Inzwischen ist das Verhältnis in den Krankenhäusern, die mir bekannt sind, 1 : 1.

Wir haben also einen Billig-Stationsarzt bekommen, der identische Aufgaben hat wie der Stationsarzt, nur daß er nicht ganz so ernst genommen wird. Man hört immer wieder: Der braucht nicht zur Fortbildung zu fahren, der ist ja nur der AiPler! Er macht aber dieselbe Arbeit, und es ist makaber, daß dieser AiPler in kleinen Krankenhäusern allein den Nachtdienst versieht. Er bildet sich dort selber fort.

Ich meine, es muß endgültig Schluß mit diesem Thema sein. Ich würde mich freuen, wenn Sie meinen Antrag unterstützen würden.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächste Rednerin bitte Frau Ebert-Englert, Niedersachsen.

Dr. Ebert-Englert, Niedersachsen:

Ich möchte zur Bioethikkonvention sprechen. Ich bitte Sie eindringlich, dem Antrag I-10 zuzustimmen. Inzwischen habe ich Stimmen aus der Ärzteschaft beispielsweise zum Artikel 6 gehört, der die Forschung an nicht einwilligungsfähigen Patienten erlauben soll. Hier ist ein Paradigmenwechsel vorgesehen: Die Forschung soll nicht zum Wohle des Individuums erlaubt werden, sondern zum Wohle zukünftiger Generationen. Es gibt Behauptungen, in Deutschland liege die Forschung darnieder, beispielsweise bei Alzheimer. Ich finde, das kann kein Argument sein, einen derartigen Wechsel in der ethischen Betrachtungsweise vorzunehmen. Ich bitte Sie nochmals, dem Antrag 10 zuzustimmen.

(Vereinzelt Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster Redner bitte Herr Mausbach, Hessen.

Prof. Dr. Mausbach, Hessen:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben sehr lange über berufspolitische Fragen gesprochen. Ich denke, unter dem Stichwort Gesundheits- und Sozialpolitik müssen wir uns auch mit den großen sozialen Problemen unserer Zeit befassen. Es ist für Ärztinnen und Ärzte sehr legitim, das zu tun. Wir tun das in der Tradition von Rudolf Virchow und vielen anderen.

Wir leben in einem Land mit chronischer Massenarbeitslosigkeit, die inzwischen so stark gestiegen ist, daß wir sagen müssen: Hier haben wir eine Pflicht zum Handeln, denn diese Menschen sind, wie Untersuchungen zeigen, besonders häufig von Krankheiten betroffen. Wir haben deshalb in der Landesärztekammer Hessen Anträge zur chronischen Massenarbeitslosigkeit, zur neuen Armut und zur Wohnungslosigkeit sowie zur ärztlichen Versorgung dieser Personen mit Mehrheit verabschiedet. Ich denke, das ist eine sinnvolle Form, der Öffentlichkeit gegenüber zu zeigen, daß es uns nicht nur um die eigenen materiellen Interessen geht - das ist eigentlich selbstverständlich für Ärztinnen und Ärzte -, sondern daß es uns auch darum geht, unseren mahnenden Beitrag zu problematischen Entwicklungen in der Gesundheits- und Sozialpolitik zu erbringen.

Ich bitte Sie deshalb, auch Ihrerseits diese Anträge zu unterstützen. Es handelt sich um die Anträge 9, 12 und 20.

Vielen Dank.

(Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Vielen Dank, Herr Mausbach. - Als nächster Redner bitte Herr Flenker.

Dr. Flenker, Vorstand der Bundesärztekammer:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Massenarbeitslosigkeit ist die neue Geißel zahlreicher moderner Industrienationen. Massenarbeitslosigkeit ist auch eine Geißel unserer Gesellschaft. Wir haben einen traurigen Rekord von fast fünf Millionen Arbeitslosen. Herr Mausbach hat die Situation sehr eindrucksvoll dargestellt.

Die Massenarbeitslosigkeit rüttelt an den Grundfesten unserer sozialen Sicherungssysteme, die Massenarbeitslosigkeit rüttelt an den Grundfesten unserer Gesellschaft. Aus diesem Grunde sind alle Anstrengungen zu begrüßen und zu unterstützen, die sich gegen die Arbeitslosigkeit richten; denn sie bedeuten eine Sicherung und Stärkung unserer sozialen und demokratischen Grundordnung. Die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit bedeutet gleichzeitig das Entstehen neuer Beitragszahler für unsere sozialen Sicherungssysteme, insbesondere auch für das Gesundheitssystem. Auf diese Weise kann endlich das unbedingt erforderliche Geld in das Gesundheitswesen fließen.

Die Beseitigung von Massenarbeitslosigkeit bedeutet auch das beste Mittel gegen neue Armut in dieser Gesellschaft. Ich bin der Auffassung - ich bin sicher, daß Sie alle diese Auffassung teilen -, daß unsere Gesellschaft auch in Zeiten ökonomischer Probleme eine solidarische Gesellschaft bleiben muß, in der Kranke und sozial Bedürftige einen besonderen Schutz dieser solidarischen Gesellschaft genießen.

Aus diesem Grunde möchte ich Sie um etwas bitten, was fast eine Selbstverständlichkeit ist, nämlich den Anträgen 9 und 12 von Herrn Mausbach zuzustimmen.

Danke.

(Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Flenker. - Als nächste Rednerin bitte Frau Jacoby, Berlin.

Dr. Jacoby, Berlin:

Meine Damen und Herren! Das, was eben ausgeführt wurde, liegt auch mir am Herzen. Ich denke, daß alle drei Phänomene - Massenarbeitslosigkeit, Armut und Wohnungslosigkeit - riesige Probleme sind, die miteinander im Zusammenhang stehen. Wir Ärztinnen und Ärzte sind so ziemlich die einzigen, die diese Folgen unmittelbar mitbekommen. Die meisten Menschen erkennen die Situation erst dann, wenn sie selbst oder ihr unmittelbares Umfeld betroffen sind. Wir sehen die Situation in unseren Praxen und auch in den Rettungsstellen.

Bei uns in Berlin gibt es eine Obdachlosenambulanz, die von Herrn Huber gefördert wird. Das ist eine sehr gute Sache. Natürlich wäre es noch besser, die Menschen würden überhaupt nicht obdachlos. Ich möchte Ihnen sehr ans Herz legen, Ihre Stimme zu erheben, die draußen gehört wird, ganz sicher auch von der Politik. Sie sollten den Anträgen 9, 10 und 20 zustimmen.

Vielen Dank.

(Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Frau Jacoby. - Als nächster Redner bitte Herr Drexler, Hessen.

Dr. Drexler, Hessen:

Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zum Antrag 10, der sich auf die Bioethikkonvention bezieht. Ich habe diesen Antrag trotz der eindeutigen Beschlußlage auf den vorhergehenden Ärztetagen gestellt, nachdem ich Ihren Beitrag, Herr Vilmar, mit der Aussage hören mußte, es sei auch für die Bundesrepublik an der Zeit, die Bioethikkonvention zu ratifizieren.

Ich denke, hier unterliegen Sie einer Fehleinschätzung. Die Probleme im Zusammenhang mit der Forschung mit und an nicht einwilligungsfähigen Personen sind noch nicht im Bewußtsein der Ärzteschaft verankert, auch nicht bei der Justiz, auch nicht beim Personal, das sich um diese Personen kümmert. In letzter Zeit erschienen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und in der "Frankfurter Rundschau" ausgiebige Berichte über Massenblutentnahmen in Heimen für geistig und körperlich Behinderte. Das wurde lange geleugnet.

Wir haben am Urteil des Europäischen Gerichtshofs bemerkt, daß es einen Normierungs- und Reglementierungsdruck innereuropäisch geben wird. Bei uns ist die Diskussion viel weiter als in anderen europäischen Ländern gediehen. Ich glaube, darauf können wir stolz sein. Wir können auch stolz darauf sein, daß der Deutsche Ärztetag in dieser Richtung wiederholt mahnend seine Stimme erhoben hat.

Ich bitte Sie, meinem Antrag 10 zuzustimmen. Er ist wertvoll für die weitere Diskussion.

Danke.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster Redner bitte Herr Kahlke, Hamburg.

Prof. Dr. Kahlke, Hamburg:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann direkt an das anschließen, was Herr Kollege Drexler gesagt hat. Es mag sein, daß das Thema Bioethikkonvention unter dem Tagesordnungspunkt Gesundheitspolitik ein wenig angehängt erscheint. Es geht um Personen, über deren Einstellung zu bestimmten Untersuchungen man nichts mehr weiß. Ich denke, wenn man sagt, in diesem einen Punkt sollte es im Interesse des Fortschritts zulässig sein, ihnen minimale Risiken zuzumuten, auch wenn sie nicht mehr die Nutznießer sind, dann überschreitet man eine ganz entscheidende Grenze. Das dürfen wir nicht zulassen, selbst wenn wir für die beharrliche Zurückhaltung bei der Unterzeichnung der Bioethikkonvention von dem einen oder anderen Land gescholten werden. Hier geht es um eine grundsätzliche Frage. Man kann auch nicht so argumentieren, wie mir gegenüber ein Kollege dies tat, dadurch schließe man einige hunderttausend Demente vom medizinischen Fortschritt aus. Das ist nicht richtig. Es gibt genügend angelsächsische Arbeiten, welche die Richtigkeit dieser Behauptung zweifelhaft erscheinen lassen.

Ich denke, es ist erforderlich, daß wir Ärzte in der Öffentlichkeit immer wieder Vertrauen sammeln. Wenn wir in der Öffentlichkeit hinsichtlich der Forschung Vertrauen genießen, wird es möglich sein, daß mehr Menschen als bisher frühzeitig, nämlich wenn sie noch entscheidungsfähig sind, erklären: Wenn ich in die Situation der Entscheidungsunfähigkeit komme, bin ich mit entsprechenden Maßnahmen einverstanden. Bei ausreichenden vertrauensbildenden Maßnahmen sind solche Zustimmungen im Vorwege zu erreichen.

Wir sollten uns hüten, Menschen in der Medizin als Personen zu instrumentalisieren, nur um eines fragwürdigen Fortschritts willen. Deshalb bitte ich Sie, dem Antrag 10 zuzustimmen.

Danke.

(Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Kahlke. - Als nächster Redner bitte Herr Bialas, Hamburg.

Prof. Dr. Bialas, Hamburg:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte etwas zu den Themen Armut, Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit sagen, weil ich das Gefühl habe, Teile der bisherigen Diskussion könnten ein wenig scheinheilig wirken. Insbesondere Ihren Beitrag, Herr Flenker, empfand ich so. Sagen Sie mir doch, wie wir die Arbeitslosigkeit denn beseitigen wollen. Es lohnt nicht, so zu tun, als nütze es etwas, hier laut zu protestieren. Das tun wir seit Jahren. Zur Zeit gibt es leider kein Rezept gegen die Arbeitslosigkeit.

Zur Wohnungsnot kann ich nur sagen: In der Großstadt Hamburg gibt es ausreichend Wohnraum. Davon verstehe ich ein wenig. Es mangelt an preiswertem Wohnraum. Es gibt Gott sei Dank hinreichende Möglichkeiten der Förderung.

Die Armut ist ein großes Problem; daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Wir bemühen uns als Hamburger Ärztekammer, im Rahmen der Gesundheitsförderungskonferenz mit allen übrigen Institutionen der Sozial- und Gesundheitspolitik daran etwas zu ändern. Aber daß wir hier meinen, dadurch, daß wir einer Entschließung zustimmen, hätten wir auch nur einen einzigen Arbeitslosen in Arbeit gebracht, halte ich für schlimm!

(Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke schön. - Als nächster Redner bitte Herr Möller, Westfalen-Lippe.

Dr. Möller, Westfalen-Lippe:

Ich kann gleich daran anschließen. Herr Bialas hat ausgeführt, daß Deklarationen zur Armut und zur Arbeitslosigkeit nicht ausreichen. Ich weise Sie darauf hin: Wenn Sie Arbeitslosigkeit und Armut beseitigen wollen, stärken Sie den Mittelstand! Nur er schafft Arbeitsplätze, nicht die anderen.

(Vereinzelt Zustimmung)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster Redner bitte Herr Mausbach, Hessen.

Prof. Dr. Mausbach, Hessen:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es reicht aus, die Anträge zu lesen, um zu erkennen, daß es hier um einen notwendigen ärztlichen Appell geht, etwas zu tun. Natürlich können wir hier keine Detailfragen lösen. Aber die Folgen der Probleme kommen bei uns an, sie stehen vor der Tür unserer Praxen und auch vor den Türen der Krankenhäuser. Wir müssen dazu etwas sagen.

Ich möchte zu einem Punkt etwas konkreter werden, damit Sie verstehen, welches unser Anliegen ist. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es nach der Bielefelder Zählung - das ist die einzige dieser Art - etwa 900 000 Menschen ohne Wohnung. Von ihnen leben etwa 150 000 unmittelbar auf der Straße. Junge Kolleginnen und Kollegen in vielen Städten - beispielsweise in Mainz, Frankfurt oder Berlin - bemühen sich um die Schaffung von Versorgungsmodellen. Sie gehen auf die Straßen, sie versorgen diese Menschen, obwohl es im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten sehr schwierig ist, dies zu tun.

Kürzlich wurde in der Universitäts-Hautklinik in Mainz gezeigt, unter welchen Problemen diese Menschen leiden. Gleichzeitig wurde erklärt, was bei ihnen an dermatologischen Erkrankungen festzustellen ist.

Ich denke, wir brauchen in der Ärzteschaft solche Formen des Engagements. Wenn wir die jungen Kolleginnen und Kollegen, die solche Arbeit leisten, unterstützen - im Antrag 20 sind dazu einige Anregungen enthal-
ten -, wird man das im Lande verstehen und hören. Man wird sehen, daß wir uns nicht nur um materielle Fragen kümmern, sondern auch um die großen sozialen Probleme unseres Landes.

Ich danke Ihnen und bitte Sie um Unterstützung.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Mausbach. - Jetzt bitte Herr Stöckle, Bayern, zur Geschäftsordnung.

Dr. Stöckle, Bayen:

Meine Damen und Herren Delegierten! Wir haben uns zwischenzeitlich eingehend mit diesen Anträgen befaßt. Die Antragsteller haben zu dieser Problematik ausführlich Stellung genommen. Wir sind in der Lage, über die Anträge abzustimmen. Wir alle sehen die angeführte Problematik. Deshalb stelle ich den Antrag auf Schluß der Debatte.

Danke.

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Herr Stöckle hat den Antrag auf Schluß der Debatte gestellt. Wünscht jemand dagegen zu sprechen? - Formal. Wer ist für den Antrag von Herrn Stöckle auf Schluß der Debatte? - Das scheint die Mehrheit zu sein. Wer ist dagegen? - Das erste war die Mehrheit. Damit ist Schluß der Debatte beschlossen. Dann stimmen wir jetzt über die Anträge ab.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-9. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Das erste war die Mehrheit. Enthaltungen? - Dann ist der Antrag bei zahlreichen Gegenstimmen und etlichen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-10; hier geht es um die Bioethikkonvention.

(Zuruf: Vorstandsüberweisung!)

- Der Antrag soll an den Vorstand überwiesen werden. Wer ist für Vorstandsüberweisung? - Das ist offenbar schon die Mehrheit. Wer ist dagegen? - Das erste war die Mehrheit. Dann ist der Antrag mit Mehrheit an den Vorstand überwiesen.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr.
I-11. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Das ist wohl die Mehrheit. Wer ist dagegen? - Das erste war die Mehrheit; etliche Gegenstimmen. Enthaltungen? - Einige Enthaltungen. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-12.

(Zuruf: Vorstandsüberweisung!)

- Es wird Vorstandsüberweisung beantragt.

(Zurufe: Nein!)

- Sie können das ja ablehnen. Wir stimmen jetzt über den Antrag auf Vorstandsüberweisung ab. Wer wünscht Vorstandsüberweisung? - Einzelne. Wer ist dagegen? - Das ist die große Mehrheit. Dann ist die Vorstandsüberweisung abgelehnt. Wir bilden uns hier eine Meinung zu diesem Antrag. Wer wünscht dem Antrag I-12 zuzustimmen? - Das scheint die Mehrheit zu sein. Wer ist dagegen? - Das erste war die Mehrheit. Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen, etliche Gegenstimmen. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-17. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Ich bitte um mehr Beteiligung. Haben Sie alle den Antrag? - Ich frage noch einmal: Wer ist für Antrag I-17? - Wer ist dagegen? - Das zählen wir besser aus.

Ich frage also noch einmal: Wer wünscht dem Antrag I-17 zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Etliche Enthaltungen. Dann ist dieser Antrag mit 112 gegen 69 Stimmen angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. I-20. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Das erste war die Mehrheit. Wer enthält sich? - Dann ist der Antrag mit Mehrheit bei zahlreichen Gegenstimmen und etlichen Enthaltungen angenommen.

Nun hat Herr Flenker um eine persönliche Erklärung gebeten. Bitte, Herr Flenker.

Dr. Flenker, Vorstand der Bundesärztekammer:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Bialas, bisher habe ich Sie eigentlich als fairen Diskussionspartner geschätzt. Es verwundert mich schon sehr, daß Sie mir Scheinheiligkeit vorwerfen. Ich hätte eigentlich in dieser Frage von dem ehemaligen Bausenator der Freien und Hansestadt Hamburg und profilierten FDP-Politiker mehr wirtschaftswissenschaftliches Wissen vermutet, als Sie hier an den Tag legen, wenn Sie behaupten, Rezepte gegen Massenarbeitslosigkeit gebe es nicht. Sie sollten sich anschauen, was Staaten wie Holland, Dänemark und Großbritannien getan haben, um die Massenarbeitslosigkeit zu beseitigen. Das entspricht vielleicht nicht Ihren wirtschaftspolitischen Vorstellungen, aber es gibt Möglichkeiten.

Danke sehr.

(Beifall)

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Es traf natürlich nicht ganz zu, daß das eine persönliche Erklärung war, lieber Herr Flenker; das war schon eine Meinungsäußerung in der Sache. Aber wir wollen das etwas großzügig handhaben. Ich habe Verständnis für den Grad Ihrer Betroffenheit.

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor, so daß wir Tagesordnungspunkt I abgeschlossen haben. Es ist ziemlich sinnlos, nun noch mit dem Tagesordnungspunkt II - Qualitätssicherung ärztlicher Berufsausübung - zu beginnen, weil in der verbleibenden Zeit Herr Kolkmann nicht einmal sein vorbereitetes Referat geschlossen vortragen könnte, denn es dauert etwas länger. Wenn das Referat in zwei Teilen vorgetragen würde, diente das sicher nicht der Qualität der anschließenden Meinungsbildung. Es ist sicher besser, wenn wir jetzt die heutige Sitzung beenden. Eine andere Möglichkeit ist, daß wir die heutige Sitzungszeit um etwa eine Stunde überziehen. Das wiederum scheint mir wegen etlicher Termine heute abend nicht möglich zu sein. Ich sehe also nur die Möglichkeit, heute unsere Beratungen etwas vorzeitig zu beenden, um sie morgen früh pünktlich um 9 Uhr fortzusetzen. Ein Sitzungsbeginn 8.30 Uhr ist nicht möglich, weil wir dann auf andere warten müßten.

Ich schlage vor, daß wir das Thema Qualitätssicherung Freitag vormittag behandeln. Sind Sie damit einverstanden?

(Zustimmung)

Dann beenden wir unsere Sitzung für heute. Ich wünsche allen einen fröhlichen Abend; er wird hoffentlich nicht so fröhlich, daß morgen die Diskussionen darunter leiden. Damit ist der erste Verhandlungstag des Deutschen Ärztetages beendet. Wir setzen unsere Beratungen morgen früh pünktlich um 9 Uhr fort.

Besten Dank.