Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Vielen Dank, Herr Professor van Eimeren, für diese interessanten Ausführungen, über die wir nachher sicher noch einiges zu diskutieren haben.

Wir hören jetzt zunächst Herrn Dr. Thomas Giesen, den Sächsischen Datenschutzbeauftragten; denn wie es sich denken läßt, werden auch diese Fragen durch die neuen Kommunikationsmedien sehr tangiert. Bitte, Sie haben das Wort, Herr Giesen.

 
Dr. Giesen, Referent:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine faszinierende Aufgabe, am Beginn des Informationszeitalters über eine Informationsordnung nachzudenken. Wenn Sie ISDN und DNS unterscheiden können, sind Sie ein vollberechtigtes Mitglied der Informationsgesellschaft, die in einem rasanten Entwicklungs- und Lernprozeß voraneilt. Auch der ärztliche Beruf wird sich durch die Computertechnik und die multimedialen Verbindungs- und Erkenntnismöglichkeiten gründlich verändern; mein Vorredner hat die telemedizinischen Verfahren, die bereits jetzt möglich sind oder wären, eingehend dargestellt. Deshalb ist der ärztliche Berufsstand, deshalb sind Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, aufgefordert, darüber nachzudenken, wie diese technischen Chancen genutzt werden können, ohne das grundlegende Berufsbild des Arztes zu trüben oder gar aufzulösen.

Der Datenschutz ist keine bürokratische Veranstaltung, die die ärztliche Berufsausübung behindern, unnötig reglementieren und mit hirnlosen Formularen zwiebeln will. Datenschutz, das ist der Schutz unserer Privatsphäre vor der neugierigen Gesellschaft, besser gesagt: vor der neugierigen Obrigkeit. Dieses Grundrecht ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention, in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in vielen Landesverfassungen und seit zwei Jahren auch in einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft fest verankert. Die aus der Drittwirkung des Menschenrechts auf Privatheit erwachsenen Rechtsvorschriften wollen nicht möglichst viele Hindernisse auftürmen, um so, wenn nicht den Einsatz der Telemedizin zu verhindern, ihn zumindest soweit wie möglich zu erschweren. Denn ein solcher Versuch würde auf einem völlig falschen Verständnis vom Datenschutz beruhen. Er will nicht sinnvolle Entwicklungen in der Medizin, insbesondere technische Chancen ärztlicher Zusammenarbeit, verhindern, sondern stellt in den Vordergrund aller Bemühungen den Schutz des privaten, ganz persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient.

Die ältesten Datenschützer auf der Welt sind die Ärzte und die Priester. Die Schweigeverpflichtung im Eid des Hippokrates ist die wichtigste soziologische Grundlage der ärztlichen Kunst; das Ansehen der Ärzteschaft ist untrennbar mit dem heiligen Arkanum, mit ihrer Schweigepflicht und der Schweigeberechtigung über alles, was der Patient ihr anvertraut hat, verbunden. Zu allen Zeiten und auf dem ganzen Erdball ist das Schweigen von Priestern und Ärzten, ja von allen Beratern und Nothelfern eine kulturhistorische Errungenschaft, die, wenn man es genau untersucht, unerläßlicher Teil jeder menschlichen sozialen Ordnung ist.

Welches Geheimnis wird vom ärztlichen Beruf geschützt? Sind es nur Informationen über den Patienten, oder sind es nicht - bei genauerem Nachdenken - auch immer Informationen über den Arzt selbst? Denn alles, was der Arzt aufnimmt, also an Daten erhebt, was er datenverarbeitend dokumentiert und was er im Konsilium oder in seinen Abrechnungsunterlagen übermittelt, all dies ist geprägt von der eigenen Auffassungsgabe und der eigenen Bewertung des Arztes selbst. Deshalb sind die Ausgangsdaten des Patienten, so wie der Arzt sie ermittelt, beschreibt und verarbeitet, auch immer Daten des Arztes. Seine Kunst, sein Können, sein Wissensstand, seine Sorgfalt, seine Methoden sind erkennbar. Seine Anamnesegenauigkeit, seine Diagnosefestigkeit, die Richtigkeit der Behandlung und der verordneten Medikamente, die Sorgfalt bei der Betreuung des Patienten, die Geduld bei der Nachsorge, die verantworteten Kosten und schließlich der Behandlungserfolg - all dies sind Hinweise nicht etwa nur auf den Patienten, sondern immer auch auf den Arzt. Deshalb gehören die Daten nicht allein dem Patienten - das ist eine neue These aus dem Mund eines Datenschützers -, sie gehören selbstverständlich auch nicht allein dem Arzt, sondern sie gehören der Vertrauensgemeinschaft zwischen Arzt und Patient. Sie ist das Rechtsgut, um dessen Schutz es geht. Die Privatheit dieser Vertrauensbeziehung muß Gegenstand aller Überlegungen auch in der Telemedizin für den ärztlichen Berufsstand werden.

Der Datenschutz - besser gesagt: das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung - schützt jeden einzelnen vor obrigkeitlicher und gesellschaftlicher Neugier. Das Privatleben, mithin auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, ist ein zu kostbares Gut, als daß es dem neugierigen Zugriff von Hinz und Kunz offenstehen dürfte.

(Beifall)

Unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung ist dieses Recht besonders gefährdet: Sekundenschnelle Um- und Zuordnung von Daten - der Begriff "Computer" kommt von "computare", also "ordnen"; der Computer ist nichts anderes als ein Ordner -, die spurenlose Übermittlung und Vernetzung von Informationen, all dies löst Ängste vor Persönlichkeitsprofilen, vor Dauerbeobachtung und vor der ungezügelten Macht staatlicher, kassenamtlicher, auch standesrechtlicher Überwachung aus.

Das öffentliche Gesundheitswesen wird mittlerweile von der automatisierten Datenverarbeitung beherrscht. Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Krankenanstalten, Abrechnungsstellen, staatliche und private Versicherungsunternehmen, Gesundheitsclubs und Werbemanager tummeln sich auf dem Datenmarkt. Den einen geht es um Qualitätssicherung, anderen um die Macht, anderen wiederum nur ums Geld. Es ist falsch, weil euphemistisch, von "Gesundheitsdaten" zu reden. Auch "die Gesundheitskasse" gehört zu diesen schrecklich verharmlosenden Oberflächlichkeiten.

(Beifall)

Informationen über angeborene Fehler und über Suchtleiden, über geistige Gebrechen und über Beruf oder Familie belastende Konstitutionsmängel gehören zu einem nicht hinterfragten und nicht durchleuchteten Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Die Last der Patienten, die Hoffnungslosigkeit mancher Behandlung und der Streß der Ärzte im Kampf gegen schicksalhafte Verläufe lassen uns ernst und vorsichtig werden, wenn wir über Datenautobahnen, Vernetzungen, riesige Datenspeicher, über ärztliches Controllingmanagement und natürlich auch über Telemedizin nachdenken.

Dennoch will ich Ihnen Mut machen. Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung setzt die Übersichtlichkeit der Informationsverarbeitung voraus. Ich will als Patient wissen, wer was zu welchem Zweck über mich weiß. Nur dann kann ich frei sein, nur dann kann ich mein Selbstbestimmungsrecht wirklich ausüben. Viele Verfahren der Telemedizin werden jedoch dazu führen, daß es für den Patienten schwieriger wird, zu übersehen, wer seine Daten erhält und was dieser damit tut. In der Literatur findet sich die Formulierung, das bilaterale Vertrauensverhältnis werde in Zukunft ersetzt durch eine multilaterale Kommunikationsbeziehung. Die Transparenz nimmt also ab, wobei es schon schlimm genug ist, daß beispielsweise in einem Großkrankenhaus ohnehin kaum noch eine "bilaterale Vertrauensbeziehung" entstehen kann. Mag für den Patienten in der Regel nicht die Frage im Vordergrund stehen, wer seine Daten erhält, sondern ob er wirksam behandelt wird, so darf die Telemedizin nicht dazu beitragen, daß der Patient sich unbekannten Mächten ausgesetzt sieht.

Von besonderer Bedeutung sind die mit der Telemedizin verbundenen technischen Herausforderungen. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob eine Patientenakte mit der Post von A nach B transportiert wird oder ob Informationen in Sekundenschnelle über offene Netze möglicherweise um die halbe Welt geschickt werden. Daten, die innerhalb Deutschlands von einem Krankenhaus an ein anderes übermittelt werden, gehen unter Umständen über zahlreiche Knotenpunkte, die sich im Ausland, etwa in den USA, befinden. Die Patientendaten mögen in den Händen der CIA sicher aufbewahrt sein; mit der ärztlichen Schweigepflicht zu vereinbaren wäre ein solcher Vorgang natürlich nicht.

(Beifall)

Es entstehen also neue Gefahren für die Vertraulichkeit der Daten. Auch ihre Zurechenbarkeit, also die Authentizität der Daten, steht in Frage, wenn der Empfänger nicht mehr sicher sein kann, ob eine Information tatsächlich von dem stammt, der als Absender ausgewiesen ist. Dasselbe gilt für die Unversehrtheit, die Integrität der Daten, wenn sie auf ihrem elektronischen Weg manipuliert werden können. Die Daten sind dann nicht mehr valide. Damit ergeben sich nicht zuletzt auch Haftungsfragen für Absender und Empfänger. Vor allen Dingen hinterlassen Manipulationen und die Verletzung der Vertraulichkeit keine Spuren. Darin besteht ein wesentlicher Unterschied zur Übermittlung von Informationen auf Papier. Veränderungen des Textes oder das unbefugte Öffnen von Postsendungen sind eher zu entdecken als Eingriffe beim Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel. Es ist also erforderlich, entsprechende Datensicherheitsmaßnahmen zu ergreifen.

Der Schutz der Vertraulichkeit läßt sich heutzutage recht einfach mit Verschlüsselungsverfahren erreichen. Zur Absicherung der Integrität sind Verfahren der digitalen Signatur einzusetzen. Das neue Signaturgesetz des Bundes regelt deren Einzelheiten. Auf Grund einer solchen Signatur kann der Empfänger erkennen, ob er unverfälschte Daten erhalten hat. Weiterhin kann der Empfänger den Absender identifizieren und so die Authentizität des Absenders überprüfen. Erforderlich ist auch eine ordnungsgemäße Protokollierung der Verarbeitung.

Alle diese Anforderungen sollten in einem detaillierten Sicherheitskonzept festgehalten werden. Für die Entwicklung solcher Konzepte ist das IT-Sicherheitshandbuch des Bundesamts für Sicherheit in der Informati-
onstechnik in Bonn eine gute Grundlage. Auch die Bundesärztekammer hat bereits 1996 Empfehlungen für die automatisierte Datenverarbeitung veröffentlicht. Beachten Sie bitte, daß die Einhaltung dieser Maßnahmen von erheblicher Bedeutung dafür ist, welchen Beweiswert ein Richter in einem Gerichtsverfahren den Daten beimißt.

In der Telemedizin ändert sich das ärztliche Berufsbild augenfällig. Wenn wir uns das alte Bild vom Arzt ansehen, so fällt mir der Schachspieler ein, der mit Erfahrung, mit Verstand, mit Ideenreichtum ein Konzept erarbeitet, um seine Gegner zu überlisten. Dieser Gegner ist nicht der Patient, es ist der Tod.

In der Telemedizin fällt mir dagegen das Bild von der Fußballmannschaft ein: Jeder Spieler hat eine bestimmte Aufgabe. Der Ball ist rund, das Team insgesamt will gewinnen. Jeder, der Fußball gespielt hat, weiß: Das wichtigste Wort ist "abgeben". Also nicht im Alleingang das Glück versuchen, sondern Rückpässe, Querpässe, Doppelpässe spielen, um die Krankheit nicht in Ballbesitz zu bringen und sie letztlich zu besiegen. Das bedeutet aber auch, daß die Datenverarbeitung, die sich bislang im Kopf des Schachspielers, also in der Praxis des einzelnen Arztes abspielt, nun wesentlich vielschichtiger, vernetzter und auch transparenter wird. Denn innerhalb des Teams der behandelnden Ärzte werden die Informationen hin- und hergeschickt.

Wie weit soll da das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten noch wirksam werden können? Wie weit kann der Patient den Datenfluß noch steuern oder wenigstens überblicken? Wer trägt die Informationsverantwortung? Wer ist in der Telemedizin "Herr der Daten"? Und wer hat die "Schlüsselgewalt" dann, wenn diese Informationen nicht mehr offen, sondern kryptographisch oder gar steganographisch verändert, also verschlüsselt sind?

Ich behaupte, daß jedenfalls der Patient nicht der richtige "Herr seiner Daten" ist. Derartige Vorstellungen mögen bei den Erfindern von Patientenchipkarten herumgeistern, die meinen, man könne das Schicksal des Patienten in seine eigenen Hände legen, indem man ihn zum Datenhalter macht. Dieses Bild vom mündigen, aufgeklärten und selbstverantwortlichen Patienten mag hin und wieder hilfreich sein, wenn es beispielsweise um Selbstmedikation wie bei Zuckerkrankheit oder Bluthochdruck geht. Ich halte aber nichts davon, grundsätzlich jeden Patienten zum Datenhalter zu machen, weil er dann dem neugierigen Zugriff von Ehefrauen, Freundinnen, Eltern, von AOK-Beratern und Arbeitgebern ausgesetzt sein wird. Ihrem sublimen sozialen Druck wird der Patient nicht ausweichen können; da hilft auch kein Gesetz.

(Beifall)

Der Patient kann auch deshalb nicht "Herr seiner Daten" sein, weil er nicht selbst darüber bestimmen darf, was in die Dokumentation eingetragen wird. Denn die Wahrheit und Vollständigkeit der Daten, ihre Validität und wissenschaftliche Objektivität dürfen nicht in die Hände des Patienten gelegt werden. Der Patient ist nämlich nicht mündig, sondern der Patient ist krank.

(Beifall)

Übrigens: Diejenigen, die gebetsmühlenartig das Schlagwort vom mündigen Patienten benutzen, sollten darüber nachdenken, daß nur derjenige mündig ist, der seine eigene Leistungsfähigkeit ausschöpft und nicht immer nur auf Kosten der anderen lebt.

(Beifall)

Datenmanipulationen, die beispielsweise zum Doppelbezug von Leistungen führen, müssen jedenfalls dem versicherten Patienten unmöglich sein. Ferner sollte nicht vergessen werden, daß zu einer sorgfältigen Dokumentation auch in-valide Daten gehören, nämlich Mutmaßungen und Eindrücke, Medikationsversuche und Behandlungsvorschläge, die den Patienten nicht immer etwas angehen. Die Medizin ist schließlich nicht ein Handwerk, sondern eine Wissenschaft: Die Suche nach der Wahrheit ist in vielen Fällen das einzige, was zu tun übrigbleibt, es wird laboriert und "herumgedoktert", und dies ganz legitim, beispielsweise bei der Krebstherapie oder auch in der Psychiatrie.

Und schließlich: Was soll der Patient mit seinen Daten eigentlich anfangen? Soll ihm der Dauereinblick ermöglicht werden mit der Folge, daß er ständig über sich und seine Krankheitsdaten - nein: die Daten, die seine Ärzte fabriziert haben - nachdenken muß?

So bleibt nichts anderes, als im telemedizinischen Zusammenspiel der Ärzte einen Datenhalter zu bestimmen. Dies ist nach meiner Überzeugung in der Regel der Hausarzt. Er ist der Arzt des besonderen, ganz persönlichen Vertrauens zum Patienten, er kennt das soziale Umfeld des Patienten, er bestimmt mit dem Patienten gemeinsam, wer telemedizinisch mitwirken soll, er ist sozusagen die Zelle des Urvertrauens und damit auch der geeignete Sammler und Halter aller dokumentierten Informationen über den Patienten.

(Beifall)

Der Hausarzt wird sozusagen die Spinne im Netz. Er hat die Schlüsselgewalt.

Und weil er Arzt ist, ist er ganz anders als der Patient gegen neugierige Zugriffe auf die Daten geschützt. Er kann die Qualitätskontrolle durch den Patienten selbst, durch die Kollegen im Konsilium und durch die KV, bei Auffälligkeits- und Zufälligkeitsprüfungen auch durch die Kassen steuern und verantworten. Er kann die Daten zweckgebunden zur Abrechnung bereitstellen, er kann sie auch - sorgfältig anonymisiert - für die Forschung zur Verfügung stellen. Qualitätsmanagement wird über den Hausarzt als zentralen Datenhalter wesentlich besser möglich als bei den einzelnen, telemedizinisch verbundenen Fachkollegen, weil erst deren dokumentiertes Zusammenspiel eine Gesamtbeurteilung ermöglicht.

Aber auch dem Patienten vertraute Krankenhäuser und Tumorzentren sind als Datensammelstellen durchaus geeignet und empfehlenswert.

Für die Telemedizin gilt - was den Datenschutz angeht - grundsätzlich nichts anderes als für die herkömmliche Behandlung durch einzelne, miteinander allenfalls durch Übergabe der bisherigen Dokumentation verbundene Ärzte: Jede Übermittlung personenbezogener Informationen, also jede Übermittlung von Patientendaten von einem Arzt an den anderen, bedarf - von Ausnahmen abgesehen, also grundsätzlich - der Einwilligung des Patienten. Ich brauche Ihnen als einem fachkundigen Publikum nicht die Einzelheiten der Rechtsprechung nahezubringen, die sich mit der Informiertheit und der Freiwilligkeit von Patienteneinwilligungen befaßt. Jedenfalls wäre es unsinnig, den Patienten irgendein kleingedrucktes Kauderwelsch unterschreiben zu lassen, bevor die Behandlung beginnt. Denn jeder Behandlungsvertrag schließt persönliche Aufklärungspflichten des Arztes mit ein. Sie wissen, daß vom sorgfältigen Arzt verlangt wird, daß er jeden bedeutsamen Schritt mit dem Patienten bespricht und sich mit ihm im besten Sinne des Wortes berät. Die erfahrenen Kollegen wissen, daß dies wesentlich für die innere und äußere Mitarbeit des Patienten ist. Dann ist er nicht mehr Objekt, sondern Subjekt der Behandlung. Und weil der Mensch aus Leib und Seele besteht, ist diese Überzeugung, nicht zum Objekt degradiert zu sein, wesentliche Voraussetzung für jeden Heilungserfolg. Mit anderen Worten: Der Patient muß mitmachen.

Dies gilt selbstverständlich auch für die komplexe hochtechnisierte Zusammenarbeit der ärztlichen Kollegenschaft in telemedizinischen Prozessen. Bei aller Freude am technischen Fortschritt muß jeder Telemediziner wissen: Es geht um höchst sensible, meist schlechte Botschaften. Deshalb ist eine zugewandte und einfühlsame Belehrung ein Gebot der Menschlichkeit.

Nur wenn die Einwilligung eine aufgeklärte Einwilligung ist, kann sie wirksam sein. Dies gilt naturgemäß nicht für Notfälle oder für Fälle von Bewußtlosigkeit, geistiger Hinfälligkeit oder wenn es aus ärztlichen Gründen erforderlich ist, den Patienten nicht aufzuklären. Aber auch all dies muß wiederum sorgfältig dokumentiert werden, wobei sich auch in diesen Fällen ein Konsilium mit dem Hausarzt allein über die Frage, ob und wieweit der Patient aufzuklären ist, empfiehlt.

Für die Telemedizin in Krankenhäusern gelten die differenzierten Datenübermittlungsregeln der Krankenhausgesetze der einzelnen Länder. Ich empfehle jedem Krankenhausarzt, dort seine Befugnis zur Patientendatenübermittlung an Kollegen innerhalb oder außerhalb des Krankenhauses abzulesen. In Sachsen beispielsweise genügt der Behandlungsvertrag als Grundlage für ärztliche Kommunikation innerhalb des Krankenhauses. Jede telemedizinische Verbindung nach außerhalb bedarf eines besonderen Hinweises; der Patient kann dieser Form kollegialer Behandlungszusammenarbeit widersprechen.

Ein weiterer Aspekt der Telemedizin liegt sicherlich darin, daß sich jeder einzelne Arzt dem Fachurteil der Kollegen stellt. Ich verspreche mir davon einen wesentlich größeren Schub im Qualitätsmanagement, als dies jetzt in der kassenamtlichen Qualitätskontrolle möglich wäre.

(Beifall)

Die auf modernsten technischen Möglichkeiten gegründete telemedizinische Zusammenarbeit ist eine riesige Chance für eine Qualitätsverbesserung, jedenfalls dann, wenn der einzelne am telemedizinischen Prozeß beteiligte Arzt den Mut hat, seinen Behandlungsbeitrag dem Fachurteil der Kollegen offenzulegen. Ich darf als Jurist hier nur darauf verweisen, daß die Zusammenarbeit mehrerer Richter in einer Kammer oder in einem Senat die Qualität der deutschen Rechtsprechung sichert. Die berufsständische Vertretung der deutschen Ärzteschaft sollte die Chance nutzen, dies als wesentliches Argument dafür vorzutragen, daß das ärztliche Qualitätsmanagement grundsätzlich eine Selbstverwaltungsaufgabe ist,

(Beifall)

deren Ordnung in die Hände der verfaßten Ärzteschaft gehört.

(Beifall)

Kritisch kann das Zusammenspiel mehrerer Ärzte dann werden, wenn die telemedizinische Zusammenarbeit zu unnötigen, verschwenderischen ärztlichen Leistungen mißbraucht wird. Kollusives Zusammenwirken von Ärzten, die nur aufs Geld aus sind, kann durch telemedizinische Spielchen relativ lange unentdeckt bleiben. Ich will es offen sagen: Da können sich auch mafiose Zirkel bilden, die unter dem Mantel telemedizinischer Zusammenarbeit einzig und allein die eigene Bereicherung anstreben. Die sorgfältige Dokumentation, die grundsätzlich dem Patienten jederzeit offenstehen muß, aber auch die aufsichtlichen Möglichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigungen und manchmal auch der Krankenkassen müssen deshalb technisch so auf den neuesten Stand gebracht werden, daß eine Kontrolle der abgerechneten Leistungen auf Erforderlichkeit jederzeit möglich ist. Sie werden sich diesem Urteil gern stellen.

Dazu gehört auch, daß bewegte Bilder, Texte und Sprache in den elektronischen Medien zur Abrechnungs- und Qualitätskontrolle gespeichert werden, dies nicht anders, als es schon jetzt mit den Krankenpapieren und Aufnahmen geschieht. Gleiches gilt auch deshalb, weil Patienten und beteiligte Kollegen und auch Gerichte nach einer gescheiterten Behandlung oder in Abrechnungsprozessen den Ärzten im nachhinein in die Karten schauen.

Mein Fazit: Die Telemedizin ist die große Chance, spezialisierten Sachverstand in Sekundenschnelle in die Behandlung des Patienten einzubeziehen. Dabei muß der Patient Subjekt bleiben. Dies wird dadurch unterstützt, daß der Hausarzt als Arzt des Vertrauens zum Datenverwalter wird. Nur eine genaue Dokumentation kann die Verantwortlichkeiten der beteiligten Ärzte festhalten.

Meine Damen und Herren, der Patient ist nicht mündig, sondern er ist krank. Er bedarf des Arztes. Der Datenschutz steht im Dienst der Vertrauensgemeinschaft von Arzt und Patient gerade dann, wenn Telemedizin verabreicht wird.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall)