Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Vielen Dank, Herr Montgomery, dafür, daß Sie die großen Chancen dargestellt, aber auch auf die Gefahren und Risiken hingewiesen haben, wozu Selbstverwaltung und Gesetzgeber Lösungen finden müssen und finden können, wenn wir in Zukunft einen wirksamen Patientenschutz und einen wirksamen Arztschutz sicherstellen wollen. Wir stimmen sicher alle überein, daß es wenig hilfreich ist, den Kopf einfach in den Sand zu stecken. Darum: Packen wir die Probleme an, diskutieren wir hier darüber!

Als erster Redner bitte Herr Blandfort, Saarland.

 
San.-Rat Blandfort, Saarland:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte Ihnen einiges vortragen über die rechtlichen Vorgaben, die erforderliche Rechtsangleichung, die Hindernisse und die Notwendigkeit eines multinationalen Vertrages zur Telemedizin.

Auf einer internationalen Konferenz des Ausschusses "Medizin und Recht" der Internationalen Rechtsanwaltskammer in Neu Delhi wurden im letzten Jahr die nationalen und internationalen Rechtsprobleme eingehend diskutiert. Angesprochen wurden insbesondere die Probleme der internationalen und nationalen regionalen Approbationen. Durch die Unterschiede bei den Approbationen ergeben sich mehrere Probleme. Konkret: Darf ein in Deutschland approbierter Arzt telemedizinisch beispielsweise in Frankreich tätig werden? Die gebotene rechtliche Differenzierung zwischen Leistungs- und Erfolgsort fehlt in den Approbationsordnungen der meisten Staaten. Daraus ergibt sich weitergehend die Frage, nach welchem Recht der behandelnde Arzt haften soll.

Ein weiteres Problem ist die Kumulation von Haftungsproblemen. Beurteilt beispielsweise ein Deutscher im Ausland erhobene Befunde und ergibt sich hieraus ein Haftungsfall: Welche Gerichtsbarkeit ist zuständig? Nach welchen Maßstäben der Sorgfaltspflicht soll der Arzt haften? Soll der Patient einer Haftungsbegrenzung zustimmen? Den Nachteil aus einer wegen der Haftungsrisiken unterbliebenen telemedizinischen Anwendung trüge in jedem Fall der Patient, der auf die regionalen Möglichkeiten der Medizin beschränkt bliebe. Ein Ausweg wäre die Zustimmung zur Haftungsbegrenzung. Er erhielte dann die Vorteile einer überregionalen medizinischen Betreuung.

Weitere Probleme sind die Schweigepflichtvorschriften und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen, die bereits besprochen wurden. Ich will nicht näher darauf eingehen.

Soviel ich weiß, ist zur Zeit Malaysia das einzige Land, das ein Telemedizingesetz hat. In Vancouver werden in diesem Jahr wieder vom Ausschuß "Medizin und Recht" der Internationalen Rechtsanwaltskammer die Probleme eines internationalen Vertrages diskutiert. Hier besteht eindeutig Handlungsbedarf. Die Bundesärztekammer muß sich hier einschalten.

Im Saarland gibt es seitens der Landesregierung Zuschüsse für die Telemedizin. Wir arbeiten bereits telemedizinisch.

Damit möchte ich schließen.

(Zustimmung)
 

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Blandfort. - Bevor der nächste Redner das Wort erhält, müssen wir uns eine Meinung bilden über den Geschäftsordnungsantrag, die Redezeit auf drei Minuten zu begrenzen.

(Beifall)

Dieser Antrag kommt von Herrn Dr. Schaaf aus Bayern. Wünscht jemand dagegen zu sprechen? - Formal. Dann stimmen wir darüber ab. Wer ist für die Begrenzung der Redezeit auf drei Minuten? - Das ist sicher die Mehrheit. Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Begrenzung der Redezeit auf drei Minuten beschlossen.

Als nächster Redner bitte Herr Mausbach, Hessen.

 
Prof. Dr. Mausbach, Hessen:

Vielen Dank den Referenten für ihre sehr interessante Information. Ich denke, es ist in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig, hervorzuheben, daß es gut gelungen ist, den Standpunkt der Ärzteschaft zum großen Lauschangriff in der Öffentlichkeit darzustellen. Ich finde es verdienstvoll, in welcher Weise das geschehen ist.

Ein Punkt hat mich nachdenklich gemacht. Herr Giesen hat thesenartig gesagt: Der Patient ist nicht mündig, sondern krank. Das klingt sehr absolut. Es mag ja sein, daß der Patient nicht alle Daten fachlichen Charakters beurteilen kann. Das ist die eine Seite der Medaille. Aber ist das alles, woran man hier denken muß? Ich meine, der Patient ist in einer demokratisch verfaßten Gesellschaft ein mündiger Bürger mit allen Bürger- und Menschenrechten. Er hat Entscheidungsrechte, auch in diesem Zusammenhang, etwa im Hinblick auf die Annahme einer therapeutischen ärztlichen Intervention, etwa im Hinblick auf die Einholung einer Zweitmeinung. Das ist legitim. In diesem Zusammenhang muß er auch Zugang zu Informationen haben.

Die ärztliche Schweigepflicht scheint mir dann besonders sicher, dauerhaft und menschlich begründet zu sein, wenn sie sowohl in der Integrität des Arztes ruht als auch in den verfaßten Bürgerrechten des Patienten. Ich glaube, diese Frage muß man sehr systematisch behandeln und sich vor einer allzu absoluten Verallgemeinerung hüten.

Vielen Dank.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Mausbach. - Als nächster Redner bitte Herr Kütz, Bremen.

 
Dr. Kütz, Bremen:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in drei Referaten die Skizze einer neuen Kommunikationskultur dargestellt bekommen, bei der ich jedoch einen wesentlichen Aspekt - er betrifft nicht nur technische Probleme - vermißt habe. Von allen drei Referenten wurde nur über die Ebene des Gesprächs, also des aktuellen Umgangs mit den Daten, gesprochen. Weder wurde die Ebene der Erinnerung, also die der Archivierung, berührt, noch die Ebene des Vergessens, also die Ebene der Datenvernichtung.

Ökonomisch ist es wohl eindeutig, daß die Einführung der elektronischen Kommunikation nur dann einen Fortschritt bringt, wenn sie, wie Herr Montgomery sagte, das Steinzeitalter der bürotechnischen Kommunikation im Schnittstellenwechsel zwischen Elektronik und Papier zurück zum Papier oder sonstigen dazwischengeschalteten Dingen vermeidet.

Nun sind wir aber verpflichtet, nicht nur aktuell mit Daten umzugehen und den Datenfluß zu regeln, sondern wir sind gleichzeitig verpflichtet, diese Daten über einen für elektronische Medien nicht unproblematisch langen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren zu archivieren.

Stellen Sie sich vor, 1988 wäre in der Bundesrepublik das elektronische Kommunikationszeitalter der Medizin ausgebrochen. Ich bin nicht sicher, ob wegen der häufigen Systemwechsel ein Großteil dieser Daten heute überhaupt noch lesbar wäre. Die USA sind uns ja angeblich in vielen Dingen voraus. In bezug auf die Elektronik sind sie uns auch in folgendem voraus: In den USA gibt es ganze Bibliotheken, die einfach deshalb nicht mehr lesbar sind, weil sich sowohl die Software- als auch die Hardware-Bedingungen geändert haben.

Die Selbstverwaltung wird demnach auch sicherstellen müssen - ich richte an die drei Referenten die Frage, ob das möglich ist -, gegebenenfalls von der Industrie vorgenommene Hardware- oder Software-Wechsel so zu vermeiden, daß eine vorgeschriebene Archivierungsdauer von zehn bis 15 Jahren überhaupt erreicht werden kann. Ich möchte die Referenten bitten, uns in diesem Punkt Aufklärung zu geben.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Kütz. - Als nächster Redner bitte Herr Drexler, Hessen.

 
Dr. Drexler, Hessen:

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig, daß sich der Ärztetag mit diesen Fragen beschäftigt. Ich bin nach dem Gehörten - insbesondere nach den Ausführungen von Herrn Giesen - sehr nachdenklich geworden, ob die in einigen Formulierungen zum Ausdruck gekommene philosophische Positionierung des Patienten im Prozeß seines Krankseins und seiner gesellschaftlichen Situation richtig ist. Es stellt sich die Frage, ob wir das Recht haben, uns anzumaßen, den Patienten in seiner Rolle festzulegen, ihn zu positionieren.

Kolleginnen und Kollegen, die Ärzteschaft ist - wir wissen das und leiden oft darunter - ein Teil dieser Gesellschaft. Wir sind ein Teil des Diskussionsprozesses, aber wir sind nicht der Fußballtrainer und auch nicht der Schachspieler, die mit Rochaden oder Sprüngen agieren oder auch Opfer bringen. Das steht uns nicht zu.

Der Diskussionsprozeß über die Fragen der Patientenrechte und unsere Funktion ist weiter gediehen, als es diese Diskussion hier zum Ausdruck gebracht hat. Es gibt einen breiten Diskussionsprozeß, an dem sich Philosophen, Soziologen, Theologen, Juristen und nicht zuletzt Patienten beteiligt haben. Es hätte unserer Diskussion gutgetan, wenn hier Vertreter der Patienten gesessen und uns ihre Meinung mitgeteilt hätten. Mit ihnen hätten wir eine Streitkultur entwickeln können, wie mit diesen Fragen zu verfahren ist. Der hier zum Ausdruck gekommene Diskussionsstand entspricht nicht der Situation in unserer Gesellschaft.

Vielen Dank.

(Zustimmung)
 

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Drexler. - Als Referent hat jetzt Herr Professor van Eimeren das Wort. Bitte, Herr Professor van Eimeren.

 
Prof. Dr. van Eimeren, Referent:

Ich möchte ganz kurz auf die Diskussionsbemerkung des Kollegen Kütz eingehen. Das Problem der Archivierung und Sicherstellung des Zugriffs auch nach einer Zeit von etwa zehn Jahren ist sicherlich gegeben und in der Kürze der Zeit auch richtig dargestellt worden. Man braucht eine solche konzertierte Aktion für das Gesundheitswesen in Deutschland, um technisch zu spezifizieren, wie bei uns erfaßt und dokumentiert wird, und die angewendeten Verfahren müssen auch zertifiziert werden. Auf diese Weise können Medienbrüche vermieden werden. Das Problem ist also real und muß ebenso gelöst werden wie das Thema Medienbrüche. Wir wollen beides zur gleichen Zeit angehen.

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr van Eimeren. - Als nächster Redner bitte Herr Dr. Giesen als Referent.

 
Dr. Giesen, Referent:

Ich möchte nur ganz kurz auf die Argumentation von Herrn Drexler eingehen. Um bei den Bildern zu bleiben, die ich vielleicht lustigerweise benutzt habe: Ich habe weder von Schachfiguren noch vom Fußballtrainer gesprochen. Hier geht es nicht um Fremdbestimmung oder um Befehl oder Gehorsam. Mein gesamtes Referat befaßte sich naturgemäß mit der Würde des Patienten. Das können Sie nachlesen, Herr Drexler.

(Beifall)

Dann werden Sie feststellen, daß die Zuspitzung in dem Satz "Der Patient ist nicht mündig, sondern krank" einzig und allein bedeutet, daß wir von diesem Geschwätz Abschied nehmen, daß der Patient irgendeine ärztliche Entscheidung verantwortlich selbst treffen könnte. Das kann er eben nicht!

(Beifall)
 
Anders gesagt: Ohne den Arzt seines Vertrauens kann der Patient keine Mündigkeit entwickeln.

Das ist wie bei meinem 18jährigen Sohn, der zwar volljährig ist und auch wählen darf, aber wichtige Entscheidungen sollte er vielleicht doch mit mir besprechen.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Giesen. - Als nächster Redner bitte Herr Zimmer, Nordrhein.

 
Zimmer, Nordrhein: Herr Präsident!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Allein die Diskussion um das Referat von Herrn Giesen offenbart, wie schwierig es ist, Kommunikation allein auf gedrucktes oder via Karte transferiertes Wort zu begrenzen. Ich möchte mich dafür bedanken, daß bei Ihnen, Herr Giesen, eine hohe menschliche Verständigkeit für das, was in einer Arztpraxis vorgeht, zum Ausdruck gekommen ist. Ich halte keineswegs meinen Patienten für unmündig. Ich weiß aus Erfahrung, daß, wenn man krank ist, die Entscheidungsfähigkeit weit hinter dem rationalen Entscheidungskonzept zurückbleibt, das man sonst als professionell Handelnder hat.

(Beifall)

Ich möchte Bezug nehmen auf die Darstellung von Herrn Professor van
Eimeren. Sie haben sinngemäß gesagt, der Patientendurchsatz habe eine Steigerung um 300 Prozent erfahren. Ich habe dabei Bauchweh. Die deutschen Ärzte gehören nämlich im europäischen Vergleich, was die Arzt-Patienten-Kontakte angeht, zu den Weltmeistern. Das Zwei- bis Siebenfache im Verhältnis zu den europäischen Kollegen ist die Regelleistung. Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir einen noch höheren Durchsatz haben können. Im übrigen halte ich diesen Begriff für nicht sehr glücklich.

Ich glaube darüber hinaus auch nicht, daß wir es allein mit der vorgeschlagenen Telematiktechnik schaffen werden. Seit Einführung der Chipkarte müssen wir beobachten, daß die Kommunikation zwischen den Ärzten in Deutschland drastisch zurückgeht. Wir erleben in dem Bereich, aus dem ich stamme, einen Rückgang der Zahl der geschriebenen Briefe, also der abrechenbaren Leistungen zwischen Spezialisten und Hausärzten, auf etwa 7 Prozent dessen, was vor der Einführung des Überweisungsscheins galt.

Ich meine, wenn wir über Kommunikation reden, müssen wir uns selber wieder einmal kommunikativ erklären. Dann können wir uns überlegen, wie wir die Daten transferieren. Dann sollten wir klären, wie die emotionalen Anteile, die bei Ihnen, Herr Giesen, mit vermittelt wurden, die durchaus klar geäußert wurden, erhalten bleiben können.

Danke.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Zimmer. - Als nächster Redner bitte Herr Benninger, Baden-Württemberg.

 
PD Dr. Benninger, Baden-Württemberg:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe allein aus der bisherigen Praxis einen leicht skeptischen Grundtenor gegenüber der schönen neuen Welt der Telematik. Ich bin ganz froh, daß wir noch nicht auf diesem letzten Rationalisierungsstand sind, der vielleicht wünschenswert wäre, allein schon auf Grund technischer Mängel. Die erforderliche Zeit zum Erstellen und Archivieren eines Briefes mit Hilfe der Telematik ist derzeit immer noch deutlich länger. Auf absehbare Zeit wird man methodisch gesehen doppelgleisig fahren. Es wird noch lange dauern, bis wir da den idealen Zustand erreicht haben.

Der Datenschutz liegt mir am Herzen. Der Datenschutz führt in der Praxis dazu, daß über Verschlüsselungen und EDV-Beauftragte sehr komplizierte Hürden aufgebaut werden, die einerseits notwendig sind, andererseits aber auch leicht durchbrochen werden können. Bei jeder Einrichtung, bei jeder Klinik gibt es mittlerweile Datenbeauftragte, die jederzeit über die Hintertür auf alle Verschlüsselungen und Paßworte Zugriff haben. Es müßte darüber geredet werden, wie sicher diese Personen sind, wie überprüft sie sind.

Das schwächste Glied in der Kette sind diejenigen, die täglich ihre Arbeit am Bildschirm verrichten. An unserer Klinik werden alle zwei Monate die Paßworte verändert. Das führt dazu, daß man nach einer gewissen Zeit das aktuelle Paßwort gar nicht mehr kennt. Ich habe selbst gesehen, daß sich jemand einen Merkzettel mit dem Paßwort am Bildschirm befestigt hat, um Zugriff haben zu können.

Bei aller Sicherheit gibt es genügend Schwachstellen, die überhaupt nicht beherrschbar sind.

Danke schön.

(Zustimmung)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. Der größte Unsicherheitsfaktor bleibt immer der Faktor Mensch. - Als nächste Rednerin bitte Frau Braun, Berlin.

 
PD Dr. Braun, Berlin: Herr Präsident!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde bereits mehrfach zur Problematik der Mündigkeit Stellung genommen. Ich denke, es ist außerordentlich wichtig, daß wir als Delegierte dieses Ärztetages dazu Position beziehen. Ich habe es begrüßt, daß Herr Giesen sagte, wir Hausärzte seien die Sachwalter des Patienten im Hinblick auf die Patientendateien. Ich denke, er ist nicht von der Langzeitbetreuung der Patienten ausgegangen. Wir beobachten Gesunde, wir überwachen Gefährdete, natürlich betreuen wir auch akut und chronisch Kranke. Wir haben nur dann die Chance zu einem Langzeitbetreuungsverhältnis, wenn wir immer auch die Mündigkeit, die Partnerschaftlichkeit des Patienten im Auge haben. Nur so können wir die Patienten aktiv in den Heilungsprozeß einbeziehen.

Unsere Patienten würden sich wohl verraten fühlen, wenn wir meinten, sie seien auch nur andeutungsweise nicht mündig.

Ich danke Ihnen schön.

(Zustimmung)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Frau Braun. - Als nächster Redner bitte Herr Seeger, Hessen.

Dr. Seeger, Hessen:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte auf das Referat von Herrn Giesen zu sprechen kommen, weil es mir wichtig erscheint. Er hat sehr viel Beifall bekommen; das kann ich zum Teil verstehen, weil er vieles gesagt hat, was vielen Ärzten gut gefallen hat. Ich kann den Beifall aber nicht verstehen in bezug auf die bereits zitierte Aussage: Der Patient ist nicht mündig, sondern krank. Die Aussage, daß der Patient krank ist, ist eine Binsenweisheit; die Aussage, daß der kranke Patient nicht mündig ist, ist sehr verkürzt, vielleicht sogar schlichtweg falsch. Die Verknüpfung von "nicht mündig" und "krank" ist vom ärztlichen Standpunkt her nicht zulässig. Ich denke, es ist gerade unsere Aufgabe, den Patienten, der krank zu uns kommt, mündig zu machen, damit er trotz Krankheit mündig ist.

(Beifall)

Ich kann auch nicht die Aussage von Herrn Giesen nachvollziehen, er könne sich keine Situation vorstellen, in welcher der Patient eine ärztliche Entscheidung treffen kann. In diese Lage sollen wir den Patienten doch versetzen, gerade in Anbetracht einer Medizin, die in vielen Bereichen keine Wahrheit bieten kann, sondern nur Möglichkeiten anbieten kann, die alternativ einzusetzen sind. Es geht nicht um Therapiewahrheiten, sondern immer um das Angebot konkurrierender Verfahren. Da muß der Patient mündig gemacht werden.

Das war schon immer so, und das gilt meiner Ansicht nach noch stärker in der vor uns liegenden Zeit der Telematik und der Telemedizin. Wenn wir mit dieser Aussage "Der Patient ist nicht mündig, sondern krank" in dieses Zeitalter hineingehen, tun wir damit weder uns noch dem Patienten einen Gefallen. Nur in diesem Zusammenhang ist zu verstehen, daß hier auf dem Podium nicht, wie angeregt, auch ein Vertreter der Patienten sitzt, mit dem wir diskutieren können, sondern daß wir das unter uns tun.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Bevor der nächste Redner das Wort erhält, begrüße ich ganz herzlich Frau Dr. Retzlaff, die Ehrenpräsidentin der Ärztekammer Schleswig-Holstein und langjähriges Mitglied im Vorstand der Bundesärztekammer. Herzlich willkommen, Frau Retzlaff!

(Beifall)

Als nächster Redner bitte Herr Michaelis, Thüringen.

 
Dipl. Med. Michaelis, Thüringen:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben die drei Referate mit Interesse vernommen. Wir haben sicherlich viele neue Dinge gehört. Ein Wort zum elektronischen Patientenrezept. Der beste Datenschutz für den Patienten ist die Vermeidung von Datenmüll. Ein Rezept wird dem Patienten immer in die Hand gegeben. Die hier vorgetragenen Möglichkeiten zur Optimierung der medikamentösen Therapie sind sicherlich nicht Dinge, die über das Rezeptformular erledigt werden können.

Danke.

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als Referent dazu Herr Professor van Eimeren.

 
Prof. Dr. van Eimeren, Referent:

Eine kurze Bemerkung zum elektronischen Rezept. Wenn es stimmt, was Analysen für Deutschland behaupten, daß durch die Einführung des elektronischen Rezepts jährlich 400 Millionen DM gespart werden können, ist es ein Skandal, daß wir noch nicht so weit sind. Es gibt keine Ebene, die sich dafür verantwortlich fühlt. Die verschiedenen Körperschaften - Ärzte, Apotheken, Krankenkassen -, die an einem solchen Beschluß beteiligt sind, können sich wahlweise positionieren und wahlweise verstecken. Dieses Versteckspiel nur auf der Basis technologischer Fragen sollte eine nationale Plattform zur Historie machen.

Danke schön.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr van Eimeren. - Als nächster Redner bitte Herr Zimmer, Nordrhein.

 

Zimmer, Nordrhein:

Herr Professor van Eimeren, dieses Einsparpotential von 400 Millionen DM kann sich nur auf das Personal beziehen. Man muß sich genau überlegen, ob man das will. Wir sagen ja immer, die Medizin sei ein Wirtschaftssektor mit hoher Personalintensität.

Ich möchte zu meinen beiden Änderungsanträgen III-1 a und III-1 b, die leider noch nicht umgedruckt sind, folgendes sagen. Ich möchte im ersten Punkt hinter dem ersten Spiegelstrich das Wort "belastenden" gestrichen haben. Ich denke, die Vermeidung von Mehrfachuntersuchungen reicht. Es sind generell Mehrfachuntersuchungen zu vermeiden, nicht nur belastende.

Ich möchte, daß die Telekonsultation nicht auch mit anderen Spezialisten erfolgt, sondern nur mit anderen Ärzten. Wenn wir beginnen, mit Biomechanikern und Ingenieuren Telekommunikation zu betreiben, tragen wir das Risiko, daß dorthin übertragene Daten für uns nicht mehr kontrollierbar und mit unserem Berufsrecht auch nicht sanktionierbar sind.

Ich möchte ferner, daß der ferngesteuerte Zugriff "durch Spezialisten" ersetzt wird durch "spezialisierte ärztliche Operateure". Das ist für mich auch aus haftungsrechtlichen Gründen sehr wichtig.

Im Antrag III-1 findet sich ein Sechspunkteprogramm. Ich möchte, daß ein siebter Punkt angehängt wird. Ich möchte eine Antwort auf die Frage bekommen, wie es mit der Gewährspflicht für die ärztliche Zulassung aussieht, wenn ein Arzt oder ein sogenannter Arzt im Internet oder wo auch immer ärztliche Ratschläge erteilt. Sie wissen, daß es uns zur Zeit noch nicht einmal gelingt, sicherzustellen, daß nur Ärzte als Ärzte tätig werden. Es gibt immer wieder den einen oder anderen Skandal. Ich denke, wir sollten nicht erklären, das sei keine Frage für uns. Wir möchten eine klare Antwort auf die Frage, wie sich der Vorstand der Bundesärztekammer diese Sicherungen konkret vorstellt.

Danke.

(Vereinzelt Zustimmung)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Zimmer. - Als nächste Rednerin bitte Frau Hasselblatt-Diedrich, Hessen.
 

 
Dr. Hasselblatt-Diedrich, Hessen:

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen an der Schwelle zum dritten Jahrtausend. Es ist allerhöchste Zeit, daß wir uns mit dieser Thematik beschäftigen. Wir dürfen nicht den Fehler machen, daß wir aus Angst vor irgendwelchen Schwierigkeiten oder aus Angst vor der Zukunft zuviel im Detail in Frage stellen. Wir haben heute drei ausgezeichnete Referate gehört. Auch andernorts beschäftigt man sich mit dieser Thematik.

Für mich steht im Mittelpunkt, gerade unter dem Eindruck des Chirurgenkongresses, auf dem diese Thematik eine große Rolle spielte, daß wir die Chance haben, die Qualität zu sichern und zu verbessern, neue Möglichkeiten der Kommunikation und der Integration zwischen ambulanter und stationärer Tätigkeit voranzutreiben. Diese Chance müssen wir nutzen.

Der Sachverständigenrat hat dazu sehr ausführliche Papiere erstellt. Ich würde mir sehr wünschen, daß Herr Minister Seehofer und das Ministerium sich viel intensiver damit beschäftigen. Wie ich gehört habe, ist dafür das Ohr noch nicht so ganz offen. Wir müssen den Minister, der uns so großartig Versprechungen gemacht hat, mahnen, sich dieser Problematik anzunehmen, und zwar für uns.

Der Datenschutz liegt mir sehr am Herzen. Da sind wir alle einer Meinung, und das ist auch im "Blauen Papier" verankert. Selbstverständlich ist der Datenschutz im Zusammenhang mit der Telematik noch wichtiger. Darüber brauchen wir doch gar nicht zu debattieren.

Wir müssen auch einmal ins Ausland schauen. In Großbritannien ist der National Health Service bereits vernetzt. Der allgemeine Praktiker ist mit den Krankenhäusern vernetzt, und zwar global. In Frankreich bezuschußt der Staat und hat festgelegt, daß bis Ende 1999 eine Vernetzung zwischen den niedergelassenen Ärzten und den Krankenhäusern erfolgt sein muß.

Wir müssen fordern, daß auch wir Unterstützung erhalten. Wir müssen mutig in die Zukunft gehen, wir müssen eine neue Medizin gestalten. Wir dürfen hier nicht mit kleinen Bedenkenträgern bestimmte Dinge wieder in Frage stellen. Lassen Sie uns das gemeinsam für die Zukunft gestalten!

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

 

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Frau Hasselblatt. - Als nächster Redner bitte Herr Adam, Bayern.

 
Prof. Dr. Dr. Adam, Bayern:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme mit meiner Vorrednerin vollinhaltlich überein. Wir stehen an der Schwelle einer neuen Kommunikationsform in der Medizin: der medizinischen Telematik. Wir haben in drei guten Referaten gehört, was auf diesem Gebiet in Zukunft geschehen kann.

Ich sehe ein Problem. Ich bin im Gegensatz zu Frau Hasselblatt nicht der Meinung, daß wir den Datenschutz nicht diskutieren müssen. Ich bin mir nicht darüber im klaren, wie der Datenschutz in der medizinischen Telematik in Zukunft sichergestellt sein wird.

Der Antrag des Vorstands der Bundesärztekammer enthält Formulierungen, die ich für zu schwach halte. Ich habe aus diesem Grund einen Antrag eingebracht, um den Gesetzgeber aufzufordern, hier Maßnahmen zu ergreifen, die den Datenschutz sicherstellen. Deshalb schlage ich auch eine Änderung im Antrag des Vorstands der Bundesärztekammer vor. Im Vorstandsantrag heißt es auf Seite 2 unten:

Es müssen Regelungen getroffen werden, die Patientendaten vor Eingriffen autorisierter Stellen zu schützen.

Das habe ich zunächst mißverstanden und war der Meinung, es müsse heißen:

Es müssen Regelungen getroffen werden, die Patientendaten vor Eingriffen nicht autorisierter Stellen zu schützen.

Ich habe mir sagen lassen, daß mit dem Begriff "autorisierte Stellen" die Geheimdienste gemeint sind. Wenn sie gemeint sind, muß man es auch entsprechend formulieren. Daher schlage ich vor - vielleicht können das die Antragsteller übernehmen -, folgendermaßen zu formulieren:

... die Patientendaten vor Eingriffen autorisierter Stellen, wie z. B. der Geheimdienste, zu schützen.

Das muß sein, um einen entsprechenden Datenschutz für die Patienten zu erreichen.

Ich bitte Sie dringlich, an dieser Stelle, an der wir die Problematik diskutieren, gleich die entsprechenden Schutzmaßnahmen mit einzubauen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Adam. - Als nächster Redner bitte Herr Drexler, Hessen.

 
Dr. Drexler, Hessen:

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Das Beispiel der Vater-Sohn-Beziehung - ich bin Vater von zwei Söhnen - scheint mir die Problematik - vielleicht bewußt - in eine merkwürdige Richtung zu treiben. Wenn Sie dieses Beispiel benutzen, Herr Giesen, haben Sie den Unterschied verwässert - das kann nicht unabsichtlich geschehen sein -, der zwischen den Beziehungen zwischen Familienmitgliedern und den Beziehungen zwischen Patient und Arzt besteht. Das scheint mir ein erheblicher Unterschied zu sein. Darüber sollte man nachdenken.

Wir haben nicht ohne Grund bei der Bundesärztekammer und bei den Landesärztekammern Ethikkommissionen installiert. Der Grund war die Einsicht, daß hier komplizierte Rechtsverhältnisse bestehen. Wir haben diese Ethikkommissionen ganz bewußt nicht nur mit Ärzten besetzt. Denken Sie bitte einmal darüber nach, warum wir das getan haben.

Herr Giesen, Sie sind mit dem, was Sie hier von sich gegeben haben, nicht der Vertreter der Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes. Diese sind auf anderen Positionen wesentlich stärker profiliert.

(Widerspruch)

Ich denke, Sie werden Ihrer Funktion als Datenschutzbeauftragter nicht gerecht, wenn Sie in diese komplizierte Rechtsbeziehung ein derartig starkes Übergewicht des ärztlichen Sachverstands einbringen. Übertragen wir doch einmal diese Vorstellung auf andere Beziehungen, beispielsweise zwischen uns und Juristen, zwischen uns und Architekten. Ich glaube, da könnten wir in eine gefährliche Schieflage geraten, wenn wir diesen Ausführungen folgten. Mehr Sensibilität und Fingerspitzengefühl sind gefragt.

Vielen Dank.

(Zustimmung - Widerspruch)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke sehr. - Als nächster Redner bitte Herr Mausbach, Hessen.

 
Prof. Dr. Mausbach, Hessen:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Resümee solcher Überlegungen ist ganz einfach: Der Patient bleibt auch als Kranker mündig. Er ist ein mündiger Dialogpartner des Arztes, auch dann, wenn er nicht alle Details ärztlicher Diagnostik und ärztlicher Therapiewege fachlich beurteilen kann. Es ist mir sehr wichtig, das zu sagen.

Ich denke, gerade wenn wir uns die geäußerten Gedanken über eine Aushöhlung oder Unterspülung der ärztlichen Schweigepflicht machen, die es nicht geben darf, wenn wir von der Datenflut reden, die sich möglicherweise verselbständigt, bei der es eine vernünftige Kontrolle geben muß, ganz besonders aus ärztlicher Sicht, brauchen wir den Patienten als Partner. Er kann nur an unserer Seite ein vertrauensvolles, durch die Schweigepflicht geschütztes Verhältnis verteidigen helfen, wenn er als mündiger Bürger dazu seine Meinung und sein Wort in die Waagschale werfen kann.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Zustimmung)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Mausbach. - Als nächster Redner bitte Herr Pickerodt, Berlin.

 
Dr. Pickerodt, Berlin:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, diese Aussage von Herrn Giesen ist so zentral und so plakativ, daß sie geeignet ist, von der Presse aufgenommen und als Meinung des Ärztetags verbreitet zu werden. Dieses kann so nicht sein.

(Zustimmung)

Diese Aussage ist verkürzt. Ich unterstelle Herrn Giesen dabei gar nichts Böses. Sie ist so verkürzt, daß sie falsch geworden ist. Als Gegenthese sage ich: Der Patient ist mündig, bedarf aber des Vertrauens in Kompetenz und Ehrlichkeit des Arztes. So wäre es richtig.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke. - Als nächster Redner bitte Herr Dieter, Baden-Württemberg.

 
Dr. Dieter, Baden-Württemberg:

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute morgen hervorragende Referate über moderne Kommunikationstechniken gehört. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Es gibt Probleme, aber dafür gibt es auch Lösungen. KBV und Bundesärztekammer haben das Deutsche Gesundheitsnetz installiert. Wir haben damit ein geschlossenes Netz, wir haben damit die Voraussetzungen geschaffen, miteinander zu kommunizieren, ohne daß wir im offenen Netz sind. Allein in Südbaden haben jetzt schon 100 Ärzte mitgemacht.

Ich möchte Sie von dieser Stelle aus aufrufen: Nutzen wir die neue Chance des DGN; denn wenn zu wenige mitmachen, wird dieses Pflänzchen vielleicht nicht genügend wachsen. Prüfen Sie bitte, ob Sie nicht breiter und zahlreicher mitmachen können.

Vielen Dank.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke schön. - Als nächster Redner bitte Herr Lutz, Bayern.

 
Dr. Lutz, Bayern:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die meisten Dinge sind bereits gesagt. Ich möchte nur noch auf zwei wichtige Probleme hinweisen. Herr Drexler, es ist nicht die Zeit, jetzt zu sagen: Es gibt Probleme, lassen wir sie liegen, wir warten! Wir müssen jetzt handeln und jetzt arbeiten. Es wäre sicher falsch, die Dinge nicht anzupacken, nur weil wir Angst haben, etwas falsch zu machen.

Es ist leider ein etwas falscher Zungenschlag durch die Begriffe "krank" und "mündig" in die Diskussion gekommen. Wir alle sind uns doch darüber im klaren, daß es nicht darum geht, die Patienten unmündig zu machen. Genau das würde in der Bevölkerung Angst hervorrufen. Warum ist es dazu gekommen? - Weil wir so breit über einen griffigen Satz diskutiert haben. Was vorhin als Ersatzformulierung angeboten wurde, ist zu lang, um griffig zu sein.

Ich möchte, daß wir uns dazu ganz eindeutig äußern und sagen: Wir wissen alle, daß wir den Patienten nicht unmündig machen wollen, wir halten ihn für mündig, wir unterstützen ihn in seiner Mündigkeit. Wenn der Patient Probleme hat, Daten nicht geheimhalten zu können, möglicherweise unter sublimem Druck aus der Umgebung, sollten wir diejenigen sein, die seine Mündigkeit erhalten und bewahren.

Vielen Dank.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Vielen Dank, Herr Lutz. - Als nächster Redner bitte Herr Mitrenga aus Nordrhein.

 
Dr. Mitrenga, Nordrhein:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte direkt an die Worte von Herrn Lutz anknüpfen. Von diesem Ärztetag darf und wird auch nicht die Botschaft ausgehen - ich habe bei Herrn Giesen auch nicht gehört, daß er dies intendiert oder gesagt hat -, der Patient sei entweder krank oder mündig. Das hat Herr Giesen doch gar nicht gesagt, meine Damen und Herren.

(Widerspruch)

- Das hat er so nicht gesagt. Er hat prononciert formuliert. Sie wissen, daß es nicht mehr "salus aegroti suprema lex" heißt, sondern "voluntas aegroti suprema lex". Dazu steht die Ärzteschaft. Daß es uns manchmal schwerfällt, etwas zu akzeptieren, von dem wir glauben, es sei dem Patienten nicht zum Heile, ist ein neues Problem. Aber es bleibt dabei: voluntas aegroti suprema lex. Das ist nicht nur eine Rechtsnorm. So verhalten wir uns als Ärzte. Heute ist nichts dagegen gesagt worden, daß wir den Patienten mündig machen und mündig halten müssen.

Insofern sind all diejenigen von einer gewissen Unredlichkeit in ihrer Argumentation, die hier so tun, als habe Herr Giesen eine andere Botschaft überbracht.

(Beifall)

Er hat im Zusammenhang mit dem heutigen Tagesthema stark prononciert gesagt: Der Patient ist krank. Man hätte auch sagen können: Er ist in erster Linie als solcher, der den Arzt aufsucht, krank, aber er bleibt doch mündig, weil er Mensch, weil er Bürger ist. Das ändert sich doch nicht dadurch, daß er zum Arzt geht.

Ein auf Vertrauen gegründetes Patienten-Arzt-Verhältnis ist nach wie vor die beste Voraussetzung zur Erfüllung der Fürsorgepflicht des Arztes und für die Möglichkeit, daß der Patient seine Mündigkeit zusammen mit dem Arzt, der ihm dazu verhilft, auch wirklich leben kann.

Meine Damen und Herren, wer kranke Menschen betreut, beispielsweise Aidskranke oder Tumorkranke - ich gehöre zu diesen Ärzten -, weiß, daß es anders überhaupt nicht geht. Einen Gegensatz zu konstruieren, wie das hier einige meiner Vorredner getan haben, ist als Botschaft nach draußen nicht

nur kontraproduktiv, es ist falsch und, wie ich eben schon sagte, zu einem Teil unredlich.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Mitrenga. - Als nächster Redner bitte Herr Schiepe, Westfalen-Lippe.

 
Dr. Schiepe, Westfalen-Lippe:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Referenten, ich danke Ihnen zunächst für die guten Referate. Ich danke speziell Herrn Giesen für sein anschauliches und lebensnahes Referat. Allerdings bin auch ich der Meinung, daß der Satz "Der Patient ist nicht mündig, sondern krank" einer Kommentierung bedarf. Wir stehen im zentralen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Es darf auf keinen Fall geschehen, daß diese sicherlich gutgemeinte Botschaft von Ihnen unkommentiert an die Presse und an die Öffentlichkeit geht.

"Mündig" und "krank" sind keine Gegensätze. Sie haben zu Recht gesagt: Die Würde des Patienten steht im Mittelpunkt meines Referats. Die Arzt-Patienten-Beziehung ist kein autoritäres oder quasi autoritäres Verhältnis, auch kein Vater-Sohn-Verhältnis, kein erzieherisches Verhältnis. Was ist es statt dessen? Es ist ein Dienstleistungsverhältnis, und zwar mit einer besonderen Verantwortung. Wir sind die Fachberater in Gesundheitsfragen für die Patientinnen und Patienten. Wir haben einen informellen Vorsprung. Das ist bei einer Dienstleistung nichts Besonderes.

Wenn ich als Klient in die Anwaltspraxis oder zum Steuerberater gehe, bin ich gesund, ich bin nicht krank. Dennoch bin ich im gleichen Sinne unmündig, wie Sie, Herr Giesen, es hier formuliert haben. So haben Sie es gemeint, und so sollten Sie es vielleicht auch der Öffentlichkeit und uns gegenüber kommentieren und klarstellen, um jedem Mißbrauch, auch in der Presse, den Boden zu entziehen.

Ich bedanke mich im übrigen für Ihr großes Einfühlungsvermögen hinsichtlich der täglichen Probleme der ärztlichen Arbeit.

Vielen Dank.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Vielen Dank, Herr Schiepe. - Als nächster Redner bitte Herr Feldhoff, Nordrhein.

 
Ltd. Med.-Dir. Dr. Feldhoff, Nordrhein:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Giesen, ich möchte Ihnen ganz herzlich dafür danken, daß Sie einige Aspekte aus Ihrer Sicht als Datenschutzbeauftragter dargestellt haben. Herr Kollege Montgomery, Sie haben den ärztlichen Sachverstand im Zusammenhang mit der Gesamtproblematik angesprochen, der notwendig ist, um die Rolle des Patienten zu definieren.

Um keine Schieflage in der Öffentlichkeit herzustellen, schlage ich vor, daß wir gerade die Rolle des Patienten im Gesundheitswesen - wir Ärzte legen ja ein Stück Wegstrecke gemeinsam mit den Patienten zurück - zum Gegenstand einer der nächsten Ärztetage machen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat 1998 als Thema für die Tagung der Gesundheitsministerkonferenz gewählt: Bürgerorientierung im Gesundheitswesen. Das ist ein Thema, mit dem sich die Bürgerinnen und Bürger auseinandersetzen können. Wir sollten dieses Thema insbesondere auch unter dem Aspekt diskutieren: Welche Rolle nimmt der Patient in dieser Phase der modernen Telekommunikation ein?

Vielen Dank.

(Vereinzelt Zustimmung)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Feldhoff. - Als nächster Redner bitte Herr Strecker, Rheinland-Pfalz.

 
Dr. Strecker, Rheinland-Pfalz:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielfach wird uns vorgemacht, es gebe Datensicherheit. Die Banken haben bewiesen, daß es sie nicht gibt. Jeder intelligente Hacker ist in der Lage, die Datensicherheit ad absurdum zu führen. Wenn das so ist, dann müssen wir einen anderen Weg gehen. Wir müssen feststellen, wo ein systematischer Mißbrauch der Daten möglich ist. Dort müssen wir abschotten. Wir müssen uns mehr um den Mißbrauch als um die Datensicherheit kümmern.

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Strecker. - Das war die letzte Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir schließen damit die Diskussion ab.

Vor der Abstimmung haben nunmehr die Referenten die Gelegenheit zu einem Schlußwort. Zunächst bitte Herr van Eimeren.

 
Prof. Dr. van Eimeren, Referent:

Ich darf nur ganz kurz auf einen Kommentar eingehen, der zeigt, daß das eine oder andere nicht ganz so verstanden wurde, wie ich es gemeint habe. Ich meine den Durchsatz von 300 Prozent. Diese Zahl tauchte in einer Passage meines Referats auf, bei der ich über Studienergebnisse berichtet habe. Ich wollte damit nicht die Behauptung aufstellen, daß in Deutschland in jedem Versorgungsbereich mit Hilfe der Telematik ein 300prozentiger Durchsatz erreicht werden kann. Unterscheiden Sie bitte zwischen den Beispielen und den generellen Aussagen, die sich am Schluß meiner Ausführungen finden.

Ich glaube, es ist wichtig, daß Sie in Ihrer Entschließung auf die Notwendigkeit hinweisen, technologische Spezifikationen, Standards, Zertifizierungen so festzulegen, daß sie für alle gelten, damit wir keine Medienbrüche bekommen. Das bedeutet nicht, daß Sie in Ihren individuellen Präferenzen, wie Sie den Patienten elektronisch dokumentieren möchten, eingegrenzt werden. Es geht darum, daß Sie in der Kommunikation miteinander Ihre Daten sinnvoll austauschen können.

Danke schön.

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr van Eimeren. - Als nächster bitte Herr Giesen.

 

Dr. Giesen, Referent:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin einer der wenigen hier im Saal, der nicht Arzt ist. Deswegen können natürlich meine Äußerungen nicht der Ärzteschaft zugerechnet werden. Ich trage meine Verantwortung selbst. Ich bin unabhängig; das ist ein sehr schöner Zustand.

(Beifall)

Ich will auch sagen, daß ich natürlich nicht verpflichtet bin, die Meinung meiner Fachkollegen in anderen Ländern vorzutragen, sondern ich spreche nur für mich.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, mündig ist - das können Sie nachlesen -, wer imstande ist, eigenverantwortlich und aus eigener Kraft objektiv richtige Entscheidungen zu treffen. Damit ist eigentlich allen, die Kritik an meinen Sätzen geübt haben, der Wind aus den Segeln genommen. Sie müssen nur nachdenken!

(Lebhafter Beifall)

Für diejenigen, die jetzt immer noch Mißverständnisse in ihren Köpfen haben, sage ich noch einmal: Mündig ist, wer imstande ist, eigenverantwortlich und aus eigener Kraft objektiv richtige Entscheidungen zu treffen.

(Zuruf)

- Das haben Sie gesagt; da bin ich wirklich anderer Meinung.

Mein ganzes Referat drehte sich, denke ich - das ist ja auch mein Beruf -, um die Frage, wieweit der Mensch mündig ist. Natürlich ist niemandem eine Grundmündigkeit abzusprechen. Die Menschenrechte sind unveräußerlich, unverwechselbar und unveränderbar. Das ist doch wohl klar. Darüber brauchen wir wohl nicht zu reden.

(Beifall)

Immer dann, wenn ein informeller Vorsprung bei einem anderen vorhanden ist, immer dann, wenn ich mich vertrauensvoll an jemanden wende, der mehr weiß, bin ich insofern ein Stücklein unmündig. Wenn Sie mich zitieren, müssen Sie vollständig zitieren. Ich habe gesagt: Der Patient ist nicht mündig, sondern krank; er bedarf des Arztes, und dann kann er mündig werden, aber nur mit Hilfe des Arztes.

(Lebhafter Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Giesen. - Jetzt hat Herr Montgomery das Wort.

 
Dr. Montgomery, Referent:

Meine Damen und Herren! Herr Kütz sprach das Problem der Archivierungsdauer von zehn Jahren an, die gesetzlich vorgeschrieben ist. Ich glaube, Herr Kütz, genau das ist eines der Probleme, die wir regeln müssen und zu regeln auch bereits versucht haben. Die Bundesärztekammer hat ebenso wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung bereits in den 80er Jahren, 1990 erneuert, Empfehlungen zum Datenschutz und zur Schweigepflicht herausgegeben. Da wir aber nicht den Arzt für technische Veränderungen der Systeme haftbar machen können, muß es jetzt unser Bestreben sein, zusammen mit der Industrie eine sinnvolle Umsetzung zu erreichen, indem wir gemeinsam mit der Industrie die Standards definieren.

Herr Michaelis, Sie haben das elektronische Rezept angesprochen. Ich glaube, wir haben das hier in der Diskussion etwas verkürzt behandelt, allein im Hinblick auf die administrativen Vorteile. Ich finde, das steht gar nicht im Vordergrund der Überlegungen. Allein die Möglichkeiten einer Erhöhung der Compliance des Patienten, die Möglichkeit, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Interaktionen mit anderen Medikamenten zu erfassen und vielleicht zuvor davor zu warnen, sind große Chancen des elektronischen Rezepts. Die Patienten bekommen heute Rezepte von verschiedenen Ärzten, ohne daß der eine Arzt weiß, was der andere Arzt verschrieben hat. Das könnte man in einem solchen System vermeiden helfen.

Herr Strecker, Sie haben gesagt, einen absoluten Datenschutz gebe es nicht. Da haben Sie völlig recht. Ich frage mich aber, ob wir gut beraten sind, alle unsere Bestrebungen nur am potentiellen Mißbrauch zu orientieren. Ich glaube, wir sollten nicht immer den Mißbrauch in den Vordergrund schieben, sondern wir müssen uns an einem vernünftigen Gebrauch orientieren, und diesen müssen wir regeln.

(Zustimmung)

Nicht nur intelligente Hacker können in jedes Computersystem hineinkommen. Mit der Post verglichen: Auch ein weniger intelligenter Postbote kann einen Briefumschlag öffnen. Lassen Sie uns den Gebrauch regeln und uns nicht aus Angst vor dem Mißbrauch in irgendwelchen Ecken verkriechen.

Meine Damen und Herren, wir haben mit dem Deutschen Gesundheitsnetz den Versuch unternommen, Ihnen ein Angebot zu machen, dies alles in Zukunft zu regeln. Ich bitte Sie alle, die Sie in der Selbstverwaltung tätig sind, mit Ihren Kammern und Ihren Kassenärztlichen Vereinigungen der Organisation des Deutschen Gesundheitsnetzes beizutreten, damit es endlich als gemeinsames Netz der deutschen Ärzteschaft auftreten kann.

Ich möchte abschließend kurz eine Bewertung der vorliegenden Anträge vornehmen. Es gibt insgesamt nur vier Anträge zum Antrag III-1; hier gibt es keine informationelle Überflutung. Alle Anträge sind kurz. Kann ich so vorgehen, Herr Präsident, daß ich die Anträge jetzt im einzelnen behandle?

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Bitte.

 
Dr. Montgomery, Referent:

Ich komme zunächst zum Antrag III-1 des Vorstands. Die Tatsache, daß Sie sich informationell so zurückgehalten haben, zeugt davon, daß dieser Antrag ausgewogen und gut formuliert ist. Ich möchte Frau Wollersheim von der Rechtsabteilung der Bundesärztekammer ausdrücklich dafür danken, daß sie diesen Antrag so hervorragend für uns vorformuliert hat. Vielen Dank, Frau Wollersheim.

(Beifall)

Herr Zimmer hat den Änderungsantrag III-1 a eingereicht. Er hat ihn hier bereits kurz begründet. Er möchte im ersten Punkt hinter dem ersten Spiegelstrich das Wort "belastenden" gestrichen haben, so daß dieser Punkt nur noch lauten würde:

Vermeidung von Mehrfachuntersuchungen durch bessere Verfügbarkeit elektronischer Patientendaten

Das mag auf den ersten Blick sehr richtig erscheinen, beraubt uns aber der Möglichkeit der Einholung von Zweitmeinungen und ähnlichem. Ich glaube, daß die Intention von Herrn Zimmer erkannt ist. Wir müssen aber feststellen: Es gibt nicht nur belastende Mehrfachuntersuchungen, es gibt auch sinnvolle Mehrfachuntersuchungen. Wir wollen natürlich nur die belastenden ausschalten. Deswegen bitte ich Sie, diesem Teil des Antrags III-1 a nicht zuzustimmen.

Herr Zimmer möchte im dritten Punkt nach dem ersten Spiegelstrich das Wort "Spezialisten" durch "Ärzte" ersetzt haben. Das halte ich für einen vernünftigen Vorschlag, dem wir ohne Schwierigkeiten folgen können.

Schließlich möchte Herr Zimmer im vierten Punkt hinter dem ersten Spiegelstrich die Worte "durch Spezialisten" ersetzt haben durch "spezialisierte ärztliche Operateure". Ich weiß nicht, ob es auch nicht ärztliche Operateure gibt. Ich glaube, daß mit dem Begriff "Spezialisten" klargemacht ist, daß es sich dabei um Ärzte handelt. Ich bin da ambivalent und letztlich emotionslos.

Ferner liegt Ihnen von Herrn Zimmer der Antrag III-1 b vor, hinter die im dritten Absatz auf Seite 2 des Vorstandsantrags aufgeführten Punkte den siebten Punkt "Gewährspflicht für das Vorliegen einer ärztlichen Approbation" anzufügen. Ich glaube, das sollten wir nicht annehmen, weil die Telemedizin sich nicht auf Ärzte beschränkt. Es gibt durchaus auch Felder, auf denen auch nicht ärztliche Berufe mit tätig sind, beispielsweise in der Zytologie, auch in der Administration. Wir würden uns erheblich einengen, wenn wir das ausschließlich auf Personen mit Approbation beschränken würden.

Zum anderen muß man sagen: Nicht jeder Arzt in der Bundesrepublik hat eine Approbation. Es gibt auch sehr viele Ärzte mit der Erlaubnis zur ärztlichen Berufsausübung. Das müßte man dann mit in den Antrag aufnehmen. Ich meine, wir wären gut beraten, den Antrag 1 b nicht anzunehmen.

Von Herrn Adam gibt es den Antrag III-1 c.
 

Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Dieser Antrag ist noch nicht umgedruckt. Er muß verlesen werden.

 
Dr. Montgomery, Referent:

Es geht darum, im vorletzten Satz auf Seite 2 des Vorstandsantrags, der jetzt lautet:

Es müssen Regelungen getroffen werden, die Patientendaten vor Eingriffen autorisierter Stellen zu schützen

zu formulieren:

Es müssen Regelungen getroffen werden, die Patientendaten vor Eingriffen autorisierter Stellen, wie z. B. der Geheimdienste, zu schützen.

Ich glaube, das ist eine deutliche Klarstellung. Wir waren zu vornehm und zu zurückhaltend, als wir das formuliert haben. Ich glaube, Herr Adam trifft mit seinem Text genau das, was wir meinten. Ich meine, man kann diesen Antrag annehmen.

Ich komme zum Antrag III-2 von Herrn Adam. Danach soll der Ärztetag folgende Entschließung fassen:

Der 101. Deutsche Ärztetag fordert den Gesetzgeber auf, alle nur denkbaren Maßnahmen zum Schutz der Daten von Arzt und Patient im Rahmen der medizinischen Telematik zu ergreifen. Insbesondere muß auf gesetzlicher Grundlage sichergestellt werden, daß ein Zugriff zu den Daten nur dem autorisierten Arzt ermöglicht wird.

Herr Adam, ich weiß, welche Intention Sie mit diesem Antrag verfolgen. Trotzdem meine ich: Genau das ist Aufgabe der Selbstverwaltung. Diese Grundlagen gibt es heute bereits; Herr Giesen hat sie dargestellt. Unsere Aufgabe ist es jetzt, diese gesetzlichen Grundlagen mit Leben zu erfüllen, indem wir vernünftige berufsrechtliche Regelungen zur Ausfüllung der gesetzlichen Grundlagen anschließen. Obwohl wir in der Intention völlig einig sind, meine ich, daß dieser Antrag vielleicht besser zurückgezogen würde, weil die gesetzlichen Grundlagen vorhanden sind und es jetzt an uns ist, die Regelungen nun zu treffen.

Meine Damen und Herren, damit bin ich am Ende. Vielen Dank. Ich bitte Sie, in die Abstimmung einzutreten.

(Vereinzelt Zustimmung)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Montgomery. - Zwar nach Beendigung der Aussprache, aber an der entsprechenden Stelle rechtzeitig eingegangen ist ein Antrag von Frau Reisinger aus Berlin, der lautet:

Der 101. Deutsche Ärztetag vertritt die Auffassung, daß der Patient immer mündig ist, auch wenn er krank ist.

Das kann man durch Abstimmung regeln.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zum Antrag
III-1. Dazu liegen die Änderungsanträge 1 a, 1 b und 1 c vor. Wir widmen uns zunächst dem Antrag auf Drucksache Nr. III-1 a. Dieser Antrag hat mehrere Teile, so daß wir darüber getrennt abstimmen müssen. Unter Nr. 1 wird im ersten Punkt hinter dem ersten Spiegelstrich die Streichung des Wortes "belastenden" beantragt. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Wer ist dagegen? - Letzteres ist die Mehrheit. Dann ist das abgelehnt.

Wir kommen zu Nr. 2. Danach soll im dritten Punkt hinter dem ersten Spiegelstrich das Wort "Spezialisten" durch "Ärzte" ersetzt werden. Wer wünscht diesem Antragsbegehren zu folgen? - Das ist wohl die Mehrheit. Gegenprobe! - Das erste war die deutliche Mehrheit. Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen. Dann ist dieser Teil des Antrags angenommen.

Wir kommen zum dritten Punkt des Antrags 1 a. Danach soll im vierten Punkt hinter dem ersten Spiegelstrich das Wort "Spezialisten" ersetzt werden durch "spezialisierte ärztliche Operateure". Wer wünscht diesem Antrag zu folgen? - Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit. Dann ist dieses abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr.
III-1 b. Der Antragsteller hat auf einen Schreibfehler aufmerksam gemacht. Es muß statt "Gewährungspflicht" heißen "Gewährspflicht". Der in dem Antrag aufgeführte Satz soll hinter den im dritten Absatz auf Seite 2 stehenden sechs Punkten angefügt werden. Wer wünscht diesem Antrag zu folgen? - Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit. Wer enthält sich? - Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr.
III-1 c. Auf Seite 2 soll es heißen:

Es müssen Regelungen getroffen werden, die Patientendaten vor Eingriffen autorisierter Stellen, wie z. B. der Geheimdienste, zu schützen.

Das ist ein Antrag von Herrn Adam. Wer wünscht diesem Antrag zu folgen? - Das ist sicher die Mehrheit. Wer ist dagegen? - Etliche Gegenstimmen. Enthaltungen? - Einzelne Enthaltungen. Dann ist der Antrag angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den so geänderten Antrag des Vorstands auf Drucksache Nr. III-1. Wer wünscht diesem Antrag zuzustimmen? - Das ist sicher die Mehrheit. Wer ist dagegen? - Einzelne Gegenstimmen. Wer enthält sich? - Ich sehe niemanden. Dann ist der Antrag mit großer Mehrheit bei einzelnen Gegenstimmen in der geänderten Fassung angenommen.

(Beifall)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. III-2. Der Text lautet:

Der 101. Deutsche Ärztetag fordert den Gesetzgeber auf, alle nur denkbaren Maßnahmen zum Schutz der Daten von Arzt und Patient im Rahmen der medizinischen Telematik zu ergreifen. Insbesondere muß auf gesetzlicher Grundlage sichergestellt werden, daß ein Zugriff zu den Daten nur dem autorisierten Arzt ermöglicht wird.
(Zuruf: Vorstandsüberweisung!)

- Es wird Vorstandsüberweisung für diesen Antrag beantragt. Wer wünscht dem zu folgen? - Das ist sicher die Mehrheit. Wer ist dagegen? - Etliche Gegenstimmen. Dann ist der Antrag an den Vorstand überwiesen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. III-3, der lautet:

Der 101. Deutsche Ärztetag vertritt die Auffassung, daß der Patient immer mündig ist, auch wenn er krank ist.

Dazu liegt ein Geschäftsordnungsantrag auf Nichtbefassung vor.

(Beifall - Widerspruch)

- Sie können das ja durch Abstimmung entscheiden. - Frau Koßmann, Hamburg, will das begründen. Bitte.

 
Dr. Koßmann, Hamburg:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns auf hohem Niveau mit dieser Thematik befaßt, mit sehr guten Redebeiträgen. Der Antrag, wie er formuliert ist, ist in seiner Einfachheit nicht dem Niveau entsprechend, das wir hier hatten. Wenn wir den Antrag aber ablehnen, wäre das ebenso fatal. Deswegen habe ich den Geschäftsordnungsantrag auf Nichtbefassung gestellt.

Vielen Dank.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Frau Koßmann. - Der Beifall zeigt mir, daß die Mehrheit dafür zu sein scheint.

(Zuruf)

- Es wird Gegenrede gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag.
 
Dr. Pickerodt, Berlin: Ich denke, die Vorrednerin hat insofern recht, als der Antrag sehr einfach ist. Aber einfache Anträge müssen nicht falsch sein, sondern können richtig und wichtig sein. Das kann nicht durch einen Geschäftsordnungstrick auf dem Wege der Nichtbefassung erledigt werden.

(Widerspruch)

Wir können eine so wichtige Sache, bei der eine so unglückliche Aussage im Raum steht, nicht so stehenlassen. Wir müssen eine Meinung dazu äußern. Diese Meinung ist: Der Patient ist mündig, auch wenn er krank ist. Ich bitte Sie, diesem Geschäftsordnungsantrag, der ein Trick ist, nicht zu folgen,

sondern dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall)

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Danke, Herr Pickerodt. - Wir kommen jetzt zur Meinungsbildung über den Geschäftsordnungsantrag. Wer wünscht Nichtbefassung? - Das ist sicher die Mehrheit. Wer ist gegen Nichtbefassung? - Etliche Gegenstimmen. Wer enthält sich? - Dann ist mit großer Mehrheit bei etlichen Gegenstimmen und einzelnen Enthaltungen Nichtbefassung beschlossen.

(Beifall)

Damit sind die mir vorliegenden Anträge zu diesem Tagesordnungspunkt sämtlich durch Abstimmung beschieden. Es bleibt mir jetzt nur noch, Ihnen für die vielen Beiträge zu danken, insbesondere aber den Referenten zu danken für die sehr sachkundigen Referate. Ich glaube, daß diese Debatte und auch die Referate ein hohes Niveau hatten und daß der Ärztetag damit ein Signal setzt, wie wichtig uns der Patientenschutz auch in Anbetracht der modernen Kommunikationstechnik ist, die uns sicher große Chancen eröffnet, wenn wir die damit verbundenen Risiken und Gefahren bewältigen. Das sollten wir als Selbstverwaltung in die Hand nehmen, denn wir können vieles in Selbstverwaltung regeln.

Nochmals herzlichen Dank für diese Beiträge.

(Beifall)