Dr. Dr. h. c. Vilmar, Präsident:

Wir sind eine dreiviertel Stunde vor der beabsichtigten Mittagspause schon so weit, daß wir den Tagesordnungspunkt IV aufrufen können. Ich frage, ob Herr Henke schon anwesend ist. - Er ist noch nicht anwesend. Er kommt mit dem Flugzeug aus Berlin, vielleicht etwas verspätet. Ich meine, wir sollten die Zeit ausnutzen, um schon vor der Mittagspause mit den Referaten zu beginnen, damit wir heute nachmittag mehr Zeit für die Diskussion haben. Sind Sie damit einverstanden?

(Zustimmung)

- Das scheint der Fall zu sein. Dann rufe ich Tagesordnungspunkt IV auf:

Arzt im Krankenhaus - Standortbestimmung und Zielorientierung
Ich möchte damit die Sitzungsleitung an Herrn Hoppe übergeben. Bitte, Herr Hoppe.

 
Prof. Dr. Hoppe, Vizepräsident:

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt IV steht heute zur Debatte, weil wir auf dem 99. Deutschen Ärztetag in diesem Raum auf Antrag von Herrn Dr. Jonitz als Delegierter der Ärztekammer Berlin den Beschluß gefaßt haben, daß auf dem 101. Deutschen Ärztetag als Hauptthema "Der Arzt im Krankenhaus - eine Standortbestimmung" behandelt werden soll. Als Begründung wurde angeführt, daß aktuelle Gesundheitspolitik und Sparmaßnahmen in den Krankenhäusern die Rahmenbedingungen ärztlichen Handelns im Krankenhaus erheblich verändert haben, so daß eine Bestandsaufnahme dringend erforderlich erscheint.

Die zweijährige Vorbereitung auf dieses Thema hat eine Referentenliste zustande kommen lassen, die sich aus folgendem Grund wie vorgesehen zusammensetzt: Unser Präsident, Herr Dr. Vilmar, war lange Jahre Vorsitzender der Krankenhausgremien der Bundesärztekammer. Dr. Montgomery ist neben seiner Eigenschaft als Präsident der Ärztekammer Hamburg Vorsitzender des Marburger Bundes, desjenigen Verbandes, in dem die meisten deutschen Krankenhausärzte organisiert sind. Herr Dr. Jonitz ist Antragsteller und deshalb um Stellungnahme gebeten worden. Herr Professor Henke ist Vorsitzender des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen. Er ist Dr. rer. pol., Wirtschaftswissenschaftler und Sozialwissenschaftler. Er ist als externer Sachverständiger gebeten worden. Herr Privatdozent Dr. Weisner ist amtierendes Mitglied der Sachverständigengremien und deren Vorsitzender in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer. Er hat die Aufgabe, unter anderem auch die Anträge des Vorstands der Bundesärztekammer zu erläutern und zu begründen.

Der erste Referent ist der Herr Präsident, Herr Dr. Vilmar. Ich darf ihn jetzt ums Wort bitten.

 
Dr. Dr. h. c. Vilmar, Referent:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst die Mitwirkung von Ärzten machte die Wandlung der früheren Siechenhäuser zu Krankenhäusern möglich - eine Feststellung, die heute, meine ich, auch im Umkehrschluß gilt. Damals allerdings konnte ein Arzt neben der Tätigkeit in seiner eigenen Praxis die Versorgung der Patienten auch im Krankenhaus allein übernehmen und durchführen. Ein Arzt behandelte sowohl ambulant als auch stationär. Das war sowohl wegen der überschaubaren Patientenzahl als auch vom Wissensumfang her möglich. Nur wenige jüngere Ärzte unterstützten ihn, die in Zusammenarbeit mit dem erfahreneren Kollegen nach dem Studium praktische Erfahrungen sammeln wollten, um sich dann in aller Regel schon nach ganz kurzer Zeit in eigener Praxis niederzulassen.

Infolge der Spezialisierung und Differenzierung in der Medizin, aber auch durch den Ausbau der gesetzlichen Krankenversicherung und eine Vielzahl weiterer gesetzlicher Regelungen sind seitdem grundlegende Veränderungen eingetreten, jedoch nicht kontinuierlich, sondern häufig in Schüben und oft mit Rückschlägen verbunden. Im Krankenhaus versuchte man der Entwicklung durch Auf- und Untergliederung in Abteilungen, Festanstellung von Ärzten, gleitende Bettenschlüssel und Personalanhaltszahlen sowie arbeits- und tarifrechtliche Regelungen Rechnung zu tragen. Dabei blieben jedoch die ursprünglich vom Militär und der allgemeinen Verwaltung übernommenen Grundstrukturen nahezu unverändert.

Wegen der nach Kriegsende 1945 viel zu hohen Arztzahl, der unzureichenden Stellenpläne und der wegen starrer Zulassungssperren unmöglichen Niederlassung in eigener Praxis arbeiteten zunächst viele Ärzte und Fachärzte unbezahlt oder unterbezahlt auf Halb- oder Drittelstellen in den Krankenhäusern. Die aussichtslose Situation ließ damals die Medizinstudentenzahl stark absinken. Erst 1960 ergaben sich für den ärztlichen Dienst befreiende Veränderungen durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung auf Grund einer Verhältniszahl für verfassungswidrig erklärte und damit vielen Krankenhausärzten eine Niederlassung in eigener Praxis ermöglichte und für die Patienten im ambulanten Bereich die freie Arztwahl sicherte. Ein weiterer Fortschritt war 1961 nach achtjähriger Verhandlungszeit das Inkrafttreten des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) mit erstmaliger Begrenzung der Arbeitszeit auf 60 Stunden pro Woche. In den folgenden Jahren wurde dann die Zahl zulässiger Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste verringert sowie die Arbeitszeit weiter verkürzt, bis in der zweiten Hälfte der 70er Jahre die Angleichung an die sonst im öffentlichen Dienst üblichen Arbeitszeiten erreicht war - zumindest theoretisch. Wegen dieser Veränderungen kam es insbesondere ab 1961 bis gegen Ende der 70er Jahre zu einem erheblichen Ärztemangel, der durch Propagierung des Medizinstudiums erst Anfang der 80er Jahre ausgeglichen werden konnte.

Das seit Januar 1997 auch im Krankenhaus geltende Arbeitszeitgesetz von 1994 brachte ebenso wie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 1992, nach der Krankenhäuser bei der Patientenbehandlung Facharztstandard sichern müssen, weitere tiefgreifende Veränderungen, denen jedoch unter Beibehaltung des überkommenen Chefarztsystems durch Erweiterung der Stellenpläne kaum Rechnung getragen wurde.

Für eine möglichst gute individuelle ärztliche Versorgung der Patienten nach dem jeweiligen Stand medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Möglichkeiten sind jedoch heute gerade im Krankenhaus mehr berufs- und lebenserfahrene Ärzte mit unterschiedlichen Spezialkenntnissen erforderlich, die dort auch eine sie befriedigende Lebensaufgabe finden können. Dies ist jedoch mit den überkommenen Strukturen institutionalisierter Hierarchien im ärztlichen Dienst des Krankenhauses nicht zu erreichen. Die Ärzteschaft drängt deshalb seit langem auf Reformen des ärztlichen Dienstes mit Einführung des Teamarztsystems. Weil dieser Forderung nur in wenigen Krankenhäusern entsprochen wurde, waren gravierende Fehlentwicklungen sowohl im stationären als auch im ambulanten Versorgungsbereich unausweichliche Folge. Dies betrifft nicht nur den investitionsintensiven Ausbau technisch-apparativer Strukturen sowohl im Krankenhaus als auch im ambulanten Bereich; weit schwerwiegender sind die unterschiedlichen Arztzahlentwicklungen in den verschiedenen Versorgungsbereichen und die Verschiebung der Relation zwischen fachärztlicher und hausärztlicher Versorgung im ambulanten Bereich während der vergangenen dreieinhalb Jahrzehnte.

Seit 1960 ist die Zahl der Krankenhausärzte von 21 544 um das Fünffache auf 107 468 im Jahre 1994 gestiegen; die Zahl der leitenden Ärztinnen und Ärzte unter ihnen verdoppelte sich jedoch nur von ursprünglich 4111 auf 9860. Der Anteil der leitenden Ärztinnen und Ärzte an der Zahl der insgesamt im Krankenhaus tätigen Ärztinnen und Ärzte verringerte sich dadurch von ursprünglich 18 auf heute lediglich 10 Prozent.

Die Zahl der in eigener Praxis freiberuflich tätigen Ärzte hat sich im gleichen Zeitraum lediglich verdoppelt: von 45 320 auf 90 406 im Jahre 1994. Der Anteil der Krankenhausärzte - bezogen auf diese beiden Versorgungsbereiche - verschob sich damit von ursprünglich 32 auf 54 Prozent. Sämtliche Zahlen beziehen sich auf die alten Bundesländer, weil in den neuen Bundesländern derartig lange zurückreichende Statistiken nicht vorliegen.

1960 kamen statistisch auf einen leitenden Arzt 0,58 Oberärzte und 2,57 Assistenzärzte. Diese Relation verschob sich bis 1989 pro leitenden Arzt auf 1,52 Oberärzte und 5,72 Assistenzärzte. Bei Universitätskliniken finden sich heute auf einen Klinikdirektor nicht selten 10 bis 15 Oberärzte und weitere zirka 50 ärztliche Mitarbeiter, zu denen darüber hinaus auch noch eine ansehnliche Zahl anderer über Drittmittel bezahlter Ärztinnen und Ärzte kommt.

Wenn jedoch, wie früher üblich, weiterhin nahezu 90 Prozent der im Krankenhaus tätigen Ärzte nach Abschluß ihrer Weiterbildung nach bis zu zehn Jahren - also nach etwa einem Drittel ihrer Lebensarbeitszeit - wegen befristeter Verträge das Krankenhaus verlassen müssen, um die folgenden zwei Drittel ihrer Lebensarbeitszeit überwiegend in eigener Praxis zu wirken, müssen die Arztzahlen in der Praxis stark ansteigen, weil die Zahl der Krankenhausärzte nicht mehr wie 1960 lediglich ein Drittel der Zahl der niedergelassenen Ärzte beträgt, sondern diese deutlich übersteigt.

Für den Gesetzgeber war dies Anlaß, im Gesundheitsstrukturgesetz ab 1993 Zulassungssperren bei Überversorgung einzuführen und ab 1999 die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nur noch auf der Grundlage einer detaillierten Bedarfsplanung nach Verhältniszahlen zu ermöglichen, die außerdem in der Regel vor Vollendung des 55. Lebensjahres erfolgen muß.

Gut der Hälfte der im Krankenhaus tätigen Ärztinnen und Ärzte ist damit nach Erreichen ihrer Facharztanerkennung jede berufliche Zukunft genommen. Zusammen mit der jüngst durch das Bundesverfassungsgericht in dem sogenannten "Demenz-Urteil" für verfassungskonform erklärten Bestimmung, daß mit Vollendung des 68. Lebensjahres in der Regel die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung endet, ist das bislang entsprechend der Bundesärzteordnung bei allen Ärzten vorhandene Selbstverständnis des Arztberufes als eines "seiner Natur nach freien Berufes" nunmehr ernsthaft in Frage gestellt. Die berufliche Perspektivlosigkeit prägt inzwischen Denken und Motivation vieler im Krankenhaus tätiger nachgeordneter Ärztinnen und Ärzte, wie in einer 1995 durchgeführten Studie "Lebensqualität und Belastungen bei Ärztinnen und Ärzten" belegt ist, die 1996 unter dem Titel "Ende eines Traumberufs" veröffentlicht wurde.

Die veränderten Arbeitsbedingungen und Arbeitsabläufe, die unterschiedlichen Arztzahlentwicklungen mit der Folge, daß heute nur noch ein Drittel der berufstätigen Ärzte in freier Praxis tätig sein kann, sowie der damit verbundene Verlust einer zufriedenstellenden beruflichen Perspektive drohen aus dem Arztberuf einen "nachgeordneten Beruf" werden zu lassen. Viele Ärzte befinden sich schon heute oft im Zustand "innerer Kündigung", zumal auch die Zahl arbeitsloser Ärztinnen und Ärzte sowohl bei Berufsanfängern als auch nach Facharztanerkennung sowie neuerdings sogar von Chef- und Oberärzten nach Schließung ihrer Krankenhäuser kontinuierlich ansteigt.

Weiterhin hohe Hochschulabsolventenzahlen in der Medizin bewirken überdies wachsenden Konkurrenzdruck und erschweren die Einigung auf gemeinsam zu formulierende Forderungen und Ziele. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern und den USA, wo der Arzt während seiner Weiterbildung ebenfalls in außerordentlich hohem Maße gefordert wird, ist in Deutschland auch kein Ende dieser Phase der "Lehrjahre" zu erkennen. Die Mehrheit der jüngeren Ärztinnen und Ärzte hat lediglich die Perspektive, entweder arbeitslos zu werden oder bei noch relativ günstigem Verlauf bis zum 65. Lebensjahr in einer Assistenzarztposition gleichsam als Kuli gehalten zu werden.

Sämtliche Regelungsversuche des Gesetzgebers in den vergangenen 20 Jahren waren trotz guter sachgerechter Vorschläge der Ärzteschaft offensichtlich stets nur ein Kurieren an Symptomen. Offenbar war und ist das "Reformdenken" vieler teils von Ballonmützen- und teils von Pickelhaubendenken geprägt.

(Heiterkeit - Beifall)

Mit solchen Pseudoreformen ist jedoch eine Identifikation des Arztes mit der Arbeit im Krankenhaus nicht zu erreichen.

Wenn dieser Weg fortgesetzt und damit lediglich an Symptomen kuriert wird, müssen sich die Fehlentwicklungen weiter verschärfen. Auch mit Versuchen einer weiter perfektionierten staatlichen Krankenhausbedarfsplanung sind die Probleme nicht zu lösen; mit derartigen fachbezogenen Bettenaufstellplänen werden die Strukturen eher zementiert.

Für eine bedarfsgerechte und auch bei weiterhin zu erwartenden sprunghaften Fortschritten in der Medizin tragfähige Versorgungsstruktur haben Deutsche Ärztetage seit langem konkrete Vorschläge veröffentlicht. Die spezialärztliche Versorgung im Krankenhaus ist danach künftig in Teamarbeit zu organisieren. Teamärzte sind freiberuflich tätige Ärzte im Sinne der Bundesärzteordnung mit Gebietsbezeichnungen und Ärzte mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen. An die Stelle hierarchischer Gliederung tritt die arbeitsteilige Tätigkeit im Team. Ambulant tätige Spezialärzte, die an der stationären Versorgung teilnehmen, gehören zur Gruppe der Teamärzte. Das Team organisiert aus sich heraus in kollegialer Weise die patientenbedarfsgerechte Arbeitseinteilung. Den Teamärzten obliegt neben der Krankenversorgung auch die Weiter- und Fortbildung der übrigen in der Klinik tätigen Ärzte.

In Belegkrankenhäusern gilt es, klar abgegrenzte Verantwortungsbereiche zu schaffen. Die Belegärzte der Abteilung bilden ein Kollegium, das zu regelmäßigen Arbeitsbesprechungen zusammentrifft. Es koordiniert die kollegiale Zusammenarbeit der Ärzte in der Abteilung und regelt die Diensteinteilung der Ärzte und der übrigen Mitarbeiter.

Der Standard spezialärztlicher Versorgung an den Kliniken der Grund- und Regelversorgung kann durch angestellte Ärzte oder freiberuflich tätige Spezialärzte gewährleistet bleiben.

Die klinische Versorgung mit Hochleistungsmedizin bleibt den stationär im Kollegialsystem tätigen Spezialisten in Schwerpunktkrankenhäusern vorbehalten. Selbstverständlich müssen die Stellen für Teamärzte öffentlich ausgeschrieben werden, weil es nicht sinnvoll ist, daß sich Fachärzte gleichsam eine Teamarztstelle "ersitzen". Mit dem Teamarztmodell ist zu erreichen, daß durch das Zusammenwirken von Teamärzten mit unterschiedlichen Spezialkenntnissen im gleichen Fachgebiet stets der gesamte für die Behandlung eines Patienten erforderliche Sachverstand vorhanden ist. Verantwortung und Kompetenz werden im Teamarztsystem wieder so zusammengeführt, daß jeder Patient erkennen kann, welcher fachlich kompetente Teamarzt für seine Behandlung zuständig ist und dafür die auch im Teamsystem unteilbare Verantwortung trägt.

Meinungsbildung und Entscheidung über wirtschaftliche Belange des Krankenhauses erfordern selbstverständlich auch im Teamarztsystem einen Meinungsbildungsprozeß, schon allein, um Doppelanschaffungen und Leerlauf zu vermeiden, die leider immer noch viel zu sehr den Krankenhausalltag prägen. Warum sollte nicht auch auf diesem Gebiet das möglich sein, was zum Beispiel bei der Beschaffung von Arzneimitteln längst selbstverständlich ist, wenn eine Arzneimittelkommission die wirksamsten und wirtschaftlich günstigsten Beschaffungen organisiert und sicherstellt, daß dabei auch der gesamte zur Verfügung stehende ärztliche Sachverstand wirksam werden kann?

Selbstverständlich hat auch im Teamarztmodell ein Koordinator die organisatorische Verantwortung und die Aufgabe, die Belange der Teamärzte gegenüber dem Krankenhausträger und umgekehrt wahrzunehmen. Auch hier sind hierarchische Gliederungen erforderlich, allerdings im Sinne einer funktionalen, sich aus der Kompetenz ergebenden Hierarchie und nicht durch eine von außen fachfremd bestimmte institutionalisierte Hierarchie. Auch in einem Teamarztsystem besteht allerdings eine Weisungsbefugnis des jeweils verantwortlichen Teamarztes insbesondere gegenüber jüngeren Fachärzten oder noch in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzten oder anderen für die medizinische Versorgung der Patienten erforderlichen Fachberufen.

Die Organisation der spezialärztlichen Versorgung in Teamarbeit, die sich im übrigen in anderen Ländern wie beispielsweise in den USA, in den Niederlanden oder in Großbritannien seit langem bewährt hat, macht es möglich, der weiteren Entwicklung der Medizin schneller und leichter Rechnung zu tragen. Es ist dann nicht mehr erforderlich, für jede neu hinzukommende Spezialdisziplin oder Subspezialität eine eigene Abteilung zu gründen. Ohne organisatorische Schwierigkeiten können vielmehr die wegen neuer Entwicklungen benötigten Spezialisten in das Team integriert werden und ihre Aufgaben wahrnehmen. Dies ist auch unabhängig davon, ob sie ausschließlich im stationären Bereich tätig sind oder als Krankenhausärzte Patienten sowohl ambulant als auch stationär behandeln oder als Belegärzte mit eigener Praxis im Krankenhaus oder im räumlichen Zusammenhang mit dem Krankenhaus im Team tätig werden.

Durch das Teamarztsystem wird ferner die wegen der weiteren Spezialisierung geradezu zwangsläufig zu erwartende völlige Zersplitterung der Versorgungsstrukturen in immer kleinere, nicht lebensfähige Abteilungen vermieden, weil in eher größeren Arbeitseinheiten der gesamte für die Versorgung der Patienten benötigte ärztliche Sachverstand zusammengeführt werden kann. Nur so ist die teure Infrastruktur möglichst effizient zu nutzen, nur so steht für jeden Patienten der im Einzelfall benötigte kompetente Arzt zur Verfügung.

Für die dringend notwendige bessere Verzahnung des stationären Versorgungsbereichs mit dem ambulanten Versorgungsbereich bietet das Teamarztsystem ebenfalls unübersehbare Vorteile, die unverzüglich genutzt werden sollten, zumal sie eine außerordentlich unwirtschaftliche generelle Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung überflüssig machen.

(Zustimmung)

Das Teamarztsystem ermöglicht, daß hochqualifizierte spezialisierte Ärzte im Krankenhaus die investitionsintensive Infrastruktur, zu der nicht nur Räume und Gerätschaften, sondern vor allem auch das menschliche Gehirn gehören, sowohl für die stationäre als auch für die ambulante Versorgung der Patienten nutzen können.

(Beifall)
 
So wird eine durchgängige Behandlung ohne Arztwechsel und ohne Informationsverluste sichergestellt. Es ist zu begrüßen, daß es diesem Ärztetag und der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gelungen ist, jedenfalls in einem Konsenspapier Ansätze zu dieser Entwicklung zu verabschieden.

Die Organisation der Zusammenarbeit der Ärztinnen und Ärzte in Krankenhaus und Praxis wäre am wirkungsvollsten durch eine sektorübergreifende Selbstverwaltung neuer Art wahrzunehmen. Diese kann auch unabhängig vom Status der Ärzte als Freiberufler, Angestellter oder Beamter organisiert werden, wie die Organisation der Kammern schon heute beweist. Unter Zurückstellung von Partikularinteressen kann so ein Gegeneinander vermieden und dauerhaft in ein Miteinander verwandelt werden, was wir angesichts der gesundheitspolitischen Situation dringend benötigen.

Die ebenso notwendigen wie seit langem überfälligen Anpassungen der Versorgungsstrukturen an die Entwicklung der Medizin sind zweifellos mit Veränderungen liebgewordener Vorstellungen und in früheren Jahren vielleicht noch bewährter Strukturen verbunden. Notwendig ist ein evolutionärer Anpassungsprozeß an die veränderten Versorgungsbedingungen, um revolutionäre Umgestaltungen durch politische Eingriffe zu vermeiden. Von genau dieser Absicht sind die Forderungen Deutscher Ärztetage geprägt, die vor allem an die für die innere Organisation der Krankenhäuser und ihres ärztlichen Dienstes verantwortlichen Krankenhausträger gerichtet sind. Das Beharren auf einem Herr-im-Hause-Standpunkt oder das Gefühl der Träger, nur noch "Herbergsvater" zu sein, und der Hinweis auf das Organisationsrecht zum Beispiel auf Grund des Reichskonkordats von 1935 stehen doch eigentlich dem gemeinsamen Ziel einer sachgerechten, der Entwicklung der Medizin entsprechenden effizienten Versorgung der Patienten entgegen.

(Beifall)

Rechtliche Bestimmungen sind deshalb den Versorgungsnotwendigkeiten anzupassen und nicht umgekehrt.

Was das Reichskonkordat von 1935 anlangt: Wer darauf beharrt, sollte sich überlegen, ob er nicht auch nur die Medizin von 1935 anbieten will. Ich meine, dann hätte er bei den Patienten keine Resonanz mehr.

(Beifall)

Anstelle des jahrelangen Herumkurierens an Symptomen durch Gesetzgeber unterschiedlicher politischer Prägung in Bund und Ländern müssen unverzüglich zukunftssichere Organisationsstrukturen geschaffen werden. Nur so sind angesichts neuer, früher ungeahnter Herausforderungen für die Ärztinnen und Ärzte in Krankenhaus und Praxis befriedigende Arbeitsbedingungen zu schaffen oder zu erhalten. Diese aber sind die wichtigste Voraussetzung sowohl für eine möglichst gute, individuelle und wirtschaftliche Versorgung der Patienten als auch zur Sicherung der Leistungsfähigkeit unseres freiheitlichen Gesundheitssystems.

Setzen wir also alles daran, daß die Forderungen der Ärzteschaft zu diesen wichtigen Reformen im Krankenhaus endlich in die Tat umgesetzt werden!

Ich danke Ihnen.

(Beifall)