Prof. Dr. Ekkernkamp, Referent:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Präsident Koch und ich haben im folgenden die Aufgabe, einzelne Aspekte der Meinungsbildung bis hin zu dem Ihnen vorliegenden Konzept, also dem Antrag II-1 und den Anlagen, vorzustellen. Dabei möchte ich zunächst einmal folgender Legendenbildung den Boden entziehen: Es wird immer wieder behauptet, die deutsche Ärzteschaft habe sich in Würzburg 1990 auf eine zertifizierte Fortbildung nicht einigen können, sie habe das Thema acht Jahre lang ruhen lassen, der 101. Deutsche Ärztetag habe dann einen Auftrag erteilt, der mit Mühe umgesetzt wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weit gefehlt! Kein Berufsstand bildet sich quantitativ und qualitativ so fort, wie dies Ärztinnen und Ärzte in Deutschland tun.

(Beifall)

Auch in den vergangenen zehn Jahren, ganz besonders in den acht Jahren nach Würzburg, gab es keinen Tag, auch nicht Heiligabend und Silvester, frei von Fortbildungsangeboten. Es mangelt nicht am Fortbildungsengagement, wohl aber am sichtbaren Nachweis.

Liebe Delegierte, Sie haben auf dem Deutschen Ärztetag in Stuttgart eine neue Mannschaft in den Vorstand des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung gewählt und damit auch einen Generationenwechsel erreicht. Wir haben dies als Verpflichtung und Chance gesehen, die langjährige und erfolgreiche Arbeit des Senats und des Dezernats "Fortbildung und Gesundheitsförderung" nicht nur zu perpetuieren. Wir haben vielmehr auch neue Wege beschritten und dabei keineswegs nur den Dialog mit zahlreichen Gruppen innerhalb der Ärzteschaft, sondern den Dialog auch mit Meinungs- und Medienmachern unserer Gesellschaft gesucht. Beispielhaft nennen darf ich die Aktivitäten auf dem Gebiet der Telekommunikation. Wir haben zahlreiche Gespräche mit Anbietern von Fernsehprogrammen für Ärzte und für Patienten geführt, wir haben darüber gesprochen, wie interaktive Medien zur Fortbildung genutzt werden können, und wir haben uns an der Wiederbelebung der "Medicinale" beteiligt, die nach Marburg und Hannover und mehrjähriger Pause mit großem Erfolg im vergangenen November in München in den Bavaria-Studios durchgeführt werden konnte. Hier gibt es glücklicherweise wieder ein enormes Potential an optischer und akustischer Vermittlung neuer Erkenntnisse, welche allesamt der ärztlichen Fortbildung dienen.

Präsident Eckel hat es bereits beim 101. Deutschen Ärztetag ausgeführt: Wesentlich erscheint uns die Evaluation der Fortbildung. Deshalb haben wir uns an der international geführten Diskussion über effektive Gesundheitssysteme (effective healthcare) beteiligt, und natürlich haben wir uns auch mit der evidence-basierten Medizin beschäftigt. Wir haben dies anläßlich unserer letzten Fachsymposien in Würzburg zum Thema gemacht und anschließend einen der führenden Repräsentanten in den Herausgeberstab der "Zeitschrift für Ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung" berufen.

All dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir getan, weil der Senat der Auffassung ist, daß Fortbildungsmaßnahmen den veränderten Notwendigkeiten angepaßt werden müssen, stets im Fluß sind und sich positiv auf die Qualität der Patientenversorgung auswirken sollten.

Eine Erkenntnis hat sich glücklicherweise durchgesetzt: Auf dem großen Fortbildungssektor - man darf wohl auch sagen: auf dem großen Fortbildungs-markt - kann und darf es keine Monopole geben. Die Auffassung, nur Fort- und Weiterbildungsakademien bei den Berufsverbänden, wissenschaftliche Fachgesellschaften, private, angeblich besonders bewegliche Institute oder aber die sicherlich unumstritten auf hohem Niveau arbeitenden Akademien bei den Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen hätten jeweils allein den richtigen Fortbildungsweg gefunden, ist sicherlich falsch. Wir haben die Erkenntnisse der Qualitätssicherung auch auf die Fortbildung übertragen; denn hier akzeptieren wir nur noch Aussagen, die gewogen und gemessen werden können. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein hat beispielsweise untersucht, ob die Kolleginnen und Kollegen lieber Frontalfortbildungen, Seminare oder Rundtischgespräche, dies lieber abends, am Mittwochnachmittag oder am Wochenende wünschen, zum Nulltarif in großen Gruppen, in kleinen Zirkeln gegen Entgelt, mehrtägig usw.

Der Senat hat auf der Basis auch dieser Erkenntnisse über Qualitätskriterien und Anforderungsprofile an Dozenten ärztlicher Fortbildungsveranstaltungen nachgedacht, den Einsatz des TED geprüft und eine Novelle der Leitsätze und Empfehlungen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Fortbildung vorbereitet.

All dies sowie das Ziehen einer Zwischenbilanz der bereits seit einigen Jahren durchgeführten Modellprojekte - Herr Präsident Koch wird gleich über das bayerische Modellprojekt berichten - diente nur dem Ziel, der deutschen Ärzteschaft Empfehlungen zur Einführung eines freiwilligen Fortbildungszertifikats auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse geben zu können.

Wenn ich am vergangenen Sonntag auf der Hauptversammlung des Marburger Bundes von gutmeinenden Kollegen, auch von Freunden habe hören müssen, daß unser Vorschlag dürftig ausgefallen sei, daß neue Ideen zur Fortbildung vermißt würden, so zeigt mir das zunächst, daß unsere Ideen einer qualitativ hochstehenden Fortbildung auf der Basis gesicherter Erkenntnisse mit anspruchsvollen Dozenten vielleicht nicht deutlich genug dargestellt worden sind. Die Kritik macht trotzdem deutlich, daß die Empfehlungen des Senats und des Vorstands der Bundesärztekammer nur einen Kompromiß für eine gemeinsame Empfehlung darstellen können.

Natürlich haben es die einzelnen Ärztekammern in den Ländern und Landesteilen leichter, über Rahmenempfehlungen hinauszugehen und konkret zu werden. Auf diese Erfahrungen ist die Bundesebene angewiesen.

So halte ich es für richtig, daß der 102. Deutsche Ärztetag hier den Beschluß faßt, die zahlreichen und unterschiedlichen Modellversuche der einzelnen Ärztekammern zu begrüßen, zu unterstützen und den Senat zu beauftragen, diese Modelle einer kritischen Begleitung und Würdigung zu unterziehen. Was aber spricht dagegen, den Bundesärztekammervorschlag hier zu verabschieden und als Rahmen und als eines der Modelle zu evaluieren? Freiwillige Teilnahme ist ohnedies garantiert.

Meine Damen und Herren, ich möchte aber nicht verhehlen, daß die aktuell vorgebrachte Kritik an dem Entwurf sehr spät kommt. Denn natürlich haben wir versucht, einen breiten Konsens für die Einführung eines freiwilligen Fortbildungsnachweises zu erzielen. Diesem Zweck diente unter anderem auch die von Präsident Eckel angesprochene gemeinsame Sitzung des Deutschen Senats mit Vorstandsmitgliedern der Deutschen Akademie der Gebietsärzte, den Fortbildungsbeauftragten der Landesärztekammern, den Leitern der Fortbildungsakademien der Landes- und Bezirksärztekammern, den Mitgliedern des Arbeitskreises "Modellprojekte zum Fortbildungszertifikat" sowie Vertretern der Deutschen Akademie für Allgemeinmedizin, des Berufsverbands der Allgemeinärzte Deutschlands und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin am 24. Oktober 1998 in Hannover.

Dabei konnte über die folgenden Punkte Konsens erzielt werden:

Es besteht die Notwendigkeit, bundeseinheitliche und letztendlich auch europakompatible Regelungen zu schaffen.

Wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaften und Berufsverbände sollten die fachspezifischen Inhalte, die Ärztekammern bzw. deren Akademien fächerübergreifende Themen erarbeiten.

Der Bundesärztekammer und den Landesärztekammern obliegt die Durchführung der Anerkennungsverfahren der Fortbildungsnachweise sowie der Veranstaltungen.

Deutlich wurde dabei, daß die wissenschaftlichen Fachgesellschaften und die Berufsverbände Vorreiterrollen übernommen haben. Genannt seien nur die Anästhesisten, die Neurologen, die Radiologen und die Dermatologen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, vieles wäre noch zu diskutieren: Sind die Punkte zu leicht oder in wirtschaftlich angespannter Zeit gar nicht zu erlangen? Welchen Wert hat das Selbststudium? Oder ganz banal: Stellen Vorbereitung und Halten eines Referats schon an sich für den Referenten selbst Fortbildung dar? Wie ist es, wenn er den Vortrag zum 15. Mal hält?

Über jeden dieser Punkte werden wir unter 250 Delegierten keinen alle einzelnen Meinungen umfassenden Konsens erzielen können. Die verfaßte Ärzteschaft muß nicht nur mit den wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Berufsverbänden in einem kontinuierlichen Dialog bleiben, sie muß jetzt endgültig Konkretes verabschieden, sonst wird die deutsche Ärzteschaft - davon bin ich überzeugt - zumindest langfristig den Anschluß verlieren.

Meine herzliche Bitte an Sie lautet: Der 102. Deutsche Ärztetag sollte ein sichtbares und konkretes Zeichen in Richtung der inner- und außerärztlichen Öffentlichkeit setzen. Es muß deutlich werden, daß wir es mit der zertifizierten Fortbildung auf freiwilliger Basis wirklich ernst meinen und daß wir diese Basisdiskussion hier und heute in Cottbus abschließen wollen.

(Beifall)

Denn die Mehrzahl der Ärzte und ihre zahlreichen Organisationen haben sich längst auf diese Art des Nachweises eingestellt. Lassen Sie uns hier die Valenzen schaffen, damit wir uns auch in den Körperschaften mit ganzer Aufmerksamkeit der Fortbildungsevaluation sowie den Lehr- und Lerninhalten widmen können.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Karsten Vilmar, Präsident:

Vielen Dank, Herr Ekkernkamp. Als nächster Referent hat Herr Koch das Wort. Bitte, Herr Koch.


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