Dr. Koch, Referent:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen kurz über die Erfahrungen berichten, die wir in Bayern mit einem freiwilligen Fortbildungszertifikat gewonnen haben. Ich werde mich jetzt nur auf die formalen und organisatorischen Inhalte beziehen, nicht auf die qualitativen Gesichtspunkte, wobei natürlich auch zu diesen viel zu sagen wäre.

Gestatten Sie mir eine kurze Vorbemerkung. Die Weiterbildung ist in den jeweiligen Landesärztekammern geregelt. Es finden sich auch in den Kammergesetzen viele Hinweise auf die Weiterbildungsordnung. Auf der anderen Seite gibt es - lassen Sie es mich so ausdrücken - ordnungspolitische Fanatiker, die der Meinung sind, daß man auch bezüglich der Fortbildung ein Regelwerk schaffen müßte, wie es für die Weiterbildung gilt. Das kann und darf natürlich nicht sein.

(Zustimmung)

Sie kennen die Diskussion über die sogenannte Deregulierung der Weiterbildungsordnung. Wir dürfen bezüglich der Fortbildung nicht ein neues Werk aufbauen. Wir brauchen einfache Rahmenbedingungen für die Fortbildung. Dies könnte eine Zertifizierung sein, vor allem dann, wenn wir daran denken, daß Weiterbildung und Fortbildung eng verzahnt sind und sich in gewisser Weise ergänzen. Ich nenne als Stichwort die berufsbegleitende Weiterbildung.

In den nächsten Jahren müssen wir uns sicher auch mit dem Stichwort Diplomierung beschäftigen. Auch hier könnten gewisse Rahmenbedingungen bei der Fortbildung sehr hilfreich sein.

Ich denke, eines muß von Anfang an klar sein: Die letztendliche Verantwortung für die Fortbildung muß immer bei der Ärztekammer bleiben. Dies dürfen wir uns nicht aus der Hand nehmen lassen.

Wir haben uns in Bayern das Heilberufekammergesetz vom August 1996 angeschaut und gesucht, wo überall etwas über die Fortbildung steht. Relevant ist in Bayern Art. 18, in dem steht, daß sich die Ärzte im Rahmen ihrer Tätigkeit fortbilden müssen.

Wir wurden natürlich auch in den Berufsordnungen fündig. Dort steht, daß man die Verpflichtung zur Fortbildung hat und daß die Verpflichtung besteht, diese Fortbildung den Kammern gegenüber in geeigneter Weise nachzuweisen. Hier sahen wir ein gewisses Defizit und haben uns überlegt, wie wir es den Kolleginnen und Kollegen auf einfache Weise ermöglichen können, dieser Berufspflicht nachzukommen.

Daß sich sehr viele Kolleginnen und Kollegen fortbilden, möchte ich an einer Grafik deutlich machen. Dort sind nur diejenigen Zahlen der Fortbildungskontakte aufgeführt, welche die Bayerische Akademie für ärztliche Fortbildung überprüfen kann. Uns ist klar, daß es natürlich noch viele andere Fortbildungen gibt. Die Dunkelziffer wird noch einmal so groß sein wie das, was wir wissen. Die Zahl der Besuche von Fortbildungsveranstaltungen steigt laufend. Für den Zeitraum 1998/99 kommen wir auf eine Zahl von weit über 120 000 Fortbildungskontakten allein auf Grund der Fortbildungsveranstaltungen unserer Akademie. Die endgültigen Zahlen liegen noch nicht vor. Ich wiederhole: Mindestens noch einmal soviel Fortbildungskontakte entstehen auf andere Weise.

Hier wird das, was der Kollege Ekkernkamp eben ausführte, ganz deutlich: Die Fortbildung wird in Deutschland ernstgenommen. Es ist nicht so, daß wir uns

zuwenig fortbilden.

(Zustimmung)

Wir haben uns überlegt, welche Basis ein Fortbildungszertifikat haben könnte. Wir haben nachgeprüft, was der Deutsche Senat für ärztliche Fortbildung schon vor vielen Jahren festgelegt hat. Zum einen muß es sich um eine freiwillige Fortbildung handeln. Das ist nach unserer Meinung ein ganz wichtiger Punkt. Man ist von einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren ausgegangen. 60 Stunden wurden empfohlen. Es wurde geklärt, daß ein Zertifikat rechtlich zulässig ist, daß es darstellbar und sofort umsetzbar ist.

Es gab allerdings auch noch einige unklare Punkte, nämlich: Wie kann das Ganze evaluiert werden? Wie kann es qualifiziert werden?

Wir haben uns überlegt, was im Zusammenhang mit einem solchen Fortbildungszertifikat zu klären ist. Zum einen muß geklärt werden, wie lange ein solches Zertifikat Gültigkeit besitzen soll. Gibt es überhaupt eine zeitliche Beschränkung? Sind Punkte sinnvoll? Wieviel Punkte benötigt man? Wie kann eine Qualifizierung erfolgen? Wie bewertet man die Arbeit mit CD-ROMs, wie bewertet man das Selbststudium?

Wir haben ein Modellprojekt entwickelt und auf dem Bayerischen Ärztetag 1997 einen entsprechenden Antrag gestellt. Dieser Antrag wurde bei drei Gegenstimmen und einer Enthaltung mit überwältigender Mehrheit von 180 Delegierten als Modellprojekt akzeptiert. Dieses Modellprojekt begann am 1. April 1998.

Nach welchen Kriterien werden die Punkte vergeben? Die Laufzeit beträgt insgesamt ein Jahr. Während dieses Jahres müssen 20 Punkte erworben werden. Bis zu 2,5 Stunden Fortbildung gibt es einen Punkt. Bei einer Zeit zwischen zweieinhalb und vier Stunden gibt es zwei Punkte, bei einer Dauer zwischen vier und acht Stunden gibt es drei Punkte. Ferner gibt es Zusatzpunkte, nämlich wenn eine Evaluation der Fortbildung stattfindet oder wenn eine schriftliche Lernerfolgskontrolle erfolgt, wobei diese nur der Selbstkontrolle dienen soll, nicht etwa einer Überprüfung des Wissens. Es gibt Zusatzpunkte für anerkannte Qualitätszirkel und auch für Gruppenarbeit, also für interaktive Fortbildung, für Workshops, für Seminarfortbildung.

Der Hospitation haben wir einen relativ hohen Stellenwert mit fünf Punkten pro Hospitationstag beigemessen.

Wir haben bei uns in Bayern festgelegt, daß Referenten, Tutoren, Moderatoren dieselbe Punktzahl erhalten wie die Zuhörer selbst. Man kann sehr trefflich darüber diskutieren, ob dies sinnvoll ist oder nicht. Ich höre immer wieder die Meinung: Wenn ein Referent den identischen Vortrag zum zehnten Mal hält, muß er dann noch Punkte erhalten? Diese Frage kann man sicher stellen. Wir haben es jedenfalls in unserem Modellprojekt so vorgesehen.

Man kann die Frage stellen: warum ein Punktesystem? Der Deutsche Senat für ärztliche Fortbildung hat einmal von Stunden gesprochen. Sie kennen sicher auch die Fortbildung im Schmerzbereich, wo von Kreditstunden die Rede ist. Aber eine Fortbildungsstunde ist nicht einer normalen Zeitstunde gleichzusetzen. Ich denke, ein Punktesystem ist sinnvoller, als einen neuen Begriff wie "Kreditstunden" einzuführen. Auch auf europäischer Ebene wurde von der UMS und der CME ein Punktesystem europaweit empfohlen.

Was ist anrechenbar bei einem solchen Punktesystem? Da ist zum einen die Fortbildung in allen Kreis- und Bezirksverbänden zu nennen, in allen Ärztekammern und in den Akademien, die es bei den Ärztekammern gibt. Zum anderen sind hier natürlich alle Fortbildungen zu nennen, die vorher bei der Kammer oder der Akademie beantragt werden - das geschieht in aller Regel - und die dann in Zusammenarbeit mit der Akademie stattfinden. Hierunter fallen auch die Fortbildungsmaßnahmen von wissenschaftlichen Gesellschaften und Berufsverbänden, natürlich nur dann, wenn sie wissenschaftlichen Inhalts sind. Private und außerbayerische Fortbildungen können anerkannt werden, wenn sie die entsprechenden Kriterien erfüllen.

Es gibt ein kleines Heft, bei dem auf der zweiten Seite die einzelnen Kriterien aufgeführt sind, so daß man diese jederzeit nachlesen kann. Wir haben sogenannte Barcode-Etiketten kreiert, um diese Punkte schnell nachweisen zu können.

Ein Argument, das immer wieder vorgetragen wird, lautet, daß ein solches Fortbildungszertifikat in den Kammern einen erheblichen Verwaltungsaufwand hervorruft. Ich habe schon Berechnungen gehört, daß eine Kammer 15 neue Planstellen schaffen müsse, um das Problem mit den Fortbildungszertifikaten in den Griff zu bekommen. Wir haben, wie gesagt, die Möglichkeit über die Barcode-Etiketten gefunden, wo codiert die Daten der Fortbildung enthalten sind. Diese Barcode-Etiketten erhalten alle Fortbildungsveranstalter. Diese Etiketten sind leicht am Computer herzustellen. Sie können an die Fortbildungsveranstalter versandt werden und entsprechend in das Heft eingeklebt werden.

Wenn die Punktzahl erreicht ist, kann das Heft mit einem Scanner eingelesen werden. Das Programm ist so gestaltet, daß anschließend sofort das Zertifikat gedruckt wird. Bei diesem System haben wir bisher keine neue Planstelle für das Fortbildungszertifikat einrichten müssen. Das konnte mit dem bisherigen Personalbestand ohne größere Probleme bewältigt werden. Allerdings waren manche Kreisverbände nicht ganz glücklich mit diesen Barcode-Etiketten, so daß wir eine neue Lösung gefunden haben. Sie wissen: Bescheinigungen über die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen sind aus verschiedenen Gründen sehr begehrt. Wir haben diese Teilnahmebescheinigungen im unteren Feld mit einem solchen Barcode-Aufdruck versehen, so daß der Kollege bzw. die Kollegin nicht einmal mehr das Heft führen muß. Man kann diese Bescheinigungen sammeln und anschließend der Kammer einreichen. Es ist ohne Probleme möglich, die Daten einzuscannen und ein Zertifikat auszudrucken.

Ein kleines Problem gibt es, wenn sich die Fortbildung über mehrere Tage erstreckt. Dann muß man auf der Rückseite der Bescheinigung die einzelnen Tage gesondert aufführen. Auch dies ist ohne allzu großen Verwaltungsaufwand mit Hilfe der EDV möglich.

Das Fortbildungszertifikat ist ein Jahr gültig. Wir haben das aber in dem Modellprojekt nicht so eng gesehen. Es gibt Kollegen, die innerhalb eines Jahres bereits zwei solcher Zertifikate beantragt und auch erhalten haben.

Was kann man mit einem solchen Zertifikat anfangen? Ich hätte auch aus berufsrechtlicher Sicht keine Probleme, wenn man dieses Zertifikat in den Praxisräumen ausstellen würde.

Bis zum 28. Mai dieses Jahres haben wir bereits 1434 solcher Fortbildungszertifikate ausgestellt. 48 Kolleginnen und Kollegen hatten innerhalb eines Monats 20 Fortbildungspunkte gesammelt und haben ein Zertifikat beantragt. Es kann also nicht allzu schwer sein, 20 Punkte im Jahr zu erreichen.

In Österreich müssen in drei Jahren 100 Stunden absolviert werden. In der Schweiz sind es in einem Jahr 80 Stunden, in Thüringen sind es in drei Jahren 100 Stunden.

Wir verlangen in Bayern keine strukturierte Fortbildung. Bei dieser Einfachheit werden neue Medien nicht berücksichtigt. Allerdings haben wir eingeführt, daß bei einer Evaluation sich die Punktzahl immer weiter erhöhen kann.

Im europäischen Ausland gibt es sehr viele Länder, bei denen es ein solches Fortbildungszertifikat bereits gibt. Allerdings gibt es auch einige Länder, bei denen mit Konsequenzen verschiedenster Art zu rechnen ist, wenn man innerhalb einer bestimmten Zeit dieses Zertifikat nicht nachweisen kann.

Wir haben in Deutschland vor wenigen Tagen telefonische Auskünfte eingeholt, wie die Situation bei den einzelnen Landesärztekammern aussieht. Bei mehr als der Hälfte der Landesärztekammern sind solche Fortbildungszertifikate beschlossene Sache.

Große Kongresse wie beispielsweise die "Medica" in Düsseldorf erkennen solche Punkte an und vergeben nach Rücksprache mit den entsprechenden Landesärztekammern selbst solche Punkte. Bei den großen Kongressen ist man bereits dazu übergegangen, Fortbildungspunkte zu vergeben. Im Entwurf des Kammergesetzes in Bremen vom Februar 1999 findet sich die Auflistung, daß Teilgebietsbezeichnungen und Zusatzbezeichnungen nur noch für die Dauer von fünf Jahren gelten, es sei denn, man absolviert eine Prüfung oder weist nach, daß man sich regelmäßig fortgebildet hat. Es ist Frau Kollegin Auerswald gelungen, durch die Einführung eines freiwilligen Fortbildungszertifikats in Bremen diesen Passus aus dem Entwurf des Kammergesetzes zu streichen.

(Beifall)

Sie sehen, daß wir mit einer solchen freiwilligen Zertifizierung durchaus bei den Politikern Gehör finden.

Als Ziel sehe ich die Unterteilung in eine fachspezifische und eine allgemeine Fortbildung an, wobei ich denke, daß die fachspezifische Fortbildung beispielsweise von den Akademien der Berufsverbände und der Fachverbände geleistet werden kann. Herr Kollege Ekkernkamp hat bereits darauf hingewiesen, daß es inzwischen sehr viele solcher Akademien gibt, die sehr eifrig sind und eine hochqualifizierte Fortbildung anbieten. Die allgemeine Fortbildung könnte von den Kammern und ihren Akademien erbracht werden. Wir müssen dafür sorgen, daß wir in etwa gleiche Kriterien innerhalb Deutschlands zugrunde legen, natürlich am besten auch innerhalb Europas, beispielsweise was die Punktzahl und die Laufzeit angeht. Es muß selbstverständlich eine wechselseitige Anerkennung erfolgen. Wer eine Fortbildung in Hessen besucht, muß diese natürlich auch in Bayern anerkannt bekommen. Darüber darf es keine Diskussionen geben.

(Beifall)

- Ich habe bewußt dieses Beispiel gewählt, weil ich wußte, daß es eine gewisse Heiterkeit erregt.

Ich denke, wir sind uns alle einig, daß wir ohne eine qualifizierte Fortbildung keine qualifizierte Beratung unserer Patienten durchführen können. Im Regelfall bilden wir uns alle qualifiziert fort. Ich denke, daß die Einführung eines Fortbildungszertifikats nur der Beweis für das ist, was wir sowieso tun. Wenn es Kolleginnen und Kollegen gibt, die ein solches Zertifikat sehr gern erwerben möchten, sollten wir ihnen diesen Weg nicht verbauen. Deshalb bitte ich Sie herzlich, dem Antrag des Vorstands hinsichtlich dieses Fortbildungszertifikats zuzustimmen.

Ich darf mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Karsten Vilmar, Präsident:

Vielen Dank, Herr Koch, für diesen vorzüglichen Überblick. Wir haben nun eine gute Grundlage für die weiteren Überlegungen. Wir sollten jetzt nicht allzu lange diskutieren, denn es ist schon unendlich viel über die Fortbildung geredet worden. Wir sollten vielmehr zur Tat schreiten.

(Beifall)

Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Hansen aus Nordrhein. Bitte, Herr Hansen.


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