Top I: Gesundheits- und Sozialpolitik

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer:

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Rede des Herrn Präsidenten wurde bereits als "starke Rede" gelobt. Wenn ich das mit der Kochkunst vergleiche: Dort ist es manchmal notwendig, den Fond immer weiter zu reduzieren. Das, was am Ende dieses Reduktionsprozesses übrig bleibt, ist eine konzentrierte Essenz.

Eine solche konzentrierte Essenz, lieber Herr Präsident, lieber Jörg, ist das, was der Deutsche Ärztetag durch die Jungfernrede des Präsidenten auf der Eröffnungsveranstaltung präsentiert bekommen hat. Darin steckte außerordentlich viel konzentrierte Essenz unserer ärztlichen Kernauffassungen. Dafür, dass das so präzise von Ihnen, Herr Präsident, vorgetragen wurde, verdienen Sie auch ein zweites Mal einen Applaus.

(Beifall)

Wenn der Patient eine Arztpraxis aufsucht oder ins Krankenhaus kommt, kann er nicht wissen, ob dort das Arzneimittelbudget, das Heilmittelbudget oder das Hilfsmittelbudget überschritten ist. Er kann nicht wissen, ob die Vergütungen für das Krankenhaus auskömmlich sind. Er kann nicht wissen, ob die Budgets richtig vereinbart sind. Der Patient muss sich schlicht und ergreifend darauf verlassen, dass das Grundprinzip ärztlichen Handelns gilt, nämlich dass der Patient alle im Einzelfall notwendigen Leistungen erhält.

Diese Notwendigkeit besteht in jedem Einzelfall ohne Ausnahme, wenn die betreffende Leistung mit der begründeten Erwartung einhergeht, eine Erkrankung zu erkennen, sie zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Wir sind sowohl durch das Sozialgesetzbuch, aber natürlich auch durch unsere ärztliche Ethik angehalten, uns im konkreten ärztlichen Handeln am aktuellen Stand der medizinischen Kenntnisse und Fertigkeiten zu orientieren und dem Patienten das zu verschaffen, was erforderlich ist, damit ihm in seiner Situation geholfen werden kann.

Genau an dieser Stelle liegt der große Widerspruch zu den gesetzlich verkündeten Budgets. Dabei ist es mir gleichgültig, ob sie als sektorale Budgets oder als Globalbudgets daherkommen. Die heutige Versorgungssituation sieht so aus, dass Patienten mit multipler Sklerose, mit chronischer Hepatitis B und C, mit Alzheimer, mit HIV-Infektion, mit Asthma bronchiale, mit Psychosen, die mit neuen Neuroleptika und mit neuen Antidepressiva behandelt werden müssen, mit onkologischen Problemen, mit chronischem Rheumatismus und mit Morbus Crohn in einem Teil der Fälle nicht jene Leistungen bekommen, von denen wir in der Praxis und im Krankenhaus wissen, dass sie ihnen entsprechend unserer ärztlichen Ethik und nach dem Sozialgesetzbuch zustehen.

Genau an dieser Stelle muss die Gesundheitspolitik eine entscheidende Wende herbeiführen. Das gelingt nur mit einer ehrlichen Analyse. Wenn Frau Fischer einen Neuanfang verspricht, muss dafür die Voraussetzung geschaffen werden. Ich bin ein bisschen skeptisch, hoffe aber sehr, dass wir im Rahmen der Diskussionen im kommenden Jahr zu Ergebnissen gelangen, welche die Zwangssituation für die Ärzte in der Klinik wie in der Praxis beseitigen, sich entweder selbst auszubeuten oder den Patienten Leistungen zu verweigern.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank, Herr Henke. - Jetzt kommt Ellis Huber. Voriges Jahr mussten wir auf ihn verzichten; jetzt ist er wieder da. Herzlich willkommen! Aber genau in dem Moment, da er sprechen will, ist das rote Lämpchen für die Anzeige der Redezeitbegrenzung durchgeknallt!

(Heiterkeit)

Deshalb müssen wir uns beim Ende der Redezeit akustisch verständigen.

Bitte, Herr Huber.


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