Top I: Gesundheits- und Sozialpolitik

Dr. Huber, Berlin:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kossow hat die Probleme aufgezeigt, die zu lösen sind. Im Wandel dieser Gesellschaft schwadroniert Herr Blair vom dritten Weg, Herr Schröder von der Neuen Mitte und nun von der Zivilgesellschaft. Letztlich geht es immer um dasselbe: Was kann getan werden, damit der Terror der Ökonomie ebenso wie der Terror der Bürokratie zurückgedrängt wird und ein freies individuelles wie gemeinschaftliches Leben möglich ist?

Genau da kommt der Ärzteschaft eine Schlüsselfunktion zu. Sie muss das begreifen oder wird von anderen Berufsgruppen in diesem System abgelöst. Gehört das Gesundheitswesen dem Markt mit seinen Gesetzen oder dem Staat mit seiner Macht? Oder gehört es der Zivilgesellschaft mit ihrer Kultur des sozialen Lebens? Gesundheit wird dort geschaffen, wo Menschen leben, arbeiten, ihre Freizeit gestalten und lieben. Das ist ein Zitat aus der Charta von Ottawa zur Gesundheitsförderung. Weltweit macht sich ein Paradigmenwechsel der Gesundheitspolitik breit, indem erkannt wird, dass sich eine Neuorganisation der Versorgung, von den Kommunen her aufgebaut, von den Gemeinden her durchgeführt, durchsetzt. Das alles wird zusammengefasst unter dem Begriff "Gesundheit 21", "Agenda 21".

Das Steuerungsproblem besteht darin, dass wir preiswerte Gesundheit für alle in diesem Lande erreichen sollen, also einen vernünftigen Ressourceneinsatz in unseren Versorgungsprozessen gestalten. Diesem Ziel muss sich die einzelne Arztpraxis, die einzelne Sozialstation, das einzelne Krankenhaus unterordnen.

Was aber erleben wir gegenwärtig aufgrund der Honorarsysteme und der Finanzierungsweisen? - Dass eine erfolgreiche Arztpraxis die Ökonomie des GesamtVersorgungssystems zerstört. Wir erleben so etwas wie eine Krebszellenökonomie.

Diese Steuerungsproblematik kann nur gelöst werden, wenn die Ärzteschaft Verantwortung für Ressourcen sparende Versorgungsprozesse übernimmt. Erst dann wird ein Budget, das die Politik in ihrer Hilflosigkeit verordnet, überflüssig. Um diesen Diskussionsprozess anzuregen - manche von Ihnen haben es nicht verstanden - und ein Stück weit auch den Deutschen Ärztetag und die Ärzteschaft insgesamt auf Trab zu bringen, findet der "Gesundheitstag 2000" vom 31. Mai bis zum 4. Juni in Berlin statt. Das "Gesundheitsparlament der BügerInnengesellschaft", die Versammlung der Vertreter, die in Selbstorganisation Gesundheit in der sozialen Alltagswelt organisieren, wird parallel zum Deutschen Ärztetag gesundheitspolitische Konzepte entwickeln und öffentlich machen.

Ich darf Sie auf diese Konkurrenz neugierig machen, die Ihnen an manchen Punkten tatsächlich Beine machen wird.

Herzlichen Dank.

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Danke sehr. - Als nächster Redner bitte Herr Montgomery vom Vorstand.


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