Top I: Gesundheits- und Sozialpolitik

Dr. Massing, Westfalen-Lippe:

Meine Damen und Herren! Was unsere gegenwärtige Lage angeht, so hat der Herr Präsident wasser- und fugendicht alles gesagt, was zu sagen war. Das könnte man durch weitere Ausführungen nur verwässern.

Ich möchte zum Umdruck I-1 mit dem Titel "Ein freies und soziales Gesundheitswesen ist der beste Patientenschutz" etwas sagen. Dieser Antrag enthält sehr viele Wahrheiten, denen man, Herr Präsident, freudigen Herzens zustimmen kann. Aber dann wird plötzlich und undifferenziert die freie Arztwahl gefordert. Im Augenblick gibt es eine ungesteuerte freie Ärztewahl, die dazu führt, dass der Patient sich ungehemmt Arzneimittel besorgen kann, wofür wir dann auch noch eine finanzielle Strafe leisten sollen. Das kann zu Körperverletzungen führen. Ich will Ihnen diese Fälle nicht Schildern, weil die Zeit dazu nicht reicht.

Als Ärztevereinsvorsitzender bin ich von der AOK Steinfurt sozusagen tränenreich angeschrieben worden, ich möge doch einem Patienten, der innerhalb eines Quartals 57 Ärzte aufgesucht hat, das Handwerk legen. Die Forderung nach freier Arztwahl ist mir zu undifferenziert. Dem kann man nicht zustimmen, wohl aber allem anderen.

Ebenso unvermittelt und undifferenziert wird die Forderung nach einer Wiederherstellung der Niederlassungsfreiheit erhoben. Wenn die jungen Kolleginnen und Kollegen, die nachrücken, geschützt werden sollen, geht einem natürlich das Herz auf, aber unter den gegenwärtigen Umständen würde dafür ein Drittel unseres Einkommens draufgehen. Wie würde wohl ein Antrag beschieden, der die Einstellungsfreiheit im Krankenhaus fordern würde? Die beati possidentes müssen ein Viertel ihres Gehalts opfern. Sie würden hohnlachen, wenn hier ein solcher Antrag gestellt würde. Insofern ist die erhobene Forderung sehr undifferenziert. Ich weiß nicht, ob man dem so zustimmen kann. Es steckt ein Fünkchen Irrtum und viel Wahrheit in diesen Ausführungen. Es kann ja sein, dass die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen aus einer gewissen Trägheit der Treue heraus zustimmen, weil viele Wahrheiten enthalten sind. Dann stimmt man aber gleichzeitig der Tatsache zu, dass man 30 Prozent mehr arbeiten muss. Das gilt gegenwärtig für die Gynäkologen: Durch die freie Arztwahl liegen sie beim Budget 30 Prozent über der Grenze.

Herzlichen Dank.

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank, Herr Massing. - Als nächster Redner bitte Herr Theurich, Nordrhein.


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