Top VI: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

PD Dr. Winter, Dezernent in der Bundesärztekammer:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschenrechtskonvention zur Biomedizin des Europarats ist 1990 durch die europäische Justizministerkonferenz ins Leben gerufen worden, weil man gemeinsame Standards bei der Anwendung von Biologie und Medizin am Menschen Europaweit schaffen wollte. Ich habe bereits die Zahl von 800 Millionen Bürgern und 41 Staaten erwähnt.

Die Konvention baut auf der Menschenrechtskonvention des Europarats von 1950 auf. Insoweit ist sie ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag. Das heißt, Staaten können sie zeichnen und nach Ratifikation durch die nationalen Parlamente mithilfe von Gesetzen umsetzen. Durch die Ratifikation hat der nationale Gesetzgeber die Möglichkeit, ihn betreffende Dinge so zu gestalten, wie er dies möchte.

Art. 27 der Konvention erlaubt es den Staaten, nationale höhere Schutzbestimmungen zu erlassen. Insoweit braucht man keine Vorbehalte im Zusammenhang mit der Konvention anzumelden.

Vom Inhalt her geht es darum, dass beispielsweise Berufsrechtliche Standards vorgeschrieben werden. Alles, was Sie hier zum Berufsrecht beschließen, würde gemäß Art. 4 der Konvention automatisch, wenn Deutschland die Konvention zeichnet, eine gesetzliche Bindungswirkung erhalten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Ferner gibt es Einwilligungskriterien, das "informed-consent-Prinzip". Es gibt Schutzkriterien für Patienten im Hinblick auf die medizinische Forschung. Sie laufen darauf hinaus, dass der gesetzliche Vertreter zustimmen muss. Es darf nur ein minimales Risiko und eine minimale Belastung geben. Der Betroffene kann Widerspruch einlegen. Ein interdisziplinär besetztes Ethikkomitee muss eine Bewertung vorgenommen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Tatsache, dass beispielsweise in der Kinderheilkunde heute 75 Prozent aller Leukämiefälle geheilt werden können, ist Ausfluss der Forschung mit nicht einwilligungsfähigen Menschen; in diesem Fall handelt es sich um Kinder. Sie können natürlich durch eine Blutentnahme nicht per se garantieren, wenn Sie genetische Marker charakterisieren, dass Sie einen unmittelbaren Nutzen haben. Das geht in der Forschung nicht. Sie können hoffen, dass Sie einen mittelbaren Nutzen haben. Nichts anderes sieht die Konvention vor.

Weiterhin ist ein Verbot von Eingriffen in die Keimbahn Bestandteil der Konvention. Es gibt auch ein Recht auf Nichtwissen. Eine genetische Diagnostik kann den Menschen nicht übergestülpt werden. Sie können sagen - das ist ganz wichtig -: Ich möchte das nicht haben.

Art. 11 der Konvention enthält ein Verbot der Diskriminierung einer Person aufgrund ihres genetischen Erbes. Keine Lebensversicherung hat also das Recht, einen Gentest zu verlangen. Es gibt kein Recht des Arbeitgebers, vor einer Einstellung einen Gentest durchführen zu lassen. Das sind ganz wichtige, ganz fundamentale Bestimmungen.

Ein Verbot des Organhandels ist ebenfalls Bestandteil der Konvention. Die Konvention erlaubt als besonderes Rechtsinstrument Zusatzprotokolle. Eines haben wir bereits vollkommen nach deutschem Rechtsmuster entworfen, nämlich das Protokoll zum Verbot des Klonens von Menschen. Dieses ist 1998 in Paris zur Zeichnung aufgelegt worden und entspricht § 6 des deutschen Embryonenschutzgesetzes.

Ich finde es richtig, wenn gefordert wird, dieses zu unterstützen. Das steht auch im Antrag 3 b. Eine Unterstützung des Verbots des Klonens mithilfe dieses Protokolls macht juristisch jedoch nur dann Sinn, wenn man die Konvention als Ganzes anerkennt, weil sie sozusagen das Mutterdokument darstellt. Das Protokoll bezieht sich lediglich auf die Konvention. Deutschland kann das Protokoll zum Verbot des Klonens nicht zeichnen, wenn es die Konvention nicht gezeichnet hat.

Des Weiteren wird es ein Protokoll zur Genetik und eines zum Embryonenschutz und in allernächster Zeit zur Organtransplantation geben.

Ich möchte fragen, ob es erlaubt ist, dass ich etwas zur UNESCO sage. Oder soll ich das später tun, wenn das Thema zur Sprache kommt?

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Ich meine, Sie sollten das jetzt gleich mit ansprechen.

PD Dr. Winter, Dezernent in der Bundesärztekammer:

Ich möchte jetzt auf Herrn Montgomery eingehen. Er fordert zu Recht, die UNESCO-Deklaration zum Schutz des menschlichen Genoms zu unterstützen. Das finde ich gut. Der Europarat mit 41 Staaten hat sehr wesentlich durch den Harmonisierungsprozess, den wir bis 1997 erreichen konnten, in die UNESCO-Deklaration Keimbahneingriffe als potenziell menschenunwürdig hineingebracht und das Verbot des Klonens als Idee forciert. So weit, so gut. Das Problem ist, dass die Vereinigten Staaten nicht Mitglied der UNESCO sind. Ein weiteres Problem besteht darin, dass es sich lediglich um eine Deklaration, also um eine völkerrechtlich nicht verbindliche Willenserklärung handelt und nicht um ein Gesetz.

Insofern haben wir im Vorstand gesagt: Wir brauchen eine UN-Konvention, die für alle 192 Staaten der UN Bindungswirkung entfaltet. Wir brauchen an dieser Stelle überhaupt nicht zu diskutieren, wenn wir fatalistisch sagen: Die USA machen sowieso, was sie wollen. Das können wir einfach nicht tun. Ich finde, wir müssen den Prozess unterstützen, weil wir anderenfalls jegliche Einflussmöglichkeit verlieren.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank für diesen Beitrag. - Als nächster Redner bitte Herr Beleites vom Vorstand.


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