Top VI: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Vielen Dank für die vorangegangene Debatte und die Abstimmungen. Ein wichtiges Thema wurde von diesem Ärztetag würdevoll behandelt. Danke sehr.

Wir kommen jetzt zur Gebührenordnung für Ärzte. Dazu liegen die Anträge 9, 11, 24, 25, 31, 34 und 35 vor. Als erster Redner hat der für diese Thematik im Vorstand der Bundesärztekammer Zuständige das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Möhrle.

Dr. Möhrle, Vorstand der Bundesärztekammer:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist leider etwas ein Kontrastprogramm, nach dem vorhergehenden Thema über die GOÄ zu sprechen.

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Das ist Gehirntraining!

Dr. Möhrle, Vorstand der Bundesärztekammer:

Ich nehme an, wir sind in der Lage, entsprechend umzuschalten.

Der 102. Deutsche Ärztetag 1999 in Cottbus hat in seiner Entschließung zur Weiterentwicklung der Gebührenordnung für Ärzte die Bundesärztekammer beauftragt, in Verhandlungen mit dem Bundesministerium für Gesundheit als Verordnungsgeber der GOÄ über eine GOÄ-Vertragslösung einzutreten. Für die Zustimmung der Ärzteschaft zu einer solchen Vertragslösung hat er folgende Bedingungen vorgegeben:

Des Weiteren hat der 102. Deutsche Ärztetag den Vorstand der Bundesärztekammer beauftragt, die Ergebnisse der Verhandlungen mit dem Bundesgesundheitsministerium dem 103. Deutschen Ärztetag vorzulegen, der dann entscheiden soll, ob er die ausgehandelten Bedingungen für eine Vertragslösung zur GOÄ akzeptiert.

Ein weiterer Antrag des letztjährigen Deutschen Ärztetages, gestellt von Dr. Thomas, der eine Ablehnung der Vertragslösung beinhaltete, wurde dem Vorstand der Bundesärztekammer zur weiteren Beratung überwiesen. Dieser hat sich in seiner Klausurtagung vom August 1999 für eine Weiterverfolgung der Vertragslösung unter den vom Ärztetag vorgegebenen Bedingungen ausgesprochen.

Ausgelöst wurde die Diskussion über eine "Selbstverwaltungslösung" für die GOÄ durch die Entschließung des deutschen Bundesrats bei der Verabschiedung der GOÄ-Novelle zum 1. Januar 1996 mit dem Auftrag an die Bundesregierung - ich zitiere aus dem Entschließungstext -, "unter Einbeziehung der Länder, der Bundesärztekammer und des Verbandes der privaten Krankenversicherung zu prüfen, ob es sich empfiehlt, das derzeitig staatlich verordnete Gebührensystem durch ein Vergütungssystem (mit staatlicher Zwangsschlichtung) abzulösen, das gesamtvertraglich zwischen Leistungsanbieter- und Kostenerstattungsseite vereinbart wird. Die Bundesregierung wird gebeten, hierzu bis zum 1. Oktober 1997 einen Bericht zu erstatten."

Die Bundesärztekammer hat im 1997 in ihrer Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung die Vertragslösung grundsätzlich positiv bewertet. Allerdings sollte sie sich zunächst jedoch sozusagen in einer Erprobungsphase nur auf das Leistungsverzeichnis und die Verankerung von Tarifen für sozial schutzbedürftige Personenkreise beschränken, dafür aber im Gegenzug dem Arzt wieder mehr vertragliche Freiheiten, zum Beispiel die Möglichkeit der Pauschalvereinbarung, einräumen. Damit sollte das schwerfällige Verordnungsgebungsverfahren, das eine zeitnahe Aktualisierung des Gebührenverzeichnisses nicht gewährleistet, ersetzt werden. Zugleich sollte verhindert werden, dass die Novellierungen des Gebührenverzeichnisses - wie bisher immer - mit Restriktionen der Rahmenbedingungen der GOÄ verkoppelt werden. Die positive Richtungsentscheidung der Bundesärztekammer sollte jedoch letztlich an den Rahmenbedingungen für die Vertragslösung gemessen werden.

Nach dem Regierungswechsel kam das Bundesministerium für Gesundheit im Herbst 1999 mit der Bitte auf die Bundesärztekammer zu, nunmehr in die Beratungen über die Realisierung der Vertragslösung einzutreten. Hierzu fanden zwei Gespräche statt, in denen die Positionen der potenziellen Vertragspartner - Bundesärztekammer und Verband der privaten Krankenversicherung bzw. Beihilfeträger - ausgelotet werden sollten. Themenfelder dieses ersten Gesprächs am 8. November 1999 waren: Wer sollen die Vertragspartner sein? Welche Regelungen sollen weiterhin staatlich verordnet und welche vertraglich vereinbart werden? Welche gesetzlichen Vorgaben für die Vertragsinhalte sind erforderlich? Wie sollen Schiedsstellen- bzw. Konfliktregelung aussehen? Soll eine rechtliche oder nur eine fachliche Aufsicht stattfinden?

Die Bundesärztekammer hat dieses Gespräch auf der Grundlage der oben genannten Vorgaben des 102. Deutschen Ärztetages geführt. Hier zeigte sich ein grundlegender Dissens mit den privaten Krankenversicherungen, die bei einer Vertragslösung den Regelungsinhalt der gesamten GOÄ vereinbaren möchten mit dem Ziel, gesonderte Vergütungssysteme zu schaffen.

Beim zweiten Gespräch im Bundesministerium für Gesundheit am 8. März 2000 wurden die Gesprächspartner mit dem Ergebnis der Abstimmung der beteiligten Bundesministerien für Wirtschaft und der Justiz konfrontiert. Beide Ressorts haben Rechtsbedenken gegen eine Überführung der GOÄ als Rechtsverordnung in eine Vertragslösung geäußert. Neben wettbewerbs- und kartellrechtlichen Einwendungen wurde die Legitimation der vorgesehenen Vertragspartner, Regelungen zulasten Dritter, nämlich des Privatpatienten bzw. des Selbstzahlers, zu treffen, bestritten. Damit wird die Vertragslösung mit der ursprünglichen Intention, bestimmte Regelungen der Gebührenordnung den vorgesehenen Vertragspartnern eigenverantwortlich zu übertragen, als nicht möglich angesehen. Der Verordnungsgeber kann damit aus seiner Verantwortung für die GOÄ nicht entlassen werden.

Diese rechtliche Bewertung wurde zwar als noch nicht ganz endgültig dargestellt; dennoch wurden die Möglichkeiten einer vollständigen Übertragung von Zuständigkeiten auch vom Bundesministerium für Gesundheit bereits zum jetzigen Zeitpunkt mit erheblichen Einschränkungen gesehen. Aus diesem Grunde hat das Bundesministerium für Gesundheit Alternativen zur Vertragslösung in die Diskussion eingebracht, zu denen eine Positionierung der Ärzteschaft, der privaten Krankenversicherung sowie der Beihilfekostenträger als mögliche Vertragspartner gewünscht wird: das Vorschlagsmodell und das Muster-Vertragsmodell.

Das Vorschlagsmodell sieht vor, dass Bundesärztekammer, PKV-Verband und Beihilfe konzeptionelle Vorschläge, insbesondere zum Leistungsverzeichnis, erarbeiten. Nicht ausgeschlossen sind auch gemeinsam getragene Vorschläge zum Paragraphenteil der GOÄ; eine Konfliktlösung ist vorgesehen. Alle Vorschläge werden in das Verordnungsverfahren eingebracht, das wie bisher die Zustimmung des Bundesrats erfordert.

Das Muster-Vertragsmodell hingegen sieht vor, dass die möglichen Vertragspartner, gegebenenfalls aber auch andere zu beauftragende Institutionen, nach Vorgaben des BMG als Verordnungsgeber eine gesonderte GOÄ erarbeiten, die in festzulegenden Zeiträumen aktualisiert werden soll. Auf diese Muster-GOÄ neuer Art können sich Arzt und Patient im Einzelfall einigen. Kommt keine Einigung zustande, gilt die Amtliche Gebührenordnung für Ärzte in ihrer bisherigen Form. Diese soll so gestaltet werden, dass ein Abweichen von der neuen Muster-Gebührenordnung nachteilig wäre.

Der Vorstand der Bundesärztekammer hat sich mit diesen beiden vom Bundesministerium für Gesundheit in die Diskussion gebrachten Alternativen zur Vertragslösung befasst und festgestellt, dass diese nicht geeignet sind, eine zeitnahe und sachgerechte Weiterentwicklung der GOÄ zu gewährleisten. Das ursprüngliche Ziel, das schwerfällige Verordnungsgebungsverfahren, das eine zeitnahe Aktualisierung des Gebührenverzeichnisses der GOÄ verhindert, durch die Vertragslösung zu ersetzen, kann derzeit nicht erreicht werden. Vielmehr sah der Vorstand insbesondere im Vorschlagsmodell, das auch nach Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit als einzig realisierbare Möglichkeit übrig bleibt, keine Verbesserung, sondern eher eine Verschlechterung des derzeitigen Verfahrens. Die Vorschläge der Ärzteschaft sollen danach im Vorfeld mit PKV und Beihilfe konsentiert werden. Kompromisse müssen gefunden werden. Die Ergebnisse werden danach dem politischen Abstimmungs- und Verhandlungsprozess mit dem Risiko einer weiteren Verschlechterung für die Ärzteschaft unterworfen.

Hinzu kommt, dass eine zusätzliche Verhandlungsebene eingezogen wird und damit die Beratungen zeitlich noch mehr verzögert werden als beim bisherigen Verordnungsverfahren. Das ursprüngliche Ziel einer schnelleren Modernisierung und einer eigenständigen vertraglichen Gestaltungsmöglichkeit von Teilen der GOÄ - ohne politische Einflussnahme - wird damit nicht erreicht. Der Vorstand hat deshalb die Alternativen zur Vertragslösung abgelehnt.

Meine Damen und Herren, dies ist der derzeitige Verhandlungsstand zur Vertragslösung, den ich Ihnen pflichtgemäß erstatte. Ich bitte Sie als Delegierte des 103. Deutschen Ärztetages, nunmehr Ihre Auffassung hierzu abzugeben; dies kann in Form einer Abstimmung zu dem Vorstandsantrag zur GOÄ-Vertragslösung mit der eben beschriebenen Ablehnung der Alternativen zur ursprünglich gedachten GOÄ-Vertragslösung geschehen.

Ich möchte es jedoch nicht beim Bericht über den Verhandlungsstand "GOÄ-Vertragslösung" belassen, weil Sie mit Recht die Frage stellen: Wie soll es denn nun mit der GOÄ weitergehen? Die GOÄ unterliegt einem erheblichen Risikopotenzial, wenn gar nichts geschieht. Eine Gefährdung durch politische Eingriffe wegen des Spardrucks der Beihilfe, des Wettbewerbsdrucks der PKV mit ihrer Politik in Richtung Einkaufsmodelle und Leistungssteuerung, einiger Fehlentwicklungen im Privatliquidationsbereich und der teilweise mangelnden fachlichen Akzeptanz in der Ärzteschaft aufgrund der veralteten Kapitel in der GOÄ gefährden ihren Fortbestand, wenn eine Beseitigung der Defizite durch Weiterentwicklung in absehbarer Zeit nicht erfolgt.

Daher werden wir nunmehr auf der Grundlage des geltenden Rechts alle bestehenden Möglichkeiten, wie die Schaffung und Bildung von Analogbewertungen mit dem Ziel, zumindest teilweise den medizinischen Fortschritt in das Leistungsverzeichnis einzubeziehen, die Tätigkeit des Zentralen Konsultationsausschusses zu grundsätzlichen Auslegungsfragen zur Vermeidung von Fehlentwicklungen und Rechtsstreiten, die Veröffentlichung von Abrechnungsempfehlungen des GOÄ-Ausschusses der Bundesärztekammer sowie das Hinwirken auf sachgerechte und korrekte Abrechnungen ausschöpfen.

Dies alleine wird jedoch eine wirksame Entlastung der GOÄ vom politischen Druck nicht bringen, sodass die strategischen Überlegungen zur Weiterentwicklung unter Berücksichtigung der Gefährdungstatbestände fortzuführen sind. Vor allem muss der Gesetzgeber seiner Verantwortung für eine Aktualisierung des Leistungsverzeichnisses endlich gerecht werden.

(Beifall)

Da er sich ohnehin dieser Aufgabe nicht entledigen kann, fordern wir ihn erneut auf, sich dieser Aufgabe jetzt unverzüglich zu stellen. Die Bundesärztekammer hat dazu sehr umfangreiche Vorarbeiten geleistet, indem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vollständig neu erarbeitete Kapitel des Leistungsverzeichnisses - fast für die gesamte GOÄ - vorgelegt hat und weiterhin zu jeder Unterstützung bei der konzeptionellen Weiterentwicklung der GOÄ bereit ist.

Meine Damen und Herren, dies alles sind die Schritte der nächsten Zeit. Aber das enthebt uns meines Erachtens nicht der Verpflichtung, über die völlige Neugestaltung einer Gebührenordnung für Ärzte nachzudenken, die auf völlig anderen Grundlagen basieren muss. Dies ist jedoch eine Sisyphusarbeit, die sich sicherlich über mehrere Jahre erstrecken wird und die - das sage ich Ihnen offen und ehrlich - viele personelle Ressourcen und damit viel Geld kosten wird. Im Verlauf der Diskussion zu den vorliegenden Anträgen zu diesem Punkt werden wir sicher auf das eine oder andere noch zu sprechen kommen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank, Herr Möhrle, für diese Übersicht und Aufklärung.

Zu diesem Komplex gehören, wie bereits gesagt, die Anträge 9, 11, 31, 24, 25, 34 und 35.

Zur Diskussion hat sich als erster Redner Herr Kollege Mayer aus Bayern gemeldet. Bitte schön.


© 2000Bundesärztekammer; entwickelt von EL-ZORRO TEAM98 als MediDesk