Eröffnungsveranstaltung

Dienstag, 22. Mai 2001, 10.00 Uhr

Pfalzbau Ludwigshafen

(Musikalische Einleitung: "Rennquintett")

Dr. Dieter Everz, Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Worte zu der folgenden musikalischen Veranstaltung. Es spielt für uns das "Rennquintett", gemischt "von Bach bis Blues". Dieses Ensemble wurde 1987 als Blechbläserquintett des SWF-Rundfunkorchesters gegründet. Schon bald hatte sich das Ensemble ein eigenes Profil erarbeitet, das in der intelligenten Mischung der verschiedenen Stilepochen von Bach bis Blues, von Barock bis Pop, von Menuett bis Marsch besteht. Dabei garantieren die fünf hervorragenden Solobläser Stilsicherheit in allen dargebotenen Genres.

Dies ist wohl das Geheimnis des Erfolgs dieser Gruppe: höchstes Können locker, leicht und oft mit einem Augenzwinkern dargeboten. Dabei wird schon einmal die eine oder andere Konvention und Fessel des herkömmlichen "klassischen" Konzertwesens, aber auf wohltuende Art und Weise, gesprengt.

Sowohl der Streichquintettliebhaber als auch der Bluesfan im Publikum werden gleichermaßen auf ihre Kosten kommen. Es werden stets Brücken zur Musik gebaut, wobei die dem Rennquintett ureigene Art, das Programm zu moderieren, eine besondere Rolle spielt.

Gestatten Sie mir, Ihnen die Musiker nun einzeln vorzustellen.

(Beifall)

Eine Trompete spielt Uwe Zaiser,

(Beifall)

eine zweite Trompete Peter Leiner.

(Beifall)

Die Posaune bläst für Sie Jochen Scheerer.

(Beifall)

Am Horn ist Sjön Scott.

(Beifall)

Und last, not least an der Tuba Ralf Rudolph. - Ihnen gehört die Bühne.

(Musikalische Darbietung - Beifall)

Ich hoffe, die Darbietung hat Ihnen gefallen. Es war sicherlich auch eine Demonstration, wie man sich in strengen Stilrichtungen - und nicht nur da - auf Kompromisse einigen kann.

Sehr geehrter Herr Professor Hoppe! Sehr geehrte Frau Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Auernheimer! Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Schulte! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich will ich nicht versäumen, auch einen Willkommensgruß an die Damen und Herren der Presse zu richten. - Wenn ich so in das Publikum blicke, sehe ich heute unter Ihnen viele Gäste und viele vertraute Gesichter, die ich sicherlich gern alle persönlich begrüßen würde; doch wenn ich dies täte, bliebe vom Tag nicht mehr allzu viel übrig.

Deshalb gestatten Sie mir, dass ich Sie nicht alle namentlich begrüße, sondern stellvertretend nur einen. Für unsere vielen ausländischen Gäste begrüße ich unseren Kollegen Herrn Yasser Al Sakkaa, den Präsidenten der Ärztekammer der Arabischen Liga, also aller arabischen Länder, der heute zu uns gekommen ist. Ich heiße ihn hiermit ganz herzlich willkommen.

(Beifall)

Ziemlich genau 20 Jahre hat es gedauert, bis wieder ein Deutscher Ärztetag auf rheinland-pfälzischem Boden stattfinden konnte. Daher freue ich mich umso mehr, Sie heute alle hier in Ludwigshafen am Rhein begrüßen zu können.

Ich bewundere vor allen Dingen Ihren Mut, hierher nach Rheinland-Pfalz zu kommen. Denn nun befinden Sie sich nicht nur in dem so idyllischen, schönen und geschichtsträchtigen Land, von dem man sagt, es sei ein Land der "Reben und Rüben". Sie befinden sich auch in dem Bundesland, in dem es vor betrügerisch abrechnenden Ärztinnen und Ärzten angeblich nur so wimmelt.

Die Idylle scheint also zu trügen. Wir sind für unsere angeblich hohe kriminelle Potenz aus Funk und Fernsehen bestens bekannt.

(Heiterkeit)

Allein schon wegen der vielen Fernsehübertragungen müssten Sie eigentlich mit den Räumlichkeiten unserer hiesigen Körperschaften bereits bestens vertraut sein. Denn wir in Rheinland-Pfalz rechnen angeblich so betrügerisch ab, dass ganze bewaffnete Hundertschaften der Polizei nötig sind, um die riesigen Berge von verdächtigem Datenmaterial zu beschlagnahmen. Dass dabei auch sensible Patientendaten dem Arztgeheimnis entrissen werden, wird leider häufig verschwiegen.

Auch haben Sie wegen der vielen spektakulären Fernsehbilder von Durchsuchungen vermutlich längst mitbekommen, dass wir Ärztinnen und Ärzte hierzulande so gefährlich sind, dass wir mit Handschellen aus der Sprechstunde abgeführt werden müssen, und das natürlich vor laufenden Kameras, frei nach dem quotenträchtigen Motto: Ärzte betrügen immer, sind eigentlich nur schwarze Schafe in weißen Kitteln.

Kurzum, meine Damen und Herren: Sie befinden sich gerade in der Hochburg des angeblichen Abrechnungsbetruges.

Doch Spaß beiseite: Abrechnungsbetrug ist natürlich kein harmloses oder zu verharmlosendes Kavaliersdelikt und schwarze Schafe in der Ärzteschaft dürfen nicht geschützt werden. Abrechnungsbetrug muss daher mit aller Strenge und Sorgfalt schonungslos aufgeklärt und geahndet werden, nicht zuletzt auch durch die Kammern. Deshalb fordern wir ganz deutlich, dies zu tun, und tragen unseren Teil dazu bei.

Doch eines muss ebenfalls klar sein: Solange ein Verdacht nicht tatsächlich bestätigt ist, gilt die Unschuldsvermutung, und zwar auch für Ärztinnen und Ärzte.

(Beifall)

Die Landesärztekammer kann, soll und muss meines Erachtens auch weiterhin dazu beitragen, dass es zu keinen Vorverurteilungen und vor allen Dingen zu keiner Diskriminierung eines ganzen Berufsstandes kommt. Wir als Körperschaften dürfen nicht lockerlassen, unseren medizinisch-fachlichen und auch gebührentechnischen Sachverstand einfließen zu lassen, um für eine Versachlichung und Klärung zu sorgen.

Als Landeskammerpräsident habe ich beispielsweise aufgrund der Ereignisse der vergangenen Monate bei uns im Lande viele Gespräche mit Leitenden Oberstaatsanwälten, der Generalstaatsanwaltschaft, dem Justizminister und auch Landespolitikern geführt. Während unserer jüngsten Vertreterversammlung war der zuständige Generalstaatsanwalt Weise aus Koblenz Referent und stand uns nahezu drei Stunden Rede und Antwort.

Wie gesagt, unser Engagement zum Schutz der Kolleginnen und Kollegen ist für mich persönlich eine Ehrensache. Wir müssen den uns anvertrauten Ärztinnen und Ärzten den Rücken stärken und ihnen zeigen, dass wir zu ihnen stehen. Dafür ist auch eine starke Solidarität unter den Körperschaften wichtig: Der Schulterschluss zwischen der Landesärztekammer und den Kassenärztlichen Vereinigungen ist unerlässlich. Nur miteinander können wir stark nach außen sein und unserer Sorgfaltspflicht gegenüber den Ärztinnen und Ärzten gemeinsam nachkommen. Denn unter Vorverurteilung und Diskriminierung leiden nicht nur die beschuldigten Kolleginnen und Kollegen und ihre Familien, sondern auch - dies sehe ich als wesentlich schwerwiegender an - das Vertrauensverhältnis zu unseren Patientinnen und Patienten.

Viele werden sich vielleicht fragen, was denn die Kammer mit Verdachtsfällen von Abrechnungsbetrug zu tun hat, denn schließlich fallen Abrechnungen im vertragsärztlichen Bereich in die Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigungen und Abrechnungen von Klinikleistungen in die Zuständigkeit der Krankenhäuser. Neben den berufsrechtlichen Aspekten, Vergehen und auch Verfahren kommt die Kammer natürlich nur dann mit Abrechnungen in Kontakt, wenn es um Privatliquidationen geht. Hier prüft die Kammer sehr wohl, und zwar auf der Grundlage einer amtlichen Gebührenordnung, der so genannten GOÄ. Genau hier gibt es ein großes Problem: Die derzeit gültige GOÄ ist maßlos veraltet. Zwar hat es 1996 eine Novelle dazu gegeben, doch beschränkte sich diese ausschließlich auf die allgemeinen Bestimmungen. Der überwiegende Teil des Leistungsverzeichnisses ist bereits über 20 Jahre alt und spiegelt in keinster Weise den inzwischen stattgefundenen rasanten Fortschritt in der Medizin wider.

Diese antiquierte GOÄ ist daher auch Ursache für viele Fehlinterpretationen und Abrechnungskonflikte. Vor allen Dingen - da schließt sich der Kreis - bei operativem ärztlichen Handeln ist diese GOÄ nicht mehr in der Lage, ärztliches Handeln exakt darzustellen. Hinzu kommen missverständliche und/oder medizinisch nicht nachvollziehbare Abrechnungsbestimmungen. Die GOÄ-Rechtsgrundlage ist so verzwickt, weil sie mittlerweile am tatsächlichen Leben vorbeigeht, dass Sie streng genommen ohne juristische Hilfe keine Privatliquidation mehr erstellen dürften.

(Beifall)

Ich appelliere daher mit aller Deutlichkeit an die Politikerinnen und Politiker, besonders natürlich an Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, die Novellierung der GOÄ mit allen Kräften voranzutreiben, um sie den tatsächlichen Gegebenheiten in der medizinischen Versorgung anzupassen. Wir als Bundesärztekammer sind dazu nach wie vor bereit. Unsere Vorschläge hierfür, welche die Bundesärztekammer in die Beratung beim Gesundheitsministerium einbringen darf, sollten endlich Gehör finden. Doch leider hat es sich in der Vergangenheit gezeigt, dass unsere Vorschläge oft nicht das Ergebnis erzielten, das wir uns erhofft hatten.

Natürlich wird eine neue GOÄ nicht mit einem Schlag alle abrechnungstechnischen Probleme lösen. Aber es wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Wenn dann noch die Politik endlich Farbe bekennen würde, was in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehört und was nicht, wären wir Ärztinnen und Ärzte, aber vor allen Dingen die deutsche Bevölkerung ein gehöriges Stück weiter in Richtung einer so dringend notwendigen Reform unseres Gesundheitswesens.

(Beifall)

Bislang fehlt die Trennschärfe und vor allem die Ehrlichkeit. Noch hat man der Ärzteschaft den schwarzen Peter zugeschoben. Wir müssen unseren Patientinnen und Patienten tagtäglich erklären, warum manche Leistungen, Medikamente und Verordnungen von der Kasse nicht mehr bezahlt werden. Ich habe die Hoffnung, dass diese unsere Botschaft bei Ihnen, sehr verehrte Frau Ministerin Schmidt, angekommen ist.

Ich bitte daher die Politikerinnen und Politiker unseres Landes, uns nicht länger im Regen stehen zu lassen, sondern klar zu definieren, welche medizinischen Leistungen noch auf Krankenschein erbracht werden können und welche nicht. Diese so wichtige Grundsatzdiskussion muss jedoch gemeinsam mit der Bevölkerung und uns Ärztinnen und Ärzten erfolgen, und zwar möglichst rasch. Der Runde Tisch, den Sie, Frau Ministerin, nun reanimiert haben, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung; denn nur eine mit allen Beteiligten gemeinsam erarbeitete Reform wird konsensfähig und akzeptierbar sein.

Die Notwendigkeit einer dringenden Reform des Gesundheitswesens zeigt sich auch unter dem Aspekt der ärztlichen Ausbildung, spätestens dann, wenn die DRGs eingeführt sind.

Wir müssen ebenfalls alle gemeinsam im Interesse kranker Menschen dafür sorgen, dass unser ärztlicher Nachwuchs geeignete und effektive Weiterbildungsmöglichkeiten und vor allen Dingen Arbeitsbedingungen vorfindet. Die Berufswahl zukünftiger Generationen wird sich nach wie vor auch an Kriterien wie der Ausbildung, den Arbeitsbedingungen und der beruflichen Perspektive entscheiden. Sollte es nicht gelingen, ebendiese Rahmenbedingungen neu zu ordnen, wird man in Bälde auch in Deutschland die Greencard für Ärzte einfordern.

(Beifall)

An die Adresse der Politik darf ich daher den dringenden Appell richten, die Novellierung der Approbationsordnung jetzt doch endlich zügig voranzutreiben und ebenso das Arbeitszeitschutzgesetz umzusetzen.

(Beifall)

An die Adresse der Ärzteschaft darf ich den Appell richten, dass wir auch die Novelle der Weiterbildungsordnung konzentriert und vorausschauend voranbringen. Ich persönlich möchte mit der Novellierung unserer Weiterbildungsordnung die Hoffnung verbinden, dass es innerärztlich zu einem Konsens zwischen der Allgemeinmedizin und der Inneren Medizin kommen möge, damit es zu einem gemeinsam definierten Hausarzt der Zukunft kommt.

(Beifall)

Dabei sind ausschließlich noch wir selbst gefordert. Falls es uns jedoch innerärztlich nicht gelingen sollte, das Nebeneinander unterschiedlicher Hausärzte zu beseitigen, so befürchte ich den staatlich regulierenden Eingriff und damit den Verlust einer, wenn nicht sogar der wesentlichen Funktion und Bedeutung unserer Kammern. Denn die Weiterbildung ist ein elementarer Bestandteil unserer Kammertätigkeit.

(Beifall)

Ich erhoffe mir als Gastgeber des diesjährigen Ärztetages hier in Ludwigshafen konzentrierte, sachliche Diskussionen und für Sie Entscheidungsfindungen für zukunftsweisende Weiterentwicklungen und ebenso auch ein wenig Freude und die notwendige Entspannung in unserem so schönen Land der "Reben und Rüben".

(Beifall)

© 2001, Bundesärztekammer.