TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik
1. Tag: Dienstag, 22. Mai 2001 Nur Nachmittagssitzung

Dr. Schilling, Berlin:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie viel Zeit Sie noch zu haben glauben. Die Diskussion darüber, ob wir dem Koordinierungsausschuss beitreten sollen, in welcher Weise dies geschehen soll, ob wir ihm ganz fernbleiben sollen, ob wir uns an Konsensusgesprächen beteiligen sollen oder nicht, wird den augenblicklichen Realitäten nicht gerecht. Da ich davon ausgehe, dass die Mehrzahl von Ihnen mit beiden Füßen im Berufsleben steht, dürfte Ihnen die augenblickliche Situation vertraut sein. Für uns niedergelassene Ärzte spielen die erwähnten Diskussionen überhaupt keine Rolle. Uns ist es gleichgültig, ob Sie an den Konsensusgesprächen teilnehmen oder ihnen fernbleiben. Für unsere Existenz hat dies keinerlei Auswirkungen.

Wir im ambulanten Bereich stellen fest, besonders in Berlin, dass wir unter den augenblicklich herrschenden Zuständen nicht mehr professionell arbeiten können. Die Folge dessen wird sein, dass wir zunehmend Patienten selektieren. Das heißt, diejenigen Patienten, die eines besonderen Aufwands bedürfen, werden nicht mehr betreut - Schluss, Punkt, aus. Die Zahl der niedergelassenen Kollegen, die eine Arbeitsverweigerung in diesem Sinne an den Tag legen, nimmt permanent zu. Das ist die Realität.

Sie können gern mit den Krankenkassen und mit der Politik Konsensusgespräche führen, aber die Änderungen in der ethischen Professionalität der niedergelassenen Ärzte sind unumkehrbar. Da geht es nicht mehr um das, was Sie sich möglicherweise unter einer ethisch handelnden Ärzteschaft vorstellen.

Wir stellen fest, dass sich die niedergelassenen Ärzte zunehmend ein zweites, drittes oder gar viertes Standbein suchen. Sie verdienen sich ihren Lebensunterhalt nicht mehr zu 100 Prozent mit der Versorgung von Kranken. Sie werden für die aufwendige Versorgung von Kranken und Schwerstkranken nicht mehr zur Verfügung stehen. Sie werden möglicherweise in weiten Teilen der ambulanten Versorgung ganz verloren gehen.

Das dürfte auch für den Krankenhausbereich zutreffen, bei dem wir feststellen, dass durch den Rückgang der Versorgungsqualität ebenfalls eine Selektion stattfindet.

Um es nochmals ganz deutlich zu sagen: Die Weichen sind bereits gestellt, und zwar in eine Richtung, die keinen von uns glücklich macht. Die Weichen wurden unumkehrbar in die falsche Richtung gestellt. Daran tragen die niedergelassene Ärzteschaft und die Funktionäre in den Standesorganisationen einen großen Teil Mitschuld, weil sie jahrelang die notwendigen Veränderungen torpediert oder nicht in Angriff genommen haben.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank. - Herr Ottmann hat sich noch einmal zum Thema Koordinierungsausschuss gemeldet. Bitte schön.

© 2001, Bundesärztekammer.