TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik
1. Tag: Dienstag, 22. Mai 2001 Nur Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Sewing (als geladener Gast):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten, lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man kann es im Grundsatz nur begrüßen, dass sich der Deutsche Ärztetag mit diesen schwierigen ethischen Themen beschäftigt. Ich wünsche mir für morgen eine sehr ausgedehnte und sachliche Diskussion zu diesem Thema.

Ich möchte auf einen Punkt eingehen, den Herr Kahlke angesprochen hat. Ich glaube, wir können nicht damit rechnen, dass es bei der Präimplantationsdiagnostik zu einer Ausweitung der Indikationsgebiete kommt; denn in denjenigen europäischen Ländern, in denen die Präimplantationsdiagnostik praktiziert wird, hat sich eindeutig gezeigt, dass es zu dieser Ausweitung nicht gekommen ist. Es ist auch nicht zu erwarten, dass es hier in Deutschland zu einer solchen Ausweitung kommen wird. Es handelt sich bei der Präimplantationsdiagnostik um einen viel zu gravierenden und für die Frau belastenden Eingriff. Darauf hat Frau Bühren schon hingewiesen. Schon dies ist eine ganz natürliche Barriere.

Ich möchte nun noch kurz zur Frage der Stammzellen Stellung nehmen. Die Diskussion zu diesem Thema ist auf allen Ebenen unserer Gesellschaft entbrannt; das ist auch gut und richtig so. Diese Materie ist aber so sensibel, dass sie einer ausführlichen und intensiven Diskussion in unserer Gesellschaft bedarf, nicht zuletzt deshalb, weil sich der Stand der Wissenschaft nahezu täglich ändert - man kann fast sagen: stündlich ändert -, sodass wir immer wieder vor neue Fakten gestellt werden.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat sich zum Einsatz von Stammzellen geäußert, und zwar in einer aus meiner Sicht außerordentlich sensiblen und ausführlichen Form. Ich möchte Sie alle sehr herzlich bitten, diese Stellungnahme der Deutschen Forschungsgemeinschaft in ihrer ganzen Länge zu studieren. Dann werden Sie erkennen, in welch differenzierter Weise sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit diesem Thema auseinander gesetzt hat.

Ich bitte Sie, auch zur Kenntnis zu nehmen, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft eine Organisation ist, welche die ärztliche Forschung in einer Art und Weise unterstützt, wie es beispielhaft ist. Daran sind natürlich nicht nur die reinen Wissenschaftler beteiligt, sondern ebenso diejenigen Wissenschaftler, die auch ärztlich tätig sind. Von daher wünsche ich mir, dass es hier nicht zu einer wie auch immer gearteten Polarisierung zwischen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der deutschen Ärzteschaft kommt. Die Ärzteschaft sollte sich aus meiner Sicht so positionieren, wie es dieser differenzierten Materie gerecht wird. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer beschäftigt sich zurzeit sehr intensiv mit all diesen Fragen in Form einer Arbeitsgruppe, in der Ethiker, Juristen und natürlich Ärzte, Wissenschaftler, Embryologen, die sich mit dieser Thematik auseinander gesetzt haben, vertreten sind.

Von dieser Ausgangsposition her bitte ich Sie herzlich, darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll ist, die Position des Wissenschaftlichen Beirats in dieser Frage abzuwarten, ehe sich der Deutsche Ärztetag positioniert. Ich möchte anregen, dass eine intensive Diskussion zu diesen Fragen in den Landesärztekammern geführt wird und dass darüber nachgedacht wird, ob man diesen Antrag nicht in Form der Nichtbefassung bescheidet, um noch einmal darüber nachzudenken.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank. - Der nächste Redner ist Herr Dr. Lang.

© 2001, Bundesärztekammer.