TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik
1. Tag: Dienstag, 22. Mai 2001 Nur Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Mau, Berlin:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gemeldet, um Sie eindringlich zu bitten, darüber nachzudenken, ob uns Herr Sewing nicht den richtigen Rat gegeben hat, ob wir uns nicht Zeit nehmen müssen, über ein derartig diffiziles Thema nachzudenken. Ich beschäftige mich seit 30 Jahren mit der Neugeborenenchirurgie, also der operativen Korrektur bei solchen Kindern, und mit dem Umgang mit den Eltern solcher Kinder. Soll ich demnächst einer Mutter, die bereits zwei fehlgebildete Kinder geboren hat und mich fragt, ob man nicht etwas tun kann, um die Gefahr bei der Geburt eines weiteren Kindes zu verringern, erklären: Es gibt zwar die PID, aber wenn Sie diese durchführen lassen wollen, müssen Sie ins Ausland fahren? Wir hatten diese Phase, dass der Schwangeren in Deutschland bestimmte Rechte nicht zustanden und sie ins Ausland fahren musste.

Wir haben ein Papier vorliegen, das juristisch exzellent ist. Es ist auch ethisch und moralisch exzellent, aber es ist nicht menschlich. Darin fehlt die Frau mit ihrem Problem, der es nichts nützt, wenn der Ärztetag beschließt: Wir machen das nicht. Wir sollten ganz vorsichtig erklären: Alle, die wir hier sitzen, können die Frage "Wie viele Fehlgeburten haben Sie gehabt?" nicht beantworten. Wir sollten uns Zeit nehmen, darüber nachzudenken. Wir sollten in dieser Gemengelage von wissenschaftlichen, zum Teil prognostischen, zum Teil juristischen, ethischen und moralischen Problemen keine schnelle Entscheidung treffen, nur damit wir eine Pflichtübung absolviert haben.

Vorhin war ich der Meinung, die Vorstandsüberweisung sei das beste Mittel, eine Entscheidung auf die lange Bank zu schieben. Aber wir sollten ehrlich sein: Wir können diese Frage derzeit nicht beantworten. Ich bitte Sie zu überlegen.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank. - Jetzt bitte Frau Kollegin Auerswald.

© 2001, Bundesärztekammer.