TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik
2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Vormittagssitzung

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer:

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Ich glaube, die Auseinandersetzung um die Präimplantationsdiagnostik und die Erzeugung von embryonalen Stammzellen aus Ausgangsmaterial dafür, dass man hofft, dermaleinst dadurch Gewebe- oder Organzucht betreiben zu können, ist deswegen so kontrovers, weil beide Methoden das Lebensrecht und die Unverfügbarkeit des Menschen zu Beginn seiner Existenz infrage stellen.

Ich glaube nicht, dass der Konflikt allein in der Wertung der Exzellenz der Techniken liegt. Ich glaube, dass sich eine hohe wissenschaftliche Kreativität und Intelligenz, ja Virtuosität in beiden Techniken niederschlägt. Das ist nicht der entscheidende Punkt.

Entscheidend ist vielmehr, dass diese Techniken in einen Konflikt geraten mit dem Existenzrecht künstlich erzeugter menschlicher Embryonen und dass wir mit der Zulassung sowohl der PID als auch der Produktion von humanen Stammzellenlinien eine Grundentscheidung in der Gesellschaft treffen. Ich unterstreiche, was Herr Professor Fuchs gesagt hat, dass diese Entscheidung nur von den dazu gewählten Institutionen politisch getroffen werden kann, nicht vom Deutschen Ärztetag.

Wie diese Entscheidung aussieht, ist bestimmend dafür, ob menschliches Leben für Zwecke anderer verfügbar wird. Es hilft nicht wirklich weiter, die Augen vor diesem Konflikt zu verschließen. Diese Debatte ist deshalb so schmerzhaft, weil in ihr der Eigenwert des Menschen und der Wert des menschlichen Lebens im Vergleich zu anderen hochrangigen Werten in die Debatte gerät. Das ist eben bei den Ausführungen von Herrn Kollegen Metke deutlich geworden: Behindertes Leben hat keinen Eigenwert; wenn wir schon Leben produzieren, müssen wir gesundes Leben produzieren. Ich will an die Zahlen erinnern, die Frank Ulrich Montgomery zu Beginn dieses Tages vorgetragen hat, wie dieser Anspruch denn eigentlich einzulösen ist.

Der entscheidende Punkt ist die Frage, ob wir das Existenzrecht des Menschen von seiner Qualität oder von anderen Eigenschaften abhängig machen wollen und ob wir menschliches Leben nur abhängig vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer bestimmten Qualität als schützenswert oder nicht schützenswert betrachten. Das ist die Kernfrage, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb ist die Antwort so unermesslich schmerzhaft, ob wir sie in der einen Richtung geben oder ob wir sie in der anderen Richtung geben.

Ich kann nur im Interesse der Menschen, die schwach sind und die sich in einer Welt, in der die Stärkeren gewinnen, nicht allein durchsetzen können, herzlich darum bitten: Bleiben wir dabei, dass das Existenzrecht des Menschen, dass sein Lebensrecht, dass seine Menschenrechte auf der bloßen Existenz als Mensch und der Zugehörigkeit zur Gattung Mensch beruhen, nicht auf dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von weiteren Qualitäten.

Deswegen gilt, dass es nicht stimmt, dass behindertes Leben keinen Eigenwert hat. Behindertes menschliches Leben hat genau den identischen Eigenwert wie jedes Leben hier im Raum.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Danke schön. - Jetzt Herr Metke.

© 2001, Bundesärztekammer.