TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik
2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Vormittagssitzung

Dr. Mitrenga, Nordrhein:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte auch damit leben können, wenn der Bereich PID/Stammzellenforschung zunächst abgestimmt worden wäre, damit sich die Delegierten auf ein neues Thema konzentrieren können. Wir haben uns bisher mit Problemen am Beginn des Lebens beschäftigt. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit jetzt auf den Antrag I-7 sowie einen leider noch nicht verteilten Antrag zum Thema Palliativmedizin und Hospizarbeit lenken.

Nicht etwa deshalb, weil in den Niederlanden das Euthanasiegesetz jetzt Gültigkeit hat, haben wir uns auf diesem Ärztetag mit dem Thema Sterben und Sterbebegleitung zu befassen, sondern weil in der Palliativmedizin und in der Hospizarbeit noch vieles im Argen liegt. Gerade die Palliativmedizin und die Hospizarbeit sind wesentliche Säulen, die unsere Aussage stützen: Wir haben eine Alternative zu der aktiven Sterbehilfe. Wir können in Deutschland Sterbebegleitung leisten, aber, wie Sie aus dem Antrag, der Ihnen noch nicht vorliegt, ersehen, ist durchaus einzuräumen, dass es Defizite bei der Begleitung Schwerstkranker und Sterbender gibt.

Ich möchte Ihnen aus einer ganz neuen Arbeit - sie stammt von Ende 2000 - die Zahlen vortragen, wie sich die Palliativmedizin und die Hospizarbeit in Deutschland positiv entwickelt haben. 1993 gab es - Palliativstationen und Hospize zusammengenommen - 34 entsprechende Einrichtungen mit 302 Betten. Ende 2000 gab es erfreulicherweise - das ist aber immer noch zu wenig - 152 solcher Einrichtungen mit 1 299 Betten. In Großbritannien gab es 1993 bereits 199 Einrichtungen mit über 3 000 Betten. Inzwischen sind es dort 3 500 Betten.

In den stationären Hospizen gab es im Durchschnitt 2,2 hauptamtliche Mitarbeiter und in den ambulanten Hospizen 1,2. In den stationären Hospizen gab es 2,4 ehrenamtliche Mitarbeiter, in den ambulanten Hospizen 23 ehrenamtliche Mitarbeiter.

Bei der Palliativmedizin ist zu beklagen, dass es einen einzigen entsprechenden Lehrstuhl gibt, und zwar in Bonn. Zu beklagen ist ferner, dass in der Approbationsordnung die Palliativmedizin und die Arbeit mit Sterbenden gar nicht vorkommen. In den Weiterbildungsordnungen unserer Kammern sind nirgendwo die Palliativmedizin und die Probleme der Sterbebegleitung ausdrücklich angesprochen.

Meine Damen und Herren, ohne dass ich rechtliche Aspekte besonders in den Vordergrund stellen möchte: Natürlich wird das Selbstbestimmungsrecht immer als Argument angeführt, wenn man sich diesem Thema von der anderen Seite her nähert, als wir Ärzte es tun. Das Recht auf den eigenen Tod bedeutet nicht das Recht, getötet zu werden. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Grund, den man hier erörtern muss.

Ich darf Sie bitten, dem Antrag 7 und dem noch nicht umgedruckten Antrag 15 mit breiter Mehrheit zuzustimmen, da sowohl die Palliativmedizin als vor allen Dingen auch die Hospizarbeit immer noch ums Überleben kämpfen. Wir benötigen viel Geld, damit wir unsere Arbeit wahrhaftig leisten können. Ich meine, die Aussage ist richtig: Der Umgang mit Schwerstkranken ist ein Gradmesser dafür, wie human eine Gesellschaft ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Danke schön. Wenn der Antrag bis zur Abstimmung noch nicht auf Ihren Plätzen liegt, werde ich ihn verlesen. Wir können ihn auch auf die Leinwand projizieren. Ich denke, auf diese Weise können Sie sich ein Bild über den Inhalt des Antrags machen. - Jetzt bitte noch Frau Dr. Auerswald.

© 2001, Bundesärztekammer.