TOP II: Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte

2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Vormittagssitzung

Prof. Dr. Mau, Berlin:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegen ungefähr 20 Anträge zu diesem Themenkomplex vor. Wir haben jetzt 20 Minuten lang etwas über Ausbeutung gehört, ohne zu erfahren, wer eigentlich der Ausbeuter ist, wo der Profit ist. Wenn das ganze System nach den Regeln, die Karl Marx aufgestellt hat, funktionieren würde, müssten wir auch den Mut haben, einmal zu fragen, wer eigentlich Profit aus einer solchen Situation zieht.

Ich bin in diesem Gremium vor fünf Jahren von dem im Übrigen sehr geschätzten jetzigen Berliner Kammerpräsidenten Jonitz als Ausbeuter beschimpft worden. Wir haben uns später auf "Leuteschinder" geeinigt, weil ich meine Leute gut ausbilde und die Ausbildung in der Medizin nach wie vor eine Schinderei ist. So wird es auch bleiben. Ich bin nicht der Ansicht, dass sie vergleichbar der eines Busfahrers sein wird, auch zukünftig nicht. Arztsein ist ein sozialer Beruf und bedeutet nach wie vor, dass man bereit ist, sein eigenes Wohl im Verhältnis zum Wohle des Patienten hintanzustellen. Das wird auch so bleiben; anderenfalls wird dieser Beruf seine soziale Kompetenz verlieren.

Das ändert nichts an der Tatsache, dass der Berufseinstieg für unsere jungen Ärzte mit einer Demütigung beginnt, über die jeder, der nach zehn Schuljahren auf dem Bau tätig ist, lächeln würde, wenn ihm die Situation bekannt wäre. Es ist nicht zu glauben, unter welchen Bedingungen gearbeitet wird. Wenn die Abschaffung des AiP gefordert wird - eine Forderung, der ich mich verkürzt anschließe -, dann ist ja damit die Abschaffung dieser demütigenden Vergütung ärztlichen Handelns gemeint.

(Beifall)

Wir werden sicherlich über die Durchsetzung des Arbeitszeitgesetzes und über die Schaffung von fairen Bedingungen sehr viel diskutieren müssen. Ich halte es für Unsinn, von vornherein zu erklären: Ein Arzt muss 40 Stunden arbeiten, mehr nicht. Ich kenne keinen niedergelassenen Arzt, der 40 Stunden arbeitet. Ich kenne auch keinen Facharzt und keinen Oberarzt, der eine solche Arbeitszeit hat, mit der er sich derart begrenzt. Dass dafür ein Ausgleich geschaffen werden muss und der Arzt für seine hochverantwortliche Tätigkeit entsprechend honoriert werden muss, das ist doch wohl selbstverständlich. Für mich stehen junge Ärzte nicht einmal verbal in irgendeiner Verbindung zu Lufthansapiloten. Ich halte diese unsägliche Diskrepanz zwischen dem, was wir von den jungen Ärzten verlangen, und dem, was die Gesellschaft ihnen dafür gibt, für unerträglich. Das muss dringend geändert werden.

Ich habe auf dem Weg zum Rednerpult gesagt: Ich habe mir früher in der DDR vorgestellt, dass es sich später einmal so anhören wird wie diese klassenkämpferische Rede von Herrn Montgomery. Ich bin traurig, dass ich mich dem heute inhaltlich weitgehend anschließen muss. Es geht um ernsthafte Probleme. Diese können wir nicht unter uns lösen. Wir müssen, wie ich bereits sagte, fragen: Wer hat den Profit aus dieser Situation? Ich bin selber Krankenhauschef und habe mich solchen Fragen zu stellen. Ich kann doch nicht sagen: Ich setze meine Gelddruckmaschine in Gang und gebe dann das Geld aus. Man muss vielmehr sagen: Die Leistung wird eingeschränkt, das Krankenhaus erhält weniger Geld, dann kann es auch nur weniger bezahlen. Das System verbietet uns, fair miteinander umzugehen. Die Ebene, auf der wir angreifen müssen, liegt oberhalb des Systems. Wir müssen mit den Krankenkassen reden. Wir haben mit unseren Kassen verhandelt und erklärt: Wir setzen jetzt das Arbeitszeitgesetz um. Das kostet uns 15 Millionen DM. Da waren die Krankenkassen bei den Pflegesatzverhandlungen gar nicht fröhlich.

Damit müssen wir beginnen. Es hat keinen Zweck, dass wir uns untereinander die Schuld geben.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank, Herr Mau.

Meine Damen und Herren, damit ist die Vormittagssitzung beendet. Der nächste Redner nach der Mittagspause ist Herr Professor Adam.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass jetzt im unteren Foyer die Ausstellung "Gorgoneion" zugunsten der Hartmannbund-Stiftung "Ärzte helfen Ärzten" eröffnet wird. Wir wünschen dieser Ausstellung viel Erfolg.

Am Informationsstand der Ärztekammer Rheinland-Pfalz sind wunschgemäß CDs des "Rennquintetts", das wir gestern gehört haben, erhältlich.

Wir sehen uns um 14 Uhr wieder.

© 2001, Bundesärztekammer.