TOP II: Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte

2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Nachmittagssitzung

Dr. Wahl, Baden-Württemberg:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst sagen: Herr Professor Adam, ich bin wirklich beeindruckt. Ich hatte noch gar nicht in diese Richtung gedacht. Auch ich befasse mich mit der angemessenen Vergütung von Weiterbildungsassistenten; allerdings ist unser Ansatzpunkt ein etwas anderer.

Lassen Sie mich kurz folgende Kasuistik vorstellen. Stellen Sie sich vor, die Verwaltung schließt einen Teilzeitvertrag mit dem weiterbildungswilligen Arzt ab. Der Chefarzt legt dem Kollegen mehr oder weniger verklausuliert nahe, doch das Wort "Teilzeit" zu vergessen. Der Arzt arbeitet "freiwillig" Vollzeit zum Teilzeittarif. Der Chef schreibt ein Zeugnis über Vollzeitweiterbildung und dieses Zeugnis wird bei der Ärztekammer eingereicht.

Alle sind zufrieden: die Klinikleitung darüber, dass der Chefarzt X auch mit reduziertem Budget noch gute Arbeit leistet; der Chef darüber, dass mit dem eingesparten Geld neue Geräte gekauft werden; der Assistent darüber, dass er nun endlich die Facharztanerkennung einreichen kann. Auch die Ärztekammer ist zunächst einmal zufrieden, weil sie nämlich nicht weiß, was da vor sich gegangen ist.

Es ist ein Geflecht aus nonverbaler Erpressung und willigem Sich-erpressen-Lassen.

Mit der Novellierung des Heilberufe-/Kammergesetzes in Baden-Württemberg Ende 1999 hatten wir erstmals eine Handhabe, gegen diese Art Ausbeutung ärztlicher Arbeitskraft vorzugehen. Es ist uns nämlich gelungen, den Begriff der angemessenen Vergütung für Ärzte in der Weiterbildung in das Kammergesetz zu platzieren. In § 34 heißt es über Inhalt und Durchführung der Weiterbildung, dass die Weiterbildung ganztägig in Vollzeitbeschäftigung und in angemessener Vergütung durchgeführt wird. Zeiten in einer Weiterbildungsstätte, die ohne angemessene Vergütung abgeleistet wurden, werden in der Regel nicht anerkannt.

Ich denke, damit ist der Wille des Gesetzgebers unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden. Bei der Umsetzung des Ganzen spielt nun die Ärztekammer eine wichtige Rolle. In der Berufsordnung steht nämlich, dass es berufsunwürdig ist, Kolleginnen und Kollegen in unlauterer Weise mit unangemessener Vergütung oder unentgeltlich zu beschäftigen oder eine Beschäftigung zu bewirken.

Ausgehend von diesen gesetzlichen Vorgaben haben wir im Vorstand der Landesärztekammer Baden-Württemberg beschlossen: Angemessen ist eine Vergütung für die ärztliche Tätigkeit im ambulanten wie im stationären Bereich in Anlehnung an den BAT. Zum Zwecke der Überprüfung der Angemessenheit der Vergütung sind den Bezirksärztekammern die Arbeitsverträge vorzulegen. Wenn Zweifel im Hinblick auf die Angemessenheit der Vergütung bestehen, so entscheidet der Vorstand der Bezirksärztekammer darüber nach vorheriger Anhörung der Kommission.

Was bedeutet das für die Praxis? Ärzte, die ihre Weiterbildung oder einzelne Abschnitte davon nach dem Stichtag begonnen haben, müssen bei der Vorlage der Papiere zur Facharztprüfung neben Zeugnissen auch die Arbeitsverträge für jeden einzelnen Weiterbildungsabschnitt vorlegen. Die Arbeitsverträge geben Auskunft darüber, ob es sich um eine Vollzeit- oder eine Teilzeitbeschäftigung handelt, und legen die Vergütung offen. Anhand der Arbeitsverträge kann die Kammer beurteilen, ob die Weiterbildungszeit dem Anstellungsvertrag entspricht, ob die Vergütung angemessen war; wenn das eine oder andere nicht stimmt, wird der entsprechende Weiterbildungsabschnitt nicht anerkannt.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank, Frau Wahl. - Jetzt hat das Wort Herr Kollege Nowak aus Hessen. Bitte schön.

© 2001, Bundesärztekammer.